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Georgien: Nach der mutmaßlich manipulierten Wahl: Wenig Rückendeckung für Georgiens Opposition

Georgien

Nach der mutmaßlich manipulierten Wahl: Wenig Rückendeckung für Georgiens Opposition

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    Mariam Geguchadze will sich nicht mit dem Wahlergebnis vom vergangenen Samstag abfinden.
    Mariam Geguchadze will sich nicht mit dem Wahlergebnis vom vergangenen Samstag abfinden. Foto: Lukas Reinhardt

    Mariam Geguchadze hat sich an Vieles gewöhnt. An stundenlange Verhöre auf der Polizeiwache, an Verleumdungskampagnen gegen sie, an das Gefühl der Unsicherheit. Woran sie sich nicht gewöhnen kann, ist die knapp 900 Kilometer lange Grenze zu Russland. Zu sehr haben sich die Kindheitserinnerungen an den Kaukasuskrieg 2008 bei ihr eingebrannt, zu groß ist die Sorge vor dem langen Arm Moskaus, der inzwischen bis nach Tiflis reicht. „Ich hätte gerne einen anderen Nachbarn“, sagt sie.

    Die Aktivistin, 26 Jahre alt, hat ihr junges Leben dem Protest für ein europäisches Georgien verschrieben. Sie steht auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt. Es ist jener Ort, an dem sie 2019 das erste Mal gegen den russischen Einfluss auf die Straße gegangen war.

    Am Montagabend versammelte sie sich hier friedlich mit zehntausenden Anhängern der proeuropäischen Opposition, die alle von einer „gestohlenen Parlamentswahl“ sprechen. Sie erkennen den Sieg der russlandfreundlichen Regierungspartei „Georgischer Traum“ nicht an und stützen sich auf Berichte von in- und ausländischen Wahlbeobachtern.

    Doch nun macht sich unter den Demonstranten erster Unmut über die Europäische Union (EU) breit. Menschen wie Mariam Geguchadze fühlen sich im Stich gelassen. „Wir kämpfen für die Werte, die auch ihr vertretet. Aber wir haben einen Gegner vor uns, der von Russland gedeckt wird. Also stellt euch endlich an unsere Seite“, appelliert die Aktivistin einen Tag nach dem Protest in Richtung Brüssel.

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    Bislang hält sich die EU mit einer allzu deutlichen Positionierung zur Abstimmung vom Samstag zurück. Zwar forderte die Kommission am Sonntag die Zentrale Wahlkommission in Tiflis zu einer unabhängigen Untersuchung der Manipulationsvorwürfe auf. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen angekündigt. Doch so weit gehen wie Georgiens Staatspräsidentin Salome Surabischwili, die das Ergebnis als „durchweg gefälscht“ bezeichnet und Neuwahlen unter internationaler Aufsicht fordert, möchte man in Brüssel offenbar nicht.  

    Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), ist das ein Unding. Auf dem Kurznachrichtendienst „X“ bezeichnete er die Stellungnahme der Kommission als „Schande“. Brüssel und Berlin müssten die proeuropäischen Kräfte in Georgien endlich stärker unterstützen und dürften diese Wahl nicht anerkennen.

    Orban sieht georgische Demokratie in „Bestform“

    Die georgische Regierung erhielt indes Rückendeckung von einem befreundeten EU-Staatschef. Viktor Orban reiste am Montagabend nach Tiflis, um sich mit Ministerpräsident Irakli Kobachidse zu treffen. Nachdem Ungarns Premier bei seiner Ankunft vor dem Hotel von Demonstranten mit Pfiffen und Buhrufen begrüßt worden war, rollte ihm die georgische Regierungspartei am Dienstagmorgen den sprichwörtlichen roten Teppich aus.

    Bei seinem Besuch bezeichnete Orban die Abstimmung in Georgien als „frei und fair“. Ungarische Wahlbeobachter hätten keine Verstöße festgestellt. Die georgische Demokratie sei in „Bestform“. Zudem wolle er sich weiter für den EU-Beitritt Georgiens einsetzen, so Orban, dessen Fidesz-Partei wie der „Georgische Traum“ als nationalkonservativ und rechtspopulistisch gilt.

    Ungarn hat derzeit den Vorsitz der Ratspräsidentschaft inne. Doch Orban kam, anders als es der „Georgische Traum“ in den sozialen Netzwerken präsentierte, nicht als Vertreter der Europäischen Union. Das hatte der Vizekommissionschef und Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Besuch noch einmal deutlich gemacht.

    Die georgische Regierungspartei tut derweil alles, um den Anschein eines baldigen EU-Beitritts zu wahren, trotz der teils drastischen antieuropäischen Rhetorik im Wahlkampf. Der Großteil der Bevölkerung will in die EU. Und der „Georgische Traum“ ist angesichts der angespannten politischen Lage, in der sich das Land befindet, auf Zuspruch angewiesen.

    Das Ergebnis der Parlamentswahl dürfte die Aufnahme in den Staatenbund nicht wahrscheinlicher gemacht haben. Das Verhältnis zum Westen hatte sich allerdings bereits im Frühjahr 2024 deutlich verschlechtert. Damals erließ die Regierung ein sogenanntes „Agentengesetz“ nach russischem Vorbild, massive Proteste waren die Folge. Seither sind die Beitrittsgespräche de facto gestoppt. Das dürfte wohl vorerst so bleiben, wie ein Bericht zu den Erweiterungsplänen der EU nahelegt, den die Kommission am Mittwoch veröffentlicht hat.

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    „Ich verstehe das“, sagt Mariam Geguchadze. „Wäre diese Regierung ein Mensch, würde ich ihn auch nicht in mein Haus lassen.“ Sie sitzt inzwischen in einem Café gegenüber des Parlaments, vor ihr eine Tasse Tee. Daneben liegt das Smartphone, das immer wieder aufleuchtet und vibriert. In den sozialen Netzwerken folgen Geguchadze knapp 100.000 Menschen. Ob ihr diese Popularität Sicherheit gibt? „Das weiß ich nicht“, antwortet sie. „Ich weiß nicht, wo ich morgen, in einer Woche oder einem Monat sein werde.“ Was sie weiß: In einem von Russland kontrollierten Georgien gibt es für Menschen wie sie keinen Platz.

    Geguchadze möchte weiter auf die Straße gehen. Das Land habe noch viel Reformarbeit vor sich. Doch die Mitgliedschaft in der EU sei die einzige Möglichkeit für Georgien, sich von Moskau zu entfernen. „Es ist der einzige Weg, unsere demokratischen Strukturen zu schützen und wirtschaftlichen Fortschritt zu erzielen“, sagt Geguchadze. Doch dieser Weg scheint inzwischen so weit entfernt wie lange nicht.

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    1 Kommentar
    Jochen Hoeflein

    Man kritisiert im Westen zwar den Wahlablauf in Georgien - mehr aber auch nicht. Eine Maidan vergleichbare massive Unterstützung bleibt aus. Ein zweite Entwicklung nach Ukraine Muster wird es nicht geben. Der erste Versuch zur Systemänderung verbunden mit milit. Auseinandersetzung mit dem "großen" Bruder Russland ist kläglich gescheitert.

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