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Cum-Ex-Skandal: Warum Ermittlerin Anne Brorhilker hinschmeißt

Finanzkriminalität

Warum Deutschlands oberste Cum-Ex-Jägerin Anne Brorhilker hinschmeißt

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    Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker verlässt die Justiz
    Deutschlands wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker verlässt die Justiz Foto: Oliver Berg, dpa

    Wie so viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hatte es Anne Brorhilker am Anfang ihrer Karriere mit Kleinkriminellen und Drogenhändlern zu tun. Nur durch Zufall geriet sie im Jahr 2012 an den größten Steuerskandal in der deutschen Geschichte. Ihre Ermittlungen haben die ersten Finanzjongleure im Cum-Ex-Skandal hinter Gitter und Olaf Scholz in Erklärungsnot gebracht. Doch nun wirft Deutschlands oberste Cum-Ex-Ermittlerin hin und verlässt die Justiz. 

    Brorhilker hat am Montag um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten. Die 50-jährige Oberstaatsanwältin leitete die deutschlandweit einzige Hauptabteilung für Cum-Ex-Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Köln. Gegen mehr als 1700 Beschuldigte wird ermittelt, die Steuerzahler haben die Cum-Ex-Geschäfte viele Milliarden gekostet. Berater, Banker und Aktienhändler hatten sich Steuern erstatten lassen, die nie jemand gezahlt hatte.

    Cum-Ex-Jägerin Anne Brorhilker: "Bin nicht zufrieden"

    Die Cum-Ex-Jägerin geht mit einem Rumms. Dem WDR sagte sie zu ihrer Entscheidung, sie sei immer mit Leib und Seele Staatsanwältin gewesen, gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität, "aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird". Die Politik habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe.

    Brorhilker wuchs in Nordrhein-Westfalen auf, studierte Rechtswissenschaften in Bochum und ging nach ihren Examen zur Staatsanwaltschaft. Die verheiratete Juristin gilt als scharfsinnig und extrem fleißig. Dass sie vor großen Namen und Gegenwind keine Angst hat, bewies Anne Brorhilker früh im Cum-Ex-Verfahren. Schon ein Jahr, nachdem sie die Ermittlungen aufgenommen hatte, veranlasste sie eine gewaltige Razzia in ganz Europa und auf den Cayman-Inseln. Die Jagd machte Eindruck: Insider aus der Cum-Ex-Szene packten aus. 2021 stufte der Bundesgerichtshof Cum-Ex als schwere Steuerhinterziehung ein.

    Brorhilkers Kündigung ist ein herber Schlag für die Cum-Ex-Ermittlungen

    In Ermittlerkreisen galt Brorhilker als Star. Kritiker sagen dagegen, sie gehe mit ihren Methoden zu weit und sei voreingenommen. Für den Steueranwalt und Cum-Ex-Architekten Hanno Berger, dem nach zehn Jahren im Schweizer Exil Prozesse in Deutschland gemacht wurden, war die umtriebige Ermittlerin regelrecht zu einem Feindbild geworden. Der Steueranwalt wurde vor dem Landgericht Bonn zu acht Jahren Gefängnis rechtskräftig verurteilt. Für die Cum-Ex-Ermittlungen ist Brorhilkers Kündigung ein herber Schlag.

    Brorhilker hat angekündigt, sich künftig als Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation „Bürgerbewegung Finanzwende“ für den Kampf gegen Finanzkriminalität einsetzen zu wollen. „Finanzwende“-Vorstand Gerhard Schick, ein ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter, bestätigte die Personalie. Es gehe ihr darum, das Übel an der Wurzel zu packen. "Täter mit viel Geld und guten Kontakten treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz und können sich aus diesen Verfahren schlicht herauskaufen", sagte Brorhilker.

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