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Frankreich: Macron und Scholz: Der deutsch-französische Motor der EU läuft nicht rund

Frankreich

Macron und Scholz: Der deutsch-französische Motor der EU läuft nicht rund

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    Erst kam er später, dann guckte er wenig amüsiert: Emmanuel Macron trifft Olaf Scholz in Brüssel zum Vieraugengespräch.
    Erst kam er später, dann guckte er wenig amüsiert: Emmanuel Macron trifft Olaf Scholz in Brüssel zum Vieraugengespräch. Foto: Olivier Hoslet, Pool Epa/AP/dpa

    In der Politik kommt kleinen Gesten manchmal große Bedeutung zu. Beim Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs in Brüssel lässt der französische Präsident Emmanuel Macron den deutschen Kanzler gute 15 Minuten warten.

    Olaf Scholz und Macron sind zu einem bilateralen Gespräch am Rande des EU-Gipfels verabredet, solche Verspätungen kommen vor. Doch das deutsch-französische Verhältnis steht gerade unter besonderer Beobachtung.

    Der deutsch-französische Ministerrat in Fontainebleau? Abgesagt. Die geplante trilaterale Präsidiumssitzung des Bundestages, der französischen Assemblée nationale und des polnischen Sejms in Augsburg? Abgesagt. Offiziell werden zeitliche und logistische Gründen genannt, doch im politischen Berlin glaubt das niemand. Solch hochkarätige Treffen sind von langer Hand vorbereitet, da geht in der Regel nichts schief. Die Gründe liegen woanders.

    Die Franzosen lieferten Waffen, in Deutschland wurde heftig darüber debattiert

    Das Zerwürfnis nahm im Frühjahr seinen Anfang. Nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine war für die stolzen Franzosen schnell klar, dass sie schwere Waffen ins Kriegsgebiet liefern. In Deutschland hingegen wurde heftig über das Thema gestritten, auch innerhalb der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Strategen im Élysée-Palast beobachteten aufmerksam, dass Koalitionspolitikerinnen aus der zweiten Reihe dem Kanzler öffentlich auf der Nase herumtanzten, die Deutungshoheit an sich zogen und Scholz sich nicht wehrte.

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Elysee-Palast.
    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Elysee-Palast. Foto: Ludovic Marin, Pool AFP/AP, dpa

    Macron war da ohnehin schon angesäuert. Der Franzose hatte zusammen mit dem damaligen italienischen Regierungschef Mario Draghi Vorstellungen von der künftigen EU-Fiskalpolitik formuliert. Er hätte gerne den deutschen Kanzler im Boot gehabt – in Erinnerung dessen, dass eigentlich Paris und Berlin die EU führen. Doch der ehemalige Bundesfinanzminister wollte nicht, wie Macron später erzählte. Das deutsche 200-Milliarden-Paket zur Eindämmung der Energiekrise hat das ohnehin angespannte Verhältnis nun weiter belastet.

    Scholz pumpt viel Geld in den deutschen Gaspreisdeckel, verweigert aber eine europäische Lösung

    Kein anderer EU-Staat pumpt, gemessen am Bruttosozialprodukt, so viel Geld in die nationale Energiepreisdeckelung wie Deutschland. Frankreich hat zwar schon längst einen Gaspreisdeckel, doch die dafür veranschlagten 16 Milliarden Euro in diesem und im nächsten Jahr sind von 200 Milliarden selbst dann noch weit entfernt, wenn man andere französische Rettungsschirme hinzuzählt. Andere EU-Staaten können wie den der Ampel finanziell ohnehin nicht leisten. Berlin steht als Angeber da, gilt als arrogant, weil sich Scholz einem europäischen Gaspreisdeckel verweigert.

    Macron umschreibt es etwas diplomatischer. "Ich glaube, es ist nicht gut, weder für Deutschland noch Europa, dass es (Deutschland) sich isoliert", sagt er. Scholz lässt in Brüssel gleichwohl nur ein Gaspreisdeckelchen zu – lediglich extreme Ausschläge sollen begrenzt werden. Der Kanzler will von Missstimmung zwar nichts wissen. Man könne davon ausgehen, "dass die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland und auch zwischen dem Präsidenten und dem Bundeskanzler intensiv ist und auch erfolgreich, wie man bei verschiedenen Gelegenheiten auch immer wieder gut merken kann", sagt er.

    Doch allein dieser holprige, bemühte Satz gibt den wahren Zustand an sich schon ganz gut wieder. Französische Medien berichten zudem über ganz andere Eindrücke aus der Delegation ihres Landes: Paris wundert sich über einen zaudernden Kanzler, der im Konzert der 27 nicht den Ton angibt wie einst Angela Merkel, sondern im Chor nur eine Stimme ist. Und auch in Deutschland wächst die Kritik. "Es gibt offensichtlich tiefgreifende Störungen im deutsch-französischen Verhältnis", sagt CDU-Parteichef Friedrich Merz und mahnt: "Das ist sehr bedenklich und keine gute Entwicklung angesichts der Krisen, vor denen wir stehen."

    "Merkozy"arbeiteten in der Finanzkrise 2008 eng zusammen

    Der europapolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Alexander Radwan, bestätigte den Eindruck, dass es zwischen Berlin und Paris einen "inhaltlichen Dissens in mehreren Themen, etwa bei Waffenexporten, Kernenergie und Gasinfrastruktur" gibt. Radwan weist darauf hin, dass die deutsch-französische Partnerschaft "immer Garant und Basis für europäische Stärke und Stabilität" gewesen sei.

    Nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 etwa waren Deutschland und Frankreich besonders in der Verantwortung, einen Absturz der EU zu verhindern. Kanzlerin Angela Merkel und der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy arbeiteten so eng zusammen, dass sogar ein neues Wort kreiert wurde: Merkozy. Danach waren Merkel, der französische Präsident François Hollande und der britische Premier David Cameron die "Köpfe der Krise" im Kampf gegen die sich auswachsende Finanzkrise.

    Selbst als Hollandes Stern zu sinken begann, hielt Merkel dem "Flanby" (Karamellpudding), wie er im Wahlkampf verhöhnt wurde, die Treue. Am Tag nach dem griechischen Referendum und dem klaren "Nein" zu europäischen Sparvorschriften im Juli 2015, als die EU auf der Kippe stand, reiste Merkel demonstrativ nach Paris und ließ nicht Hollande bei sich antanzen – eine diplomatische Feinheit, die seinerzeit viel Beachtung fand.

    Angela Merkel und Emmanuel Macron: So viel Nähe ist selten zwischen zwei Politikern.
    Angela Merkel und Emmanuel Macron: So viel Nähe ist selten zwischen zwei Politikern. Foto: Kay Nietfeld,ddpa

    Zwischen Merkel und Hollandes Nachfolger Macron lief zwar auch nicht alles glatt. Die New York Times berichtete einmal, dass Merkel den französischen Präsidenten bei einem Abendessen ordentlich ins Gebet nahm. "Ich verstehe Dein Bedürfnis nach disruptiver Politik", sagte Merkel demnach zu Macron. "Aber ich bin es leid, die Scherben aufzukehren. Immer wieder muss ich die Tassen zusammenkleben, die Du zerbrochen hast, nur damit wir wieder zusammensitzen und eine Tasse Tee trinken können", zitierte das Blatt.

    Merkel und Macron pflegten ein enges Verhältnis

    Merkel soll sich auf Macrons Kritik an der Nato bezogen haben, die der Franzose als "hirntot" bezeichnete, sowie auf den Widerstand des Élysée-Palasts gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Doch unterm Strich war das Verhältnis zwischen den beiden zwar kompliziert, aber innig. Dokumentiert ist das in einem Foto von 2018, auf dem sich die Kanzlerin mit geschlossenen Augen vertrauensvoll an Macron schmiegt.

    Merkel hatte 16 Jahre Zeit, sich an Paris abzuarbeiten und zu gewöhnen. Scholz ist noch nicht mal ein Jahr lang Kanzler. Anderseits hatte er als Vizekanzler in der Großen Koalition vier Jahre lang Zeit, das französische Savoir-vivre zu studieren. Doch niemand kann Scholz mangelnden politischen Instinkt vorwerfen. Nachdem die Medienlage zulasten der Bundesregierung zu kippen droht, gibt Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag bekannt, dass Scholz am Mittwoch nach Paris reisen wird. Im Élysée will er sich mit Macron "bei einem gemeinsamen Arbeitsmittagessen über aktuelle bilaterale und europapolitische Fragen austauschen". Bleibt zu hoffen, dass dieser Termin nicht auch noch abgesagt wird.

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