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Orbán im EU-Parlament: Scharfe Kritik von von der Leyen

Europaparlament

Wie sich von der Leyen Orban vorknöpft

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    Mit einer harten Replik auf die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán erntete die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tosenden Beifall in Straßburg.
    Mit einer harten Replik auf die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán erntete die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tosenden Beifall in Straßburg. Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

    Als Ungarn das letzte Mal die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, da stand ein Mann am Pult des Europäischen Parlaments und versicherte der Runde, „dass wir in die Fußstapfen der Revolutionäre von 1956 treten und die Absicht haben, der europäischen Einheit zu dienen“. Die Worte stammen aus dem Jahr 2011, der Politiker hieß Viktor Orbán - und sie klingen wie aus einer anderen Welt. Das zeigte dieser Mittwochmorgen im Straßburger EU-Parlament, als der ungarische Ministerpräsident abermals die Prioritäten seines Landes vorstellte, aber mit deutlich schärferem Ton.

    Ungarn hält in diesem Halbjahr turnusgemäß den Vorsitz im Rat der EU, also dem Gremium der 27 Mitgliedstaaten, da gehört dieser offizielle Termin dazu. Er sorgt seit Wochen für Aufregung und Ärger. Viele befürchteten, dass der Rechtspopulist die große Bühne im Herzen der europäischen Demokratie für die Inszenierung einer seiner Anti-EU-Shows ausnutzen könnte. Es sollte anders kommen und das lag vorneweg an Ursula von der Leyen. Ausgerechnet die EU-Kommissionspräsidentin, der vom Parlament oft vorgeworfen wurde, sie sei bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit zu weich im Umgang mit Ungarn, attackierte Orbán verbal so scharf, dass selbst der Angegriffene überrascht wirkte. „Diese Diskussion ist leider eskaliert“, lautete das Fazit des Nationalisten nach dem hitzigen Schlagabtauschs.

    Ausgerechnet Orbán warnte vor „wachsender Homophobie“

    Der Regierungschef forderte in seiner Ansprache einen „Wandel“ in Europa. „Unsere Union muss sich verändern, und die Präsidentschaft will der Katalysator dafür sein.“  Es handele sich um die „schwerste Zeit“ in der Geschichte der EU, mit dem Krieg in der Ukraine vor der Haustür, dem eskalierenden Konflikt im Nahen Osten, den Krisen in Afrika und einer „Migrationskrise“, die seiner Meinung nach das System der offenen Grenzen von Schengen „zum Einsturz bringen“ könnte. „Illegale Migration führt zu Antisemitismus, Gewalt gegen Frauen und wachsender Homophobie“, sagte Orbán vor halbleeren Rängen und erntete dafür Buhrufe von der pro-europäischen Seite, Applaus erhielt er aus dem Rechtsaußen-Lager, etwa aus seiner Fraktion „Patrioten für Europa“. Die Diskriminierung von Homosexuellen als Argument anzuführen, war schon deshalb bemerkenswert, weil sich der Ungar in der Heimat gegen LGBTQ-Rechte ausspricht. 

    Nachdem der ungarische Machthaber mit dem Präsidentschaftsmotto „Make Europe Great Again“ schloss, stimmten einige Parlamentarier aus dem linken Lager „Bella Ciao“ an, die Hymne der italienischen Widerstandskämpfer gegen den Faschismus. Viel schärfer waren die inhaltlichen Anschuldigungen gegen Orbán, der als Wladimir-Putin-Freund gilt und regelmäßig Ukraine-Hilfen oder Sanktionen gegen Moskau als Antwort auf den Angriffskrieg Russlands blockiert hatte. Darauf bezog sich auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Es gebe immer noch einige, die die Ursache für diesen Krieg „nicht in Putins Machtgier, sondern in der Sehnsucht der Ukraine nach Freiheit“ sähen. „Diese Menschen“, sagte von der Leyen und blickte Orbán direkt und unverblümt an, „würde ich gern fragen: Würden sie jemals den Ungarinnen und Ungarn die sowjetische Invasion von 1956 vorwerfen?“ Es brandete tosender Applaus unter den Volksvertretern der politischen Mitte auf. Von der Leyen habe den Ungarn „auf Taschenformat zusammengefaltet“, befand der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund im Anschluss. 

    Der ungarische Ministerpräsident traf auf viel Ablehnung im EU-Parlament

    Sie sind hier nicht willkommen“, fasste die Co-Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Terry Reintke, die Stimmungslage zusammen. Die Mehrheit der Abgeordneten sehe in Orbán „nur noch einen korrupten Möchtegern-Autokraten, der sein Land in eine Bananenrepublik verwandelt hat und als nützlicher Idiot Chinas und Russlands gegen die Interessen der EU agiert“, sagte der FDP-Europaparlamentarier Moritz Körner. 

    Politiker aus verschiedenen Parteifamilien schlossen sich für Fotoaktionen vor dem Plenarsaal zusammen. „Demokraten gegen Autokraten“, lautete der Schlachtruf auf Postern und T-Shirts. „Kein Geld für Korruption“, prangte auf einem Transparent in Anspielung auf die 17,4 Milliarden Euro an Fördergeldern für Ungarn, die derzeit wegen Korruption und Rechtsstaatsverstößen von Brüssel eingefroren sind. Darauf bezog sich auch der Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan. Das Land sei unter Orbáns Regierung zum korruptesten in der Gemeinschaft geworden. Eine Fotoausstellung auf dem Flur des Straßburger Parlaments, mitinitiiert vom Grünen-Politiker Freund, fragte derweil im Titel: „Wo ist unser Geld, Herr Orbán?“

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    4 Kommentare
    Franz Xanter

    Das alte Problem! Eine EU, welche mehr mit sich selbst beschäftigt ist als konstruktive und effektive Lösungen auf den Weg zu bringen. Ein Europäisches Parlament, welches mehr debattiert als Vorschläge bzw. Lösungen umzusetzen. Natürlich ist vieles von Orbans Argumentation Blödsinn, aber es gibt leider auch viele Punkte, welche definitiv zutreffend sind. Nur scheinbar scheinen die Damen und Herren Parlamentarier mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, mehr ihre Pfründe zu sichern, als den EU-Bürgern Lösungen anzubieten, geschweige denn umzusetzen. Es wird debattiert, geschrien, beschuldigt und Verantwortung von sich gewiesen, nur die EU in eine effektive und entscheidungsfreudige Institution umzuwandeln, dies wird nicht angegangen!

    Klaus Heiß

    Herr Xantner, ich denke, da liegen Sie sehr richtig. Auch wie Frau vdL sich wieder an die Spitze gemogelt hat, ist nicht zu vergessen. Leider wird die EU - von den Gründern als großartiges Wirtschafts- und Friedensprojekt ins Leben gerufen - immer unglaubwürdiger und undurchsichtiger.

    Peter Zimmermann

    So langsam darf sich Deutschland Nörgel-Weltmeister nennen, wenn man sich so einige Kommentare ansieht.

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    Wolfgang Leonhard

    Das Gejammer bedeutet im besten Fall, dass diese Leute gar nicht wissen, was die EU alles für die Bürger leistet. Und im schlechteren Fall handelt es sich um Anhänger des Autokraten Putin, die das vereinigte Europa mit ihren Hetzreden zerstören wollen. Nichts anderes hat bekanntlich Orban im Sinn.

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