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Frankreich: „Stinkefinger für die Demokratie“: Macron ist ein Getriebener

Frankreich

„Stinkefinger für die Demokratie“: Macron ist ein Getriebener

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    Die Gegner von Präsident Emmanuel Macron haben in den vergangenen Wochen in Paris mehrmals demonstriert.
    Die Gegner von Präsident Emmanuel Macron haben in den vergangenen Wochen in Paris mehrmals demonstriert. Foto: Michel Euler, dpa (Archivbild)

    Nach der Bekanntgabe des neuen französischen Kabinetts am Wochenende reißt die Kritik an dessen Zusammensetzung nicht ab. Der Sozialisten-Chef Olivier Faure sprach von einer „reaktionären Regierung in Form eines Stinkefingers für die Demokratie“. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon forderte, sich dieser „so schnell wie möglich zu entledigen“. Noch am Samstag waren Tausende Menschen in ganz Frankreich dem Protestaufruf von Mélenchons Partei LFI (La France Insoumise, „Das unbeugsame Frankreich“) gefolgt. Diese strengt ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Emmanuel Macron an, das allerdings nur geringe Erfolgschancen hat.

    Dennoch erschüttert viele, dass ausgerechnet die Parteien, die vor gut drei Monaten von der Wählerschaft abgestraft worden waren, die neue Mitte-rechts-Regierung um Premierminister Michel Barnier stellen, nämlich jene des Macron-Lagers und der Republikaner. Außen vor bleiben die Mitglieder des links-grünen Bündnisses, das insgesamt am meisten Sitze errang und eine eigene Kandidatin für das Amt der Regierungschefin vorschlug. Trotz fehlender absoluter Mehrheit in der Nationalversammlung zeigten sich die linken und grünen Parteien wenig kompromissbereit, von ihren Forderungen abzuweichen. Unter anderem wollen sie die Rentenreform rückgängig machen – eine rote Linie für den Präsidenten.

    Die Republikaner sind in Frankreich wieder an einer Regierung beteiligt

    In der neuen Regierung sind sieben seiner bisherigen Minister erneut vertreten, darunter zwei auf ihren alten Posten: Der Macron-Vertraute Sébastien Lecornu bleibt für die Verteidigung zuständig, die ehemalige Justizministerin Rachida Dati für die Kultur. Die Präsidentenpartei Renaissance und deren beiden Bündnispartner erhalten hinsichtlich der Anzahl und der Bedeutung der Ressorts am meisten Gewicht: Sie stellen unter anderem die Minister für Wirtschaft und Finanzen, Energie und Bildung, wobei das Budget-Ressort erstmals direkt dem Premier- und nicht dem Finanzminister untersteht. Dieses übergab Bruno Le Maire nach mehr als sieben Jahren im Amt dem erst 33 Jahre alten Antoine Armand. Die Republikaner übernehmen Schlüsselressorts wie Inneres, Hochschule und Forschung sowie Landwirtschaft.

    Neuer Außen- und Europaminister wird der bisherige Europa-Staatssekretär Jean-Noël Barrot. Tatsächlich zeigte Macron zuletzt anlässlich der Nominierung des bisherigen Außenministers Stéphane Séjourné als neuen EU-Kommissar ohne Absprache mit Barnier, selbst jahrelang Mitglied der EU-Kommission, dass der französische Präsident auch künftig die Außen- und Europapolitik maßgeblich bestimmen will.

    Als einziger Vertreter der Linken wird Didier Migaud Justizminister. Der frühere Sozialist war Präsident des Rechnungshofs und zuletzt der Transparenzbehörde. Damit ist die Regierung weit entfernt von einer „nationalen Union“, wie Macron sie gefordert hatte. Stattdessen treten mehrere Politiker mit wertkonservativem Profil ein, die sich gegen die Einführung der Homo-Ehe unter Macrons Vorgänger François Hollande und zuletzt die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der französischen Verfassung ausgesprochen haben.

    Ex-Präsident Hollande kritisiert die französische Regierungsbildung

    Zu ihnen gehört Bruno Retailleau, bislang Fraktionschef der Republikaner im Senat, der neuer Innenminister wird. Er gilt auch als Hardliner im Hinblick auf die Einwanderung und hatte eine entscheidende Rolle beim Beschluss eines scharfen Migrations- und Asylgesetzes Ende 2023 inne. Abgesehen von ihm finden sich keine bekannten Spitzenpolitiker mit Ambitionen auf das Präsidentenamt unter den 39 Ministern und Staatssekretären. Dies deutet auf den Wunsch Barniers hin, eine möglichst umfassende Autorität über sein Team zu bewahren.

    Die Situation im Parlament ist schon kompliziert genug. Mangels eigener absoluter Mehrheit in der Nationalversammlung ist der Premier vom Rassemblement National (RN) abhängig. Gemeinsam mit den Linken kann die rechtsextreme Partei die Regierung stürzen. RN-Fraktionschefin Marine Le Pen hat zwar angekündigt, dem früheren EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler eine Chance zu geben, kritisierte nun aber, dessen neue Mannschaft sei „weit entfernt vom Wunsch der Menschen nach einem Wandel und Regierungswechsel“. Ex-Präsident Hollande, der seit Juli im Parlament sitzt, warnte, das Überleben dieser „zerbrechlichen Regierung“ hänge am RN.

    In einer Woche wird Barnier in seiner Regierungserklärung die großen Linien seiner Politik darlegen. Erste große Herausforderung für ihn die Verhandlungen über den Haushalt. Angesichts der hohen Staatsverschuldung von 110 Prozent der Wirtschaftsleistung stehen massive Einsparungen und möglicherweise auch Steuererhöhungen an.

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