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Europa: Wie es beim EU-Gipfel zum Durchbruch für die Ukraine kam

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Wie es beim EU-Gipfel zum Durchbruch für die Ukraine kam

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    Volodymyr Selenskyj (links) und Viktor Orbán (rechts) bei der Amtseinführung des neuen argentinischen Präsidenten.
    Volodymyr Selenskyj (links) und Viktor Orbán (rechts) bei der Amtseinführung des neuen argentinischen Präsidenten. Foto: Fernando Gens, dpa (Archivbild)

    Olaf Scholz hatte sein Sakko schon aus- und stattdessen den bequemen Pullover übergezogen. Es war das klarste Zeichen, dass sich der Bundeskanzler auf eine lange Nacht einstellte bei diesem EU-Gipfel in Brüssel. Immerhin sollte es ab dem späten Nachmittag um die EU-Erweiterung gehen. Und da drohte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, die beiden wichtigsten Beschlüsse zu sabotieren: die Aufnahme förmlicher Beitrittsgespräche mit der Ukraine sowie die Freigabe von 50 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten, um das von Russland überfallene Land in den nächsten vier Jahren vor dem Kollaps zu bewahren.

    Doch der Kleiderwechsel von Scholz war am Ende übereilt: Am frühen Abend gab EU-Ratspräsident Charles Michel bekannt, EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und mit Moldau zu beginnen – „ein historischer Moment“, lobte Michel. Dieser zeige „die Glaubwürdigkeit der westlichen Union, die Stärke der westlichen Union“. Seine Auslegung klang dann doch etwas kreativ. Denn Orbán hatte vor dem Votum den Saal verlassen, um einen einstimmigen Beschluss zu ermöglichen.

    So kam es zur Abstimmung für EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine

    Ungarn will nicht Teil dieser schlechten Entscheidung sein“, erklärte der Regierungschef im Anschluss. Was aber wurde ihm im Gegenzug für die Aufgabe seines Vetos versprochen? Angeblich habe Orbán „nichts“ dafür erhalten, sagte der slowenische Premierminister Robert Golob. Derweil hatte sich sein indirektes und überraschend schnelles Einlenken am Morgen zumindest angedeutet.

    Als der Ungar um 9.41 Uhr über den roten Teppich des Brüsseler Europagebäudes vorbei an den Flaggen der 27 Mitgliedstaaten in Richtung der Fernsehkameras schritt, wirkte er angespannt oder genervt – ganz genau ließ es sich nicht sagen. Spürte der Ministerpräsident nun doch den Druck? Oder hatte er schlicht keine Lust auf das Treffen mit seinen 26 Partnern? Es lag an dem Rechtspopulisten, ob dieser letzte EU-Gipfel des Jahres in einem Debakel enden oder es doch noch zu einem Durchbruch kommen würde.

    Wie als Motivator, der die Bühne bereiten und die Bedeutung der Zusammenkunft herausstreichen sollte, wurde Wolodymyr Selenskyj vor den Verhandlungen per Video in den Saal geschaltet. „Dieser Tag wird in unsere Geschichte eingehen“, sagte der ukrainische Präsident – ob er nun gut oder schlecht für die Ukrainer sei. Ungewöhnlich war, dass sein Auftritt kurz danach veröffentlicht wurde. Immerhin das Drehbuch, choreografiert von Michel, sollte maximale Unterstützung für die Ukrainer ausdrücken.

    Volodymyr Selenskyj wendet sich an EU-Regierungschefs

    Selenskyj hatte seit Monaten auf die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen gepocht, der Schritt soll Kiew einen politischen Punktsieg über Moskau bescheren. Er wandte sich deshalb mit einer eindringlichen Bitte an die Staats- und Regierungschefs: „Verraten Sie die Menschen und ihr Vertrauen in Europa nicht.“ Wenn niemand mehr an Europa glaube, „wie soll die Europäische Union dann am Leben erhalten werden?“ Weniger emotional hatte sich zuvor Scholz geäußert. Der SPD-Mann bezeichnete es am Donnerstagmorgen als „wichtig, dass wir jetzt die Weichen stellen, die den Beitrittsprozess voranbringen hier in Europa und dass das auch eine Entscheidung ist, die von allen Mitgliedsländern getragen wird“. Es war ein Wink in Richtung Budapest. Seit Wochen hatte Orbán mit einem öffentlichkeitswirksamen Eiertanz gegen die Unterstützung der Ukraine gepoltert. 

    Auch wenn die Europäer wissen, dass „noch viele Jahre bis zum Beitritt vergehen“ werden, wie es der niederländische Regierungschef Mark Rutte nannte, wird die Entscheidung als eine symbolische, aber politisch wichtige Geste des Beistands betrachtet. Neben einem Signal der Solidarität, das die Moral der angegriffenen Ukrainer stärken sollte, sei es insbesondere ein Zeichen an Wladimir Putin, meinte Bundeskanzler Olaf Scholz, „der wissen muss, dass er nicht darauf setzen kann, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten in der Unterstützung der Ukraine nachlassen“.

    Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte sich schon vor der Entscheidung zuversichtlichgezeigt. „Bislang haben wir es immer geschafft, einstimmige Entscheidungen zu treffen, inklusive mit Viktor Orbán.“ Tatsächlich gaben dessen Statements nach seiner Ankunft in Brüssel Anlass zur Hoffnung. Vordergründig mochte der Autokrat seinen Widerstand gegen den Start der Beitrittsgespräche bekräftigt haben, indem er darauf verwies, dass drei der sieben Vorbedingungen von der Ukraine nicht erfüllt seien. Aber ganz so unnachgiebig und scharf klangen Orbáns Worte nicht mehr. Zumindest schien der Ungar bereits da seine Linie aufzuweichen, indem er auf den rechtlichen Prozess verwies. Es gab also Raum für Kompromisse.

    EU gibt Gelder für Ungarn frei

    Noch bevor die Staats- und Regierungschefs offiziell ihre Verhandlungen starteten, trafen sich Scholz, Michel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Orbán zum Frühstück. Es handelte sich in gewisser Weise um einen Last-Minute-Rettungsversuch, um eine Lösung zu suchen und den Gipfel zu retten. Am Abend zuvor hatte die Brüsseler Behörde außerdem eingefrorene Gelder in Höhe von zehn Milliarden Euro freigegeben, was der Kommission die Kritik einbrachte, die Zustimmung des Ungarn erkaufen zu wollen.

    Orbán wies entsprechende Vorwürfe ebenfalls zurück, nach denen er mit seiner Blockade die zurückgehaltenen Gelder für sein Land freipressen wolle. „Wir sind nicht hier, um Geschäfte zu machen“, so der Regierungschef. „Es geht hier nicht um einen Handel, es geht nicht um einen Deal.“ Ungarn stehe für Prinzipien. Tatsächlich sind es genau diese Poker-Spielchen, die regelmäßig für Ärger im Kreis der Gemeinschaft sorgen. „Wir befinden uns nicht auf einem ungarischen Basar, auf dem wir eine Sache gegen eine andere austauschen können“, kritisierte etwa der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo. Trotz der aktuellen Überweisung nach Budapest bleiben noch rund 21 Milliarden Euro an EU-Geldern für Budapest wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken und Korruptionsproblemen auf Eis gelegt.

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