Die Notenbanken in den USA und Europa bewegen sich auf einem schmalen Grat: Um die Inflation zu bremsen, müssen sie ihre Leitzinsen weiter erhöhen – gleichzeitig aber wächst die Sorge, das zu hohe Zinsen die Wirtschaft überfordern und neue Rezessionsgefahren bergen könnten. Sowohl die amerikanische Notenbank Fed als auch die europäische Zentralbank EZB haben deshalb ihr Tempo bei den Zinserhöhungen gedrosselt und ihre Sätze nicht, wie zuletzt, um 0,75 Prozentpunkte, sondern lediglich um 0,5 Punkte angehoben. Damit beträgt der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, jetzt 2,50 Prozent - der höchste Stand seit Dezember 2008.
Sparguthaben verlieren weiter an Wert
Sparer erhalten auf ihre Tages- und Festgeldkonten teilweise ebenfalls wieder Zinsen von mehr als zwei Prozent - tatsächlich jedoch wird ihr Geld durch die hohe Inflation noch immer schleichend entwertet. Wie sehr die Teuerung die Menschen trifft, zeigen auch neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Danach sind die Löhne in Deutschland im dritten Quartal des laufenden Jahres preisbereinigt um 5,7 Prozent gesunken. Ein Beschäftigter, der im Oktober 2500 Euro netto verdient hat, konnte sich also für 142,50 Euro weniger kaufen als noch ein Jahr zuvor.
Gespart wird deshalb nach einer Umfrage des Handelsverbandes Deutschland vor allem an der Mode und bei Restaurantbesuchen. „Allerdings steigen die Sparbemühungen verstärkt auch bei Ausgaben für Freizeit und Kulturveranstaltungen sowie bei Urlauben.“ Sonderangebote wiederum seien noch gefragter als ohnehin schon, betonte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Stefan Genth. „Es wird überlegter eingekauft, Spontan- und Impulskäufe verlieren an Bedeutung.“ Rund ein Drittel der Befragten hätten Sorge, mit dem eigenen Geld nicht mehr auszukommen. Das seien sechs Prozentpunkte mehr als bei der letzten Befragung im Mai.
Die USA sind der Euro-Zone weit voraus
In den USA liegen die Leitzinsen nach der jüngsten Erhöhung durch die Notenbank Fed bereits deutlich höher als in der Euro-Zone – nämlich zwischen 4,25 und 4,5 Prozent. Hier deutet Fed-Chef Jerome Powell für das Jahr 2024 schon wieder die erste Zinssenkung an. Bis dahin sollen die Sätze nach einer Prognose der Notenbank allerdings noch in mehreren Schritten auf auf knapp über fünf Prozent steigen. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo die Inflationsrate auf 7,1 Prozent gefallen ist, steigen die Verbraucherpreise in der Euro-Zone im Vergleich zum Vorjahr noch immer zweistellig. Im November betrug die Teuerungsrate exakt zehn Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde stimmt Märkte und Verbraucher deshalb bereits auf weitere Zinsschritte ein. Auf Basis der aktuellen Daten sei mit weiteren Erhöhungen um jeweils 50 Punkte zu rechnen, sagte sie. Die deutsche Börse quittierte das am Donnerstag mit Kursverlusten von teilweise mehr als drei Prozent.
Der Präsident des Münchner Info-Institutes, Clemens Fuest, begrüßte die Entscheidung. „Es ist richtig, dass die EZB die Zinsen weiter erhöht hat und dass weitere Erhöhungen angekündigt wurden“, betonte er gegenüber unserer Redaktion. „Auch angesichts der Erwartung, dass die Kerninflation, also die Inflation ohne Energie- und Lebensmittelpreise, nächstes Jahr weiter steigen soll, ist eine weitere Straffung der Geldpolitik unvermeidlich.“ Mit dem ebenfalls angekündigten Abbau des großen Bestands an Staatsanleihen könnte die EZB seiner Ansicht nach aber früher beginnen als erst im März 2023. (mit sts und dpa)