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Europäische Union : EU sieht sich „besser gerüstet“ gegen Rechtsstaatssünder

Europäische Union

EU sieht sich „besser gerüstet“ gegen Rechtsstaatssünder

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    Der europäische Präsident Viktor Orban gilt nicht nur als Querkopf in der europäischen Politik, auch sein Rechtsstaatsverständnis wird in Brüssel äußerst kritisch gesehen.
    Der europäische Präsident Viktor Orban gilt nicht nur als Querkopf in der europäischen Politik, auch sein Rechtsstaatsverständnis wird in Brüssel äußerst kritisch gesehen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Im Fokus des Rechtsstaats-TÜVs standen Europas Sorgenkinder wie Ungarn oder die Slowakei. Doch auch in Deutschland sieht die EU-Kommission in Sachen Rechtsstaatlichkeit Luft nach oben, etwa wenn es um die Lobbyregeln geht. Es gebe nach wie vor „Defizite bei der Durchsetzung der Vorschriften über Interessenkonflikte für Parlamentarier und Regierungsbeamte“, heißt es im aktuellen Bericht der Behörde, den diese am Mittwoch in Brüssel vorstellte. Seit 2020 untersucht die Kommission in den 27 EU-Ländern sowie bei potenziellen Neumitgliedern unter anderem den Zustand des Justizsystems, den Kampf gegen Korruption sowie die Medienfreiheit – und gibt dann Empfehlungen aus.

    Eine an Berlin gerichtete Empfehlung lautet, den Zeitraum zu verlängern, in dem Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht in die Lobbyabteilungen von Unternehmen oder Verbänden wechseln dürfen. Zudem wurde angemahnt, mit einem Plan für ein Informationsrecht der Presse gegenüber Bundesbehörden voranzukommen. Auch die Höhe der Richterbezüge – sie wird als zu niedrig bewertet – stelle weiterhin „eine Herausforderung dar“. Doch bei aller Kritik: Die Bundesbürger sind laut Report gut vor willkürlicher Machtausübung der Regierung geschützt.

    Die EU-Kommission geht „neue Herausforderungen“ optimistisch an

    Überhaupt klang der Ton der Kommission vergleichsweise optimistisch – trotz Problemen bei der Medienfreiheit in Italien, trotz der staatlichen Maßnahmen gegen Bürgerrechtsgruppen in der Slowakei oder Rechtsverletzungen in Ungarn. Man sei heute, fünf Jahre nach dem ersten Report, „besser gerüstet, um neue Herausforderungen für die Rechtsstaatlichkeit zu erkennen, zu verhindern und zu bewältigen“, sagte Justizkommissar Didier Reynders.

    Gleichwohl nehmen in einigen Mitgliedstaaten die Defizite zu statt ab. Insbesondere in Ungarn, das aktuell den rotierenden EU-Ratsvorsitz innehat, scheint sich die Situation nicht verbessert zu haben. Man habe der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban eine „Rekordzahl“ von acht Empfehlungen geschickt, hieß es, nachdem die Behörde Verstöße bei allen vier Säulen der Rechtsstaatlichkeit identifizierte: im Justizsystem, bei den Maßnahmen gegen Korruption, bei der Pressefreiheit sowie der Gewaltenteilung. Der Zustand sei „erschreckend“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund. „Trotz Finanzsanktionen in zweistelliger Milliardenhöhe“ habe es keine positiven Reformfortschritte gegeben. Im Gegenteil: „Es herrscht Stillstand.“ Deshalb forderte Freund, den Ansatz gegenüber Budapest zu überdenken. „Wenn Reformvorgaben aus Brüssel systematisch ignoriert werden, muss die EU-Kommission noch mehr EU-Gelder auf Eis legen.“ Aktuell wartet Orban auf gut 20 Milliarden Euro an zurückgehaltenen EU-Hilfen.

    Die Slowakei steht wegen des Umbaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der kritik

    Wie auch die Kommission sieht die christdemokratische EU-Parlamentarierin Lena Düpont zudem „dringenden Handlungsbedarf“ in der Slowakei. Wegen des Umbaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befürchten Journalistenverbände staatliche Einflussnahme. Hinzu kommt ein umstrittenes „Auslandsagenten-Gesetz“, das finanziell aus dem Ausland unterstützten Nichtregierungsorganisationen zur Registrierung in einem entsprechenden Verzeichnis zwingen soll. „Die Geschwindigkeit, mit der die Regierungspartei das politische System umgestaltet, ist beispiellos“, sagte Düpont.

    Der Bericht war eigentlich bereits Anfang Juli erwartet worden, wurde aber immer wieder verschoben – oder in die Sommerpause verschleppt, wie Kritiker meinen? Es sei „bezeichnend“, monierte der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner, „dass Ursula von der Leyen die Präsentation des Rechtsstaatsberichts auf die Zeit nach ihrer Wahl verschoben hat, um ihre Wiederwahl nicht durch Kritik an den Mitgliedstaaten zu gefährden“. Die Deutsche wurde vergangene Woche von einer Mehrheit des EU-Parlaments als Kommissionspräsidentin bestätigt und liebäugelte offenbar mit der Unterstützung aus Giorgia Melonis rechtspopulistischen Lager.

    Hätte eine allzu negative Bewertung Italiens etwas geändert? Im Bericht wird Rom unter anderem ermahnt, bei der geplanten Justizreform darauf zu achten, dass die Unabhängigkeit des Gerichtswesens nicht eingeschränkt wird. Für Körner ist jedoch klar: Solange von der Leyen Kritik an Rechtsstaatsvergehen „als politische Waffe“ einsetze, „um Abstimmungsergebnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen, wird sich die Achtung der europäischen Werte in der EU nicht verbessern“.

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    1 Kommentar
    Jochen Hoeflein

    Es stellt sich doch die grundsätzliche Frage der Berechtigung des Brüssler Verwaltungsmolochs die Mitgliedsländer nach den EU Rechtstaatlichkeitskriterien bewertend zu beurteilen. Praktisch wird dieser EU Katalog eher dahingehend eingetzt je nach politischer Zweckmäßigkeit Unbotmäßigkeiten in den Mitgliedsländern als politische Waffe einzusetzen - Bestes Beispiel das Gehabe von Frau v.d . L.- eigene Fehler beschönigen oder verdecken und andere anprangern. Oder das derzeitige undurchschaubare Postengeschachere um die Top Positionen in Brüssel wie auf dem Basar.

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