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Fragen & Antworten: Neuwahlen nach dem Europawahl-Desaster: Wohin steuert Frankreich?

Fragen & Antworten

Neuwahlen nach dem Europawahl-Desaster: Wohin steuert Frankreich?

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    Emmanuel Macron beim Gedenken für Widerstandskämpfer: Ebnet Frankreichs Präsident Rechtsextremisten den Weg an die Macht?
    Emmanuel Macron beim Gedenken für Widerstandskämpfer: Ebnet Frankreichs Präsident Rechtsextremisten den Weg an die Macht? Foto: Ludovic Marin, dpa

    Präsident Emmanuel Macron hat am Abend der EU-Wahl als Konsequenz aus dem enttäuschenden Ergebnis für seine Partei und dem (RN) die Nationalversammlung aufgelöst. Mit der überraschenden Entscheidung wirbelt er die französische Politik durcheinander und könnte einen Sieg der Partei von Marine Le Pen herbeiführen.

    Wann wird in Frankreich neu gewählt?

    Macron hat die Neuwahlen für den 30. Juni und 7. Juli angesetzt, der erste Wahlgang findet damit bereits nächste Woche statt. Damit ändert Macron auch den klassischen Wahlkalender: Seit 2002 finden die Parlamentswahlen in Frankreich alle fünf Jahre im Juni statt, wenige Wochen nach den Präsidentschaftswahlen. Dabei statten die Wähler den Präsidenten entweder mit einer klaren Mehrheit aus oder geben ihm eine Warnung mit. So war das 2022, als Emmanuel Macron wiedergewählt wurde, aber sein Parteienbündnis die Mehrheit in der Nationalversammlung verpasste. Für den Beschluss von Gesetzen brauchte Macron seitdem Stimmen aus der Opposition, die aber oft die Zusammenarbeit verweigerte und für Herbst ein Misstrauensvotum angekündigt hatte. Dem griff Macron nun mit den Neuwahlen vor.

    Welche Parteien und Bündnisse stehen zur Wahl?

    In Frankreich haben sich drei große Blöcke herausgebildet. Das Mitte-Lager um Macrons Partei Renaissance und ihre Verbündeten lag zuletzt bei 22 Prozent und könnte viele Sitze in der Nationalversammlung verlieren. Sozialisten, die Linkspartei LFI (La France Insoumise, „Das unbeugsame Frankreich“), Grüne, Kommunisten und linke Splittergruppen haben es geschafft, ihr Wahlbündnis von 2022 neu aufleben zu lassen. Durch radikale Positionen eines Teils der linken LFI-Vertreter und des Frontmanns Jean-Luc Mélenchon unter anderem zum Nahost-Konflikt war das Bündnis eigentlich seit Monaten ausgesetzt. Das Linksbündnis liegt in Umfragen mit 29 Prozent hinter dem rechten Block um den rechtsextremen RN mit 34 Prozent. Nachdem sich der Chef der Republikaner, Éric Ciotti, Le Pens Lager angeschlossen hat, droht den Konservativen die Spaltung. Aktuell liegt die republikanische Partei bei fünf Prozent.

    Welche Folgen hätte ein Sieg von Marine Le Pens Lager für Emmanuel Macron und die derzeitige Regierung?

    Sollte der Rassemblement National eine absolute Mehrheit von mindestens 289 Abgeordneten erzielen, kann er den Premierminister stellen, der dann die Regierung bildet. In diesem Fall soll der 28 Jahre junge Parteichef Jordan Bardella diese Rolle übernehmen, während Marine Le Pen bereits Fraktionschefin der bisher 88 RN-Abgeordneten ist. Es käme dann zu einer sogenannten „Kohabitation“ zwischen Präsident Macron und dem RN.

    Eine solche Zusammenarbeit zwischen einem Präsidenten und einer Regierung aus verschiedenen Lagern gab es in den letzten 40 Jahren dreimal, zuletzt 2002 unter dem konservativen Präsidenten Jacques Chirac und dem sozialistischen Regierungschef Lionel Jospin. Erzielt keine Partei die absolute Mehrheit, wird Macron versuchen, eine Mitte-Allianz mit gemäßigten Abgeordneten anderer Parteien zu bilden. Misslingt dies, droht eine Blockade, möglicherweise mit dem Einsatz einer „technischen“ Regierung. Die Nationalversammlung kann mindestens ein Jahr lang nicht erneut aufgelöst werden.

    Marine Le Pen zusammen mit Jordan Bardella bei einer Wahlkampfveranstaltung in Paris.
    Marine Le Pen zusammen mit Jordan Bardella bei einer Wahlkampfveranstaltung in Paris. Foto: Thomas Padilla, AP/dpa

    Müsste Macron bei einem Sieg des Le-Pen-Lagers zurücktreten?

    Der Präsident selbst hat einen Rücktritt ausgeschlossen und will bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im ersten Halbjahr 2027 regulär im Amt bleiben. Die Verfassung garantiert dem Staatschef viel Macht, er kann Dekrete unterschreiben oder nicht, hat die Hoheit über die Sicherheits- und die Außenpolitik und ist der oberste Chef der französischen Armee. Es erscheint schwer vorstellbar, wie sich Macron und ein RN-Premierminister Bardella auf eine gemeinsame Linie einigen sollen. Allerdings ist Bardella bei vielen Versprechen schon zurückgerudert. Beispielsweise sagte er, die Rücknahme der Rentenreform würde er nicht sofort angehen.

    Nach welchen Regeln wird gewählt?

    Es gilt das Mehrheitswahlrecht: In jedem einzelnen der 577 Wahlkreise entscheiden die Wahlberechtigten über ihren Abgeordneten. Abgestimmt wird an zwei Terminen: Kandidaten, die nicht auf Anhieb mindestens 50 Prozent der Stimmen erzielen, müssen sich einer Stichwahl in der zweiten Runde stellen. Sie brauchen dafür mindestens 12,5 Prozent. Für die Erhöhung ihrer Chancen schließen manche Parteien vorab Bündnisse, um die Wahlbezirke aufzuteilen und sich dort nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Manchmal finden solche Absprachen auch zwischen beiden Wahlgängen statt. Diese Art demokratische Brandmauer („cordon sanitaire“) ist nach dem Rechtsruck der Konservativen selten geworden.

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