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Foto: Kay Nietfeld, dpa
Foto: Kay Nietfeld, dpa

Chinas Präsident Xi Jinping empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking.

Olaf Scholz in China
04.11.2022

„Nuklearkrise verhindern“: Xi Jinping richtet deutliche Worte an Putin

Von Fabian Kretschmer

Der Kanzler fand bei seinem Besuch in Peking deutlichere Worte, als viele Kritiker erwartet hatten. Auch beim Thema Russland haben Xi Jinping und Scholz Tacheles geredet.

Allein wegen Sätzen wie diesen dürfte sich die umstrittene Peking-Reise von Olaf Scholz bereits gelohnt haben: Staatschef Xi Jinping sagte laut Mitteilung des Außenministeriums, dass China sowohl „den Gebrauch als auch die Androhung von Atomwaffen“ ablehne. Zudem müsse man eine „Nuklearkrise auf dem eurasischen Kontinent verhindern“. Gleichwohl: Um einen diplomatischen Durchbruch für ein Ende des Ukraine-Kriegs handelt es sich dabei nicht, doch immerhin sind Xis Worte Chinas bislang deutlichste Warnung an Russlands Präsident Wladimir Putin. Und dass der 69-Jährige seine Aussage Seite an Seite neben dem deutschen Kanzler tätigt, dürfte wohl in ganz Europa als Erfolg von Scholz' Besuch in der "Null Covid"-Bastion gewertet werden.

Zugegebenermaßen war die Erwartungshaltung im Vorfeld der ebenso reichlich wie kontrovers diskutierten Reise eher ziemlich niedrig. Schließlich sah es noch am Freitagmorgen so aus, als ob Scholz' 12-Stunden-Kurzaufenthalt in der chinesischen Hauptstadt zu einem substanzlosen Austausch diplomatischer Floskeln geraten könne.

Für Scholz war es kein Wohlfühlbesuch bei Chinas Staatsführung

Denn die deutsche Delegation bewegte sich in einer vollständig abgeriegelten Corona-Blase in einem Radius von wenigen hundert Metern. Die Regierungsmaschine parkte sogar zwischenzeitlich in Südkorea, damit die Crew die 10-tägige Zwangsquarantäne in China umgehen konnte. Und auch der rote Teppich am Pekinger Flughafen wurde von Seuchenschutzmitarbeitern in weißen Ganzkörperanzügen ausgerollt.

Als der deutsche Kanzler dann in der Großen Halle des Volkes mit Xi Jinping und dem scheidenden Premier Li Keqiang die zwei wichtigsten Politiker des Landes traf, wurden die Covid-Masken allerdings abgenommen. Mit den Worten „Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin“, leitete Scholz schließlich seine Erklärung ein. Und spätestens gegen Ende des Tagesprogramms war selbst Skeptikern deutlich geworden: Der massive Unmut, den der Kanzler mit seiner Reise auch unter europäischen Diplomaten in Peking ausgelöst hatte, stellte sich im Rückblick zumindest teilweise als unbegründet heraus. Um einen reinen Wohlfühlbesuch, wie ihn sich Chinas Staatsführung wohl erhofft hatte, hat es sich nicht gehandelt.

Scholz erinnert an die Einhaltung der Menschenrechte mit Blick auf Uiguren

Denn schlussendlich hatte der Gast aus Deutschland gegenüber der chinesischen Staatsführung direktere Worte gefunden, als viele Kritiker es befürchtet hatten. So erinnerte Scholz mit Hinblick auf die Situation der Uiguren in Xinjiang daran, dass sich die chinesische Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat. Dies sei zudem „keine Einmischung in innere Angelegenheiten“, wie Peking immer wieder betont.

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Auch in Bezug auf die Taiwan-Frage sagte der Kanzler, dass jedwede Veränderung des Status Quo „nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgen dürfe. Ebenfalls hat er Xi Jinping darum gebeten, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen. Li Keqiang sagte zu dem Thema zumindest in einer vagen Stellungnahme: "Wir können uns keine weitere Eskalation leisten."

Zwölf Vorstandschefs waren mit Scholz mitgereist

Und auch bei wirtschaftlichen Fragen hielt Scholz mit Kritik nicht hinterm Berg, etwa wenn es um den Marktzugang ausländischer Unternehmen in China geht. Seine Worte dürften Balsam für die unternehmerische Seele der angereisten Wirtschaftsdelegation gewesen sein. Insgesamt zwölf Vorstandschefs – von BASF über Volkswagen bis hin zu Adidas – waren in Scholz' Tross mitgereist. Im Vorfeld war der Kanzler dafür als "Handelsreisender" verspottet worden, der sein eigenes Versprechen der "Zeitenwende" nur wenig beherzige.

Doch ob die deutschen Spitzenmanager mit voluminösen Deals zurück nach Berlin fliegen, darf bezweifelt werden. Das hat allein schon mit praktischen Gründen zu tun: Jeder Chinese, der in Kontakt mit der Delegation kam, muss anschließend für zehn Tage in Quarantäne. Das erhöht nicht gerade die Lust auf ein persönliches Treffen am Verhandlungstisch.

Kurs von Kanzler Scholz dürfte chinesische Staatsführung wenig erfreuen

Zumindest Biontech bekam in einem ersten Schritt zugesichert, dass in China lebende Ausländer endlich einen mRNA-Impfstoff auf legalem Wege erhalten dürfen. Die Volksrepublik hat bislang nur ihre heimischen Totimpfstoffe zugelassen. Nach dem Besuch von Scholz dürften sich die Chancen allerdings deutlich erhöht haben, dass Biontech bald seine Vakzine auch im ganzen Reich der Mitte verkaufen darf.

Auffällig war, dass die chinesischen Zeitungen sich bis in die Abendstunden mit einer Einschätzung des deutschen Staatsbesuchs sichtlich zurückhielten. Im Vorfeld hieß es, man hoffe darauf, dass sich Olaf Scholz vom Druck der USA emanzipiere und jenen pragmatischen Kurs gegenüber der Volksrepublik fortführe, wie ihn Angela Merkel etabliert habe. Gemessen an dieser Erwartungshaltung dürfte die chinesische Staatsführung wohl nur mäßig erfreut sein.

Doch wie Scholz bereits vor seinem Delegationsbesuch verkündete, sei eben "das China von heute nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren“. Und das ist noch eine deutliche Untertreibung: Pekings Beziehungen gegenüber dem Westen haben sich seit der Pandemie dramatisch verschlechtert, und auch die wirtschaftliche Lage des Landes ist nach zweieinhalb Jahren "Null Covid" überaus angespannt. Umso wichtiger erscheint es Xi Jinping, die Bindung an Deutschland nicht zu verlieren.

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