Die CDU hat auf ihrem ersten digitalen Parteitag Armin Laschet zum neuen Vorsitzenden gewählt und damit eine wichtige Weichenstellung für die Bundestagswahl in diesem Jahr vorgenommen. Der für einen moderaten Mitte-Kurs stehende Armin Laschet setzte sich am Samstag in einer spannenden Stichwahl gegen Friedrich Merz durch, der als Hoffnung der Konservativen galt. Laschet holte 521 Stimmen, Merz kam auf 466 Stimmen.
Der dritte Kandidat, der Außenpolitiker Norbert Röttgen, schied im ersten Wahlgang aus. Er erhielt 224 Stimmen. Laschet kam auf 380 Stimmen, für Merz sprachen sich 385 Delegierte aus. Das per digitaler Abstimmung erzielte Ergebnis muss aus juristischen Gründen erst noch durch eine Briefwahl bestätigt werden. Das Ergebnis der Briefwahl wird am kommenden Freitag bekanntgegeben.
Laschet steht in den Augen der meisten CDU-Mitglieder vor allem für Kontinuität. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte zunächst als chancenlos gegolten, dann aber immer mehr Boden gutgemacht. Er hatte nicht nur im eigenen Landesverband großen Rückhalt, sondern auch in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Außerdem warben weite Teile des Partei-Establishments von Annegret Kramp-Karrenbauer über den früheren Generalsekretär Hermann Gröhe und Kanzleramtschef Helge Braun bis zum stellvertretenden Parteivorsitzenden Volker Bouffier mehr oder weniger direkt für ihn.
Merz hatte in den Umfragen vor dem Parteitag vorne gelegen. Ihm flossen wohl vor allem die Stimmen aus Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg und den ostdeutschen Verbänden zu. Auch der Wirtschaftsflügel, die konservative Werteunion und die Junge Union hatte seine Unterstützung angekündigt.
Röttgen hätte möglichweise auf die Kanzlerkandidatur verzichtet, mit Laschet bleibt die Frage offen
Der Außenpolitiker Norbert Röttgen hatte seine Chancen nach Einschätzung von Delegierten unter anderem dadurch geschmälert, dass er sich vor dem Parteitag gegen eine Koalition mit der FDP ausgesprochen hatte. Schwarz-gelbe Bündnisse sind für die Union immer eine Option.
Röttgen hätte sich, das legten Äußerungen im Vorfeld nahe, möglicherweise mit dem CDU-Vorsitz begnügt und auf die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl verzichtet. Mit der Wahl von Laschet ist diese Frage aber offen. Sie wird in einem Gespräch mit dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder geklärt, für das es aber noch keinen Termin gibt. In der Union zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab, die Entscheidung über die K-Frage erst nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu fällen. Sie finden Mitte März statt. Einige CSU-Politiker haben sich für Ostern als Gesprächstermin ausgesprochen – das wäre Anfang April.
Armin Laschet: "Wir müssen die CDU als Partei der Mitte bewahren"
In der Kandidatenrunde war Laschet der erste Redner. Er verband nach einem kurzen Einführungsvideo in seiner 15-minütigen Rede geschickt Erinnerungen an seinen Vater, den er als rechtschaffenen Bergmann schilderte, und den Sturm aufs Kapitol in Washington, verursacht von einem wenig rechtschaffenen US-Präsidenten Donald Trump. Laschets Fazit zu diesen Gegensätzen: „Vertrauen ist das, was uns trägt, und es ist das, was in Amerika zerbrochen ist.“
Der Ministerpräsident betonte zudem seine Regierungserfahrung – ein Pfund, dass seine Konkurrenten bekanntlich nicht in die Waagschale werfen konnten. Bei vielen Delegierten dürfte er auch damit gepunktet habe, dass er mehrfach auf die Unterstützung von Gesundheitsminister Jens Spahn verweisen konnte. Vor allem präsentierte sich Laschet als Anhänger des bisherigen Merkel-Kurses. „Wir müssen die CDU als Partei der Mitte bewahren. Und dafür treten Jens Spahn und ich an“, sagte er.
Dabei müsse man auch nach vorne blicken. Denn wahr sei, dass sich nicht mehr die ganze Breite der Gesellschaft in der CDU widerspiegele. Sein Ziel sei es deshalb, auch diese Menschen wieder zu erreichen. Später, in der eigentlichen Fragerunde, sprang Jens Spahn ihm noch bei und warb regelwidrig offen für die Wahl Laschets. In den sozialen Netzwerken sorgte das für einen Entrüstungssturm.
Friedrich Merz: "Wir müssen um die Mehrheiten der Mitte kämpfen"
Während Laschet offenbar ganz gut damit zurechtkam, in einem großen Saal ohne Publikum zu sprechen, wirkte Friedrich Merz als zweiter Redner zunächst etwas verloren. Nach einer Aufwärmphase nahm aber auch er Fahrt auf. Der ehemalige Unionsfraktionschef plädierte für Zuversicht in der Corona-Krise und lobte Deutschlands Stellung bei der Entwicklung eines Impfstoffs. Auch den Klimawandel sprach er an. Diesen könne man mit den Mitteln der Marktwirtschaft und der Technologie in den Griff bekommen, betonte Merz seinen Status als Mann der Wirtschaft.
„Wir müssen um die Mehrheiten der Mitte kämpfen“, sagte Merz und sprach sich dafür aus, auch die sozial Schwachen einzubinden. „Sie finden gerade bei uns ein Herz und Zuwendung.“ Beim Thema Frauen und Gleichberechtigung, ihm war hier zuletzt Rückwärtsgewandheit vorgeworfen worden, wurde der dreifache Vater persönlich. Er höre, er habe da ein altes Bild vor Augen, sagte Merz, runzelte die Stirn und konterte: Wenn dem so wäre, hätten ihm seine Töchter längst „die Gelbe Karte gezeigt und meine Frau hätte mich vor 40 Jahren nicht geheiratet“.
Norbert Röttgen, wie Laschet und Merz ebenfalls dreifacher Vater, hielt die wohl sachlichste Rede des Vormittags. Der 55-Jährige versprach, die CDU-Mitglieder in eine neue Zukunft mitzunehmen. Man stehe am Beginn eines neuen Weges in extrem fordernden Zeiten. Röttgen rief dazu, die Errungenschaften von Kanzlerin Merkel zu würdigen und weiterzuentwickeln. „Hieran können und müssen wir anknüpfen“, sagte er und nannte unter anderem die Themen Rente und Bildung. Seine durchwachsene Rede beendete der Kandidat mit dem Versprechen, er traue es sich zu, neue Wählerinnen und Wähler für die CDU zu gewinnen.
Der Parteitag hatte am Freitagabend mit der offiziellen Verabschiedung der bisherigen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer begonnen. Die Saarländerin hatte im Februar letzten Jahres vor dem Hintergrund der Regierungskrise in Thüringen ihren Rückzug als Parteichefin und Kanzlerkandidatin erklärt. In ihrer Rede erinnerte AKK an eine Zeit, in der sich die CDU in einer sehr schwierigen Situation befunden habe. „Es ging um die Seele der Partei“, sagte die Saarländerin und amtierende Verteidigungsministerin. Sie habe damals gespürt, dass sie als Parteivorsitzende nicht mehr genügend Autorität und Vertrauen gehabt habe, um die Partei zu führen. Sie habe sich deshalb entschieden, nicht als Kanzlerkandidatin anzutreten und als Parteivorsitzende aufzuhören.
Kramp-Karrenbauer: „Heute gebe ich die Verantwortung als Parteivorsitzende zurück“
„Ja, dieser Schritt war schwer. Aber er war reiflich überlegt und er war richtig“, sagte Kramp-Karrenbauer, die einerseits bewegt wirkte, andererseits aber auch ein wenig froh darüber, dass sie dieses Kapitel ihrer Karriere nun abschließen kann. Sie wisse, erklärte die Saarländerin, dass sich viele Menschen in der Partei von ihr „mehr erhofft hatten und sehr enttäuscht waren“. Es schmerze sie heute noch, den Erwartungen nicht gerecht geworden zu sein.
„Heute gebe ich die Verantwortung als Parteivorsitzende zurück“, sagte AKK. Die Verantwortung als Mitglied der CDU aber bleibe. Die anderen Mitglieder fordert sie deutlich dazu auf: „Unterstützen wir geschlossen unseren neuen Vorsitzenden der CDU.“
Allen voran würdigte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier die Verdienste von AKK. Als Abschiedsgeschenk überreichte er ihr ein Faksimile der Rede von Heiner Geißler, die der damalige Bundesfamilienminister auf dem sogenannten Frauenparteitag 1985 in Essen hielt. Und es gab einen humorvollen Film, der Schwierigkeiten von Korrespondenten auf aller Welt zeigt, den Namen Kramp-Karrenbauer fehlerfrei auszusprechen. In Zukunft werden sie es da leichter haben.
Laschets Sieg auf dem CDU-Parteitag muss noch per Briefwahl bestätigt werden
Angela Merkel hielt zwar eine längere Rede. Sie vermied es dabei aber, Kramp-Karrenbauer ihren Dank auszusprechen. Mehr noch: Sie erwähnte die Saarländerin namentlich nicht. Ob sich Merkel noch bei anderer Gelegenheit bei ihrer Nachfolgerin bedanken will, ist nicht bekannt. Im Februar 2020 hatte Merkel erklärt, sie nehme den Rückzugsankündigung von AKK „mit allergrößtem Respekt“ zur Kenntnis. „Ich sage allerdings auch, dass ich sie bedauere“, ergänzte Merkel damals.
Der Parteitag war wegen der Corona-Pandemie zwei Mal aufgeschoben worden und fand unter strengen Hygieneregeln in der Berliner Messe statt. Dort hielten sich aber nur einige wenige CDU-Politiker auf, darunter die drei Kandidaten. Die 1001 Delegierten wurden von außen zugeschaltet und nahmen alle Abstimmungen digital vor. Größere technische Probleme blieben dabei offenbar aus.
Da das deutsche Recht eine schriftliche Vorstandswahl fordert, muss das Ergebnis in einer Briefwahl bestätigt werden. Rein theoretisch könnten sich für die Briefwahl noch Kandidaten bewerben. Damit wird aber nicht gerechnet.
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