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Deutschlands Digitalisierung im Rückstand: Braucht es ein eigenes Ministerium?

Digitalisierung

Die deutsche Politik hinkt ihren Zielen bei der Digitalisierung weit hinterher

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    Mangelnde Digitalisierung wird für Deutschland zunehmend zum Standortproblem.
    Mangelnde Digitalisierung wird für Deutschland zunehmend zum Standortproblem. Foto: Peter Steffen, dpa

    Die großen Digitalriesen, sei es bei Software, Sozialen Medien, Künstlicher Intelligenz oder Elektroautos, bestimmen das Geschäft aus den USA und immer mehr aus China. Und was die Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung angeht, sind nicht nur die baltischen EU-Länder Maßstab, sondern auch Ost- und Nordeuropa der Bundesrepublik immer weiter voraus. Die deutsche Politik hinkt ihren Zielen bei der Digitalisierung weit hinterher.

    Nur ein Drittel der vor Jahren geplanten Behördenangebote sind digital

    So sollten eigentlich mit dem 2017 von der Großen Koalition beschlossenen sogenannten „Onlinezugangsgesetz“ alle geeigneten 579 Behördenleistungen von Bund und Ländern digital zugänglich sein. Doch das Verbraucherportal Verivox rechnete jetzt vor, dass erst 101 Angebote komplett digital verfügbar sind, einige teilweise und 373 nur analog: Das heißt über Papierkram in zwei Drittel aller Fälle.

    Und der IT-Branchenverband Bitkom rechnete vor, dass die Ampelkoalition nur 28 Prozent ihrer digitalpolitischen Ziele erreicht hat. Auch im Digital- und Verkehrsministerium vom aus der FDP ausgetretenen Hausherrn Volker Wissing herrscht Unzufriedenheit. „Ich bin überzeugt davon, dass wir ein absolut eigenständiges Ministerium für Digitales und Innovation brauchen“, sagte jüngst der fürs Digitale zuständige Staatssekretär Stefan Schnorr.

    SPD lehnt eigenes Digitalministerium ab

    Doch die lauter werdenden Forderungen aus Wirtschaft und Union, nach der Bundestagswahl ein eigenständiges Ministerium zum Vorantreiben der Digitalisierung Deutschlands zu schaffen, stoßen auf Ablehnung bei der SPD. „Ein eigenständiges Digitalministerium, das alle Aufgaben an sich zieht, wäre vor 30 Jahren sinnvoll gewesen, aber heute haben alle Ressorts digitale Abteilungen“, sagt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken unserer Redaktion. „Die Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Ministerien betrifft“, betont sie. „Was wir brauchen, ist eine starke Koordination und Bündelung, um schneller voranzukommen“, forderte sie eine wieder zentrale Rolle etwa des Bundeskanzleramts. „Das gilt vor allem für die Themen einer modernen, digitalen und effizienten Verwaltung“, betonte die SPD-Digitalpolitikerin. „Hier sehe ich noch großen Handlungsbedarf.“

    Branchenverband Bitkom: So kann es nicht weitergehen

    Dagegen sieht der Branchenverband Bitkom, die bisherigen Modelle der Bundesregierungen unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihrem SPD-Nachfolger Olaf Scholz ohne eigenes Ministerium als gescheitert an. „So kann es bei diesem entscheidenden Thema nicht weitergehen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. „Wir brauchen ein echtes Digitalministerium, das digitalpolitische Zuständigkeiten bündelt und die Digitalpolitik effektiv vorantreibt“, fordert er. „Dieses Ministerium sollte sich auf die zentralen Aufgaben und die Querschnittsthemen der Digitalpolitik konzentrieren und darf kein Anhängsel eines anderen Ressorts sein“, betont Rohleder.

    „Digitalpolitik muss in der kommenden Legislaturperiode zu einem Schwerpunkt werden“, fordert der Bitkom-Manager. „Das ist nötig, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, die Sicherheit auch im Cyberraum zu verbessern, den Staat zu modernisieren und Deutschland zu einem wettbewerbsfähigen und digital souveränen Land zu machen“, betonte er. „Echter Fortschritt wird nur erreicht, wenn es innerhalb der Bundesregierung einen Antreiber für die Digitalthemen gibt.“ Das Ministerium dürfe jedoch nicht zu mehr Bürokratie führen, auch Personal sei angesichts der sehr breit verteilten digitalpolitischen Kompetenzen innerhalb der Regierungsbehörden bereits vorhanden.

    Wichtig sei, das Thema Digitalisierung mit dem Ministerium auch international zu vertreten. Vorrangig müsse es um die Verwaltungsdigitalisierung mit einer schlagkräftigen IT gehen und die digitale Infrastruktur, vor allem bei Breitband und Mobilfunk zu verbessern. Zudem gebe es große politische Herausforderungen, wie Regulierung der Künstlichen Intelligenz und der Plattformen der Sozialen Medien, sowie Datenschutz und Cybersicherheit.

    Union nimmt Digitalministerium in Zehn-Punkte-Programm auf

    Die Union hat die Schaffung eines eigenständigen Digitalministeriums in ihr gemeinsames Zehn-Punkte-Kurzprogramm aufgenommen. „Viele digitalpolitische Projekte der Vergangenheit sind nicht an der technischen Umsetzbarkeit gescheitert, sondern an mangelnder ressortübergreifender Zusammenarbeit“, sagt die CDU-Digital-Expertin Ronja Kemmer. Auch die jetzige Bundesregierung habe ihre Ziele beim Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze nicht erreicht. „Die Verfahren dauern schlichtweg noch zu lange“, kritisierte die Obfrau der Union im Digitalausschuss.

    „Gerade weil Digitalisierung ein Querschnittsthema ist und die Ministerien oft vor ähnliche Herausforderungen stellt, brauchen wir ein eigenständiges Digitalministerium“, sagte Kemmer. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Digitalisierung müsse die Politik deutlich schneller und umsetzungsstärker werden.

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