Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

EU-Kommission: Warum die EU an Ungarn trotz Kritik weiter Milliarden überweisen wird

EU-Kommission

Warum die EU an Ungarn trotz Kritik weiter Milliarden überweisen wird

    • |
    Der Streit zwischen Ungarn und der EU-Kommission steuert auf Milliardenstrafen für Budapest zu.
    Der Streit zwischen Ungarn und der EU-Kommission steuert auf Milliardenstrafen für Budapest zu. Foto: Aleksander Kalka, dpa (Symbol)

    Die Europäische Kommission will Ungarn wegen Korruption und Verstößen gegen Prinzipien des Rechtsstaats 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget verweigern. EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn schlug die Kürzung der Fördermittel vor. Dies sei „ein klarer Beleg für die Entschlossenheit der Kommission, den EU-Haushalt zu schützen und für dieses wichtige Ziel alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen“, sagte der Österreicher. Das Geld sei in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt, betonte er.

    Wieviel EU-Gelder bekommt Ungarn?

    Die vorgeschlagenen 7,5 Milliarden Euro entsprechen allerdings lediglich rund einem Drittel der Mittel aus mehreren Programmen der Strukturfonds, die Ungarn aus dem aktuellen, noch bis 2027 laufenden Sieben-Jahres-Haushalt der EU zustehen. Es handelt sich um Töpfe zur Förderung benachteiligter Regionen. Darüber hinaus nämlich erhält das osteuropäische Land weitere Gelder aus Brüssel. Insgesamt stehen Ungarn mehr als 34 Milliarden Euro zu. Die Streichung würde damit knapp ein Viertel der Summe betreffen.

    Bereits im April hatte die Kommission das langwierige Verfahren gegen den Dauersünder Ungarn nach dem sogenannten Rechtsstaatsmechanismus eingeleitet und ging erstmals in der Geschichte der Gemeinschaft diesen Schritt aufgrund von Mängeln in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Sie kritisierte etwa Missstände bei öffentlichen Ausschreibungen und klagte über Defizite beim Kampf gegen Korruption. Um die Streichung der Mittel zu verhindern, kündigte Budapest jüngst diverse Reformen an. Entsprechende Gesetzentwürfe sollen dem ungarischen Parlament diese Woche präsentiert werden.

    Wie funktioniert der EU-Rechtsstaatsmechanismus?

    Unter anderem sei die Einrichtung einer unabhängigen Stelle zur Korruptionsbekämpfung geplant, die auch die Verwendung von EU-Geldern überwacht, hieß es aus Budapest. Zudem gibt es Pläne, den Gesetzgebungsprozess transparenter zu gestalten. „Der finanzielle Druck zeigt Wirkung“, sagte EU–Kommissar Hahn. Man befinde sich noch auf der Ebene der Versprechungen und Ankündigungen, aber „wir sollten fair und optimistisch“ sein. „Wir wollen mit unseren Aktivitäten die Dinge zum Besseren wenden“, so Hahn. Es gehe um „den Wiederaufbau von Vertrauen“.

    Das seit Anfang 2021 im EU-Haushalt verankerte Instrument erlaubt es der Kommission, einem Land Fördermittel zu kürzen oder zu streichen, wenn die Gefahr besteht, die Gelder könnten missbräuchlich verwendet werden.

    Druck kommt seit Jahren vonseiten des EU-Parlaments. Erst am Donnerstag hatte es Ungarn den Status einer Demokratie abgesprochen. Das Land sei „zu einem hybriden System einer Wahlautokratie geworden“, lautete das Fazit.

    Kritiker halten EU-Sanktionen gegenüber Ungarn für viel zu schwach

    Die Reaktionen auf die gestrige Ankündigung waren denn auch gemischt: „Mit dem Einfrieren der EU-Mittel wird endlich sichergestellt, dass das Geld der europäischen Steuerzahler nicht länger im Dunstkreis der Orban-Mafia versickert“, sagte der Europaabgeordnete Moritz Körner (FDP). Die Leidtragenden seien die Bürger Ungarns, „die nun die Zeche für die Orbansche Kleptokratie zahlen müssen“. Dem grünen EU-Parlamentarier Daniel Freund gehen die Sanktionen nicht weit genug. „Was die EU-Kommission hier als Erfolg verkauft, ist bei näherer Betrachtung weniger beeindruckend.“ Er bezeichnete es als „fatal“, dass Orban „mit ein paar Scheinreformen diese Sanktionen vor Jahresende noch abwenden kann“. Die Bedingungen, die die Kommission aufgestellt habe, seien „viel zu schwach“.

    Die Europaabgeordnete Katarina Barley (SPD) begrüßte den Kommissionsvorschlag, aber forderte nun konsequentes Handeln: „Zu oft hat die Kommission jedes noch so kleine Reförmchen als Feigenblatt genommen, um das eigene Einknicken vor dem Regime Orban zu kaschieren“, sagte sie.

    Der Ministerrat, also das Gremium der EU-Regierungen, hat nun vier Wochen Zeit, den Fall zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen. Ungarn ist bei dem Votum als betroffener Staat nicht abstimmungsberechtigt. Damit Ungarn tatsächlich Gelder aus dem EU-Haushalt gekürzt werden, braucht es eine qualifizierte Mehrheit. Das heißt, mindestens 15 Länder müssen zustimmen, die außerdem mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen. Theoretisch kann der Beschluss bis auf drei Monate verschoben werden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden