Bei den Grünen ist die durch das schlechte Abschneiden der Partei bei den zurückliegenden Landtagswahlen ausgelöste Krise noch nicht überstanden. Mehrere junge Parteimitglieder machten am Freitag ihren Austritt aus der Partei öffentlich, darunter die Hamburger Grünen-Abgeordnete Ivy May Müller.
Sie wolle auch die Fraktion der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft verlassen und sich als Parteilose der Linksfraktion anschließen, teilte Müller mit. Sie folge damit dem am Vortag bekanntgegebenen Austritt des Bundesvorstands der Grünen Jugend. In einer Erklärung schrieb Müller: «Ich werde nicht länger für eine Politik der Grünen geradestehen, die Abstiegsängste nicht ernst nimmt und die großen sozialen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nicht angeht.»
Auch Landesvorstand der Grünen Jugend in Bayern geht
Auch der gesamte Landesvorstand der Grünen Jugend in Bayern will die Partei verlassen. «Grund dafür ist der Entfremdungsprozess von der Grünen Partei über die letzten Monate und Jahre. Viele Entscheidungen, die Grüne in der Regierungsbeteiligung getroffen haben, sowie den aktuellen programmatischen, inhaltlichen und strategischen Kurs, können und wollen wir nicht länger mittragen», teilte die achtköpfige Spitze der Grünen Jugend Bayern mit.
Sie nannten das Bundeswehr-Sondervermögen, die Räumung des Braunkohleorts Lützerath, das Bürgergeld sowie die Reform des europäischen Asylsystems und beklagten eine nicht ausreichende Strategie gegen rechts. Zu viele Konflikte habe man mit der Partei geführt «und dabei immer wieder festgestellt, dass die Grünen nicht das linke Projekt sind, das wir uns wünschen», hieß es.
«Die Grüne Jugend ist und bleibt aber unser kritischer und meinungsstarker Jugendverband», sagte die bayerische Landesvorsitzende der Grünen, Eva Lettenbauer, auf Anfrage. Die Vorstandmitglieder werden laut Lettenbauer die Geschäfte bis zur ohnehin geplanten Neuwahl des Vorstands Ende November organisatorisch weiterführen. «Es stehen schon viele junge Menschen bereit, die Lust haben, weiter in der Grünen Jugend aktiv zu sein.» Die «Augsburger Allgemeine» hatte auch darüber berichtet.
Parteiaustritt in Niedersachsen, Rücktritt in Rheinland-Pfalz
Auch die Doppelspitze der Grünen Jugend in Niedersachsen zieht sich aus der Partei zurück. Das begründeten Rukia Soubbotina und David Christner mit «unüberwindbaren Widersprüchen» mit der Partei.
«Wir haben in den letzten Jahren wiederholt sehen müssen, wie die Grünen immer weiter davon abrücken, die soziale Frage in den Mittelpunkt zu stellen», sagte Soubbotina. Als Beispiele nannte sie das Mittragen von Bürgergeldsanktionen, Verschärfungen des Asylrechts und das Ausbleiben von «Antworten auf die Wohnungskrise».
In Rheinland-Pfalz ist die Doppelspitze der Grünen Jugend der Partei zufolge zurückgetreten. Dies «hat nach eigenen Angaben nichts mit den Ereignissen im Bund zu tun», teilten die Grünen-Landesvorsitzenden Natalie Cramme-Hill und Paul Bunjes «nach Gesprächen mit der Grünen Jugend» auf Anfrage mit. Die zeitliche Nähe dieser Vorgänge vermittle trotzdem ein anderes Bild, räumten sie ein. Die Doppelspitze der Grünen Jugend selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Protest gegen Rückzug der Grünen-Spitze
Am späten Mittwochabend war bekanntgeworden, dass der Bundesvorstand der Grünen Jugend aus Protest gegen den Kurs der Grünen geschlossen aus der Partei austreten und einen neuen linken Jugendverband gründen will.
Kurz zuvor hatte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für Mitte November angekündigt. Die Parteispitze zieht damit die Konsequenz aus den Misserfolgen der Grünen bei den jüngsten Wahlen.
Er könne den Frust vieler junger Parteimitglieder verstehen, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke der Deutschen Presse-Agentur. «Ich finde den Schritt des Vorstands der Grünen Jugend aber falsch», fügte er hinzu. Denn eine starke Grüne Jugend werde weiter dringend gebraucht.
Der Rücktritt des Bundesvorstands sei eine Chance für einen Neuanfang bei der Grünen Jugend. Aus den Rücktritten und dem Frust ergebe sich ein Auftrag, betonte Pahlke. Die Partei müsse deutlich stärker für den Schutz von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationsgeschichte kämpfen. Er forderte: «Das muss jetzt ein Wendepunkt für unsere Partei sein.»
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