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Die neue Asylhärte der SPD könnte ausgerechnet die AfD stärken

Migrationspolitik

Neue Asylhärte: Der Kanzler und sein riskanter Befreiungsschlag

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    Olaf Scholz verschiebt die SPD in der Asylpolitik nach rechts. Das ist nicht ohne Risiko -- für das Parteiensystem und die Koalition.
    Olaf Scholz verschiebt die SPD in der Asylpolitik nach rechts. Das ist nicht ohne Risiko -- für das Parteiensystem und die Koalition. Foto: Sabina Crisan, dpa

    Stichtag 22. September. Der Wahltag in Brandenburg ist der wichtigste Termin für Olaf Scholz in den kommenden zwei Wochen. Kann die SPD ihre Bastion halten, wo sie seit der Wende den Ministerpräsidenten stellt, ist für den Bundeskanzler nicht alles gut, aber er hätte Zeit und Spielraum gewonnen. Verliert die SPD die Bastion, kann es sein, dass Scholz mit einem Putschversuch der eigenen Truppen rechnen muss.

    In Brandenburg ist die entscheidende Frage des Wahlkampfes, ob die AfD noch abgefangen werden kann und doch nicht als stärkste Partei vom Feld geht. Ihr Vorteil ist die Unzufriedenheit der Wähler mit der Ampel und die derzeitige Debattenlage. Seit dem Messeranschlag von Solingen redet Deutschland nur noch darüber, wie es sich stärker gegen Flüchtlinge abschotten kann.

    Olaf Scholz warnt Friedrich Merz vor Spielchen

    Es ist das Hauptthema der AfD, aber auch das Reizthema in der Bevölkerung. Die AfD hat es geschafft, dass andere Parteien manchmal so klingen wie sie. Das gilt für CDU, CSU, die FDP, das BSW und auch die SPD. „Jemand, der Offenheit organisiert … ist auch aufgerufen, das Management der irregulären Migration hinzubekommen. Das gehört dazu“, sagt Scholz am Montagabend beim Spätsommerfest der SPD-Zeitung Vorwärts.

    Die Hitze der Vortage ist einer angenehmen Frische gewichen. In einem alten Güterbahnhof redet Scholz frei und engagiert vor weiß getünchten Ziegeln und unter schweren Balken. Die Genossen haben rote Gladiolen auf die kleine Bühne gestellt. Es gibt Bier, Bratwurst und Burger. An CDU-Chef Friedrich Merz richtet der Kanzler die Forderung, keine Spielchen bei der Asylpolitik zu treiben.

    Der Oppositionsführer scheucht ihn seit Solingen mit dem Thema vor sich her, bietet eine Kooperation an und setzt gleichzeitig die Forderungen hoch. Meint Merz es ernst oder will er sich die Migrationskrise als Munition für den Wahlkampf aufheben? „Dann darf das nicht unehrlich sein“, verlangt Scholz in seiner kurzen Rede. Die SPD sei jedenfalls ehrlich bei dem, was sie sage.

    Die SPD hat einen neuen roten Sheriff

    Die blutige Gewalt der letzten Monate, der Hilferuf der überforderten Kommunen und der Dauerdruck der Opposition haben Wirkung gezeigt bei der SPD. Grenzkontrollen in ganz Deutschland hat SPD-Innenministerin Nancy Faeser noch nach der Fußball-EM abgelehnt, plötzlich setzt sie diese ins Werk. Die Kürzung von Sozialleistung für abgelehnte Asylbewerber galt als rechtlich unmöglich, jetzt soll es nur noch Bett, Brot und Seife geben. Gleiches wurde für Abschiebungen nach Afghanistan behauptet, eine Woche nach Solingen hob ein Flieger mit 28 Kriminellen ab. Faeser ist derzeit Scholz‘ wichtigste Ministerin. Sie selbst hat sich dem neuen Kurs der Härte gefügt, rückte Stück für Stück von ihren früheren Überzeugungen ab. Die 54-Jährige ist jetzt der rote Sheriff des Kanzlers, der sie nie sein wollte.

    Innenministerin Nancy Faeser mausert sich zum Sheriff der SPD.
    Innenministerin Nancy Faeser mausert sich zum Sheriff der SPD. Foto: Michael Kappeler, dpa

    In der SPD-Bastion Brandenburg ist die Zuwanderung das bestimmende Thema für die Wähler. Die regierende SPD hat in der jüngsten Umfrage vier Punkte hinzugewonnen. Doch der Abstand zur AfD hat sich nicht verringert, weil die Rechtsnationalen ebenfalls um vier Punkte geklettert sind. Politikwissenschaftler warnen immer wieder, dass die Positionen der AfD normalisiert werden, wenn die etablierten Parteien diese übernehmen. Statt ihr Stimmen abzujagen, könnten Unentschlossene erst recht darauf kommen, ihr Kreuz bei der AfD zu machen. Das ist ein Risiko für Scholz.

    In Brandenburg lieber ohne Scholz

    Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD fordert wie alle Landeschefs mehr Ordnung bei der Migration und weniger Flüchtlinge. Ihm wird zugetraut, das Blatt noch zu wenden und sich vor die AfD zu schieben. Die Brandenburger schätzen seine Arbeit, er ist erdverwachsen und kein Mann des schillernden Auftritts. Sein Motto: Handwerk statt Mundwerk. Zum alten Preußen und seinen Bewohnern passt das.

    Zeigt sich trotz Umfragen zuversichtlich für die Wahl: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.
    Zeigt sich trotz Umfragen zuversichtlich für die Wahl: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Auf Wahlkampfhilfe des Kanzlers verzichtet Woidke lieber, obwohl Scholz in Potsdam wohnt. Bislang hat sich die Strenge gegen Schutzsuchende für den Kanzler in den Umfragen noch nicht ausgezahlt. Im neuen Politiker-Ranking der Meinungsforscher von Insa kommt er nur auf Rang 18, auf Platz 1 steht sein Parteifreund und Verteidigungsminister Boris Pistorius. Genau das beflügelt die Fantasie vieler Sozialdemokraten. Wenn Scholz nicht noch einmal antritt und Pistorius übernimmt, dann wird er die SPD aus der Misere ziehen. So wie es Kamala Harris nach dem Verzicht von Joe Biden tut.

    Eine Genossin aus Berlin findet das auf dem Spätsommerfest trotzdem wenig wahrscheinlich, weil Scholz kein Tattergreis wie Biden ist. Eine Sozialdemokratin aus Brandenburg denkt, dass es eng wird für ihn, wenn es in Brandenburg schiefgeht. „Ich glaube schon, dass dann in der Bundestagsfraktion etwas passieren wird.“ Eine Bundestagsabgeordnete aus dem Süden kann das ständige Infragestellen des Kanzlers nicht mehr hören. Mit dem eigenen Namen versehen will das aber keine in der Zeitung lesen. Der Kanzler ist noch nicht so schwach, als dass er gefahrlos öffentlich angezählt werden kann.

    „Olaf Scholz ist besser als sein Ruf“

    Das Heer der überzeugten Olaf-Fans ist zuletzt dennoch deutlich geschrumpft. Unterstützung erhält der Kanzler von der bayerischen Landesvorsitzenden Ronja Endres. „Olaf Scholz ist besser als sein Ruf. Seine Bilanz ist gut, gemessen an dem, was sich die Ampel im Koalitionsvertrag vorgenommen hat“, sagt sie. Beim Thema Migration habe er mehr hingekriegt, als es der CDU in den zurückliegenden Jahren gelungen sei. „Es ist ein Unterschied, wie Friedrich Merz alles zu fordern oder die komplizierten Fragen praktisch zu lösen“, meint Endres. Vor Brandenburg sollte sich die SPD nicht „auseinandertreiben lassen“.

    Das scheint die Linie zu sein, die für die nächsten Tage trägt. Mit geballter Faust in der Tasche versucht sich die Partei in Eintracht. Ob es im Falle einer weiteren Niederlage im Osten dabei bleibt, ist offen. Bliebe es bei den jetzigen Umfragewerten von rund 15 Prozent, würde die SPD-Fraktion halbiert, weil der nächste Bundestag durch die Wahlrechtsreform 100 Mandate weniger hat. Die Angst um die eigene Karriere lässt SPD-Abgeordnete zu Boris Pistorius schauen.  

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