Als Friedrich Merz am Tag nach dem Ampel-Aus auf seinen möglichen neuen Arbeitsplatz zusteuert, tut er das zu Fuß. Vor dem Kanzleramt stehen ein paar erfahrene Kameraleute, sie haben hier schon viele kommen und gehen sehen. Einer von ihnen wird später sagen, der Spitzenkandidat von CDU und CSU sei nicht gelaufen, sondern praktisch geschwebt. In der Tat genießt Merz seinen Auftritt sichtlich. Noch nie war er seinem Traumjob so nahe, wie in diesen Tagen. Die Ampel ist abgeschaltet, Amtsinhaber Olaf Scholz ein Kanzler auf Abruf, die Umfragen sprechen für einen Wahlsieg der Union. Doch noch ist es politisch ein weiter Weg an den Kanzler-Schreibtisch.
Würde es nach Merz gehen, könnte er ganz schnell seine Umzugskartons im siebten Stock des Kanzleramtes auspacken. „Wir können es uns einfach nicht leisten, über Monate hin eine Regierung ohne Mehrheit zu haben“, meint er. Doch noch sitzt da der SPD-Politiker Olaf Scholz, und der will sein Büro so schnell nicht aufgeben. Der SPD-Politiker hält bislang am 15. Januar als Termin für die Vertrauensfrage fest. Neuwahlen wären dann etwa Mitte, Ende März denkbar.
Merz macht Druck auf Scholz
Sein Herausforderer dringt auf einen viel früheren Zeitpunkt. Scholz solle, fordert Merz, die Vertrauensfrage sofort oder spätestens in der kommenden Woche stellen. Die Eile hat nur bedingt damit zu tun, dass Merz unbedingt Kanzler sein will. Allen Parteien, auch seiner CDU, würde ein wenig mehr Zeit bis zu Neuwahlen durchaus nützen. Fotos der Kandidatinnen und Kandidaten müssen gemacht, Wahlplakate gedruckt werden. Keine Partei beginnt da völlig bei Null, aber jeder Tag zählt.
Merz wird vor allem von taktischen Überlegungen getrieben. Noch ist die SPD am Boden. Mit jeder Stunde, die sie länger parlamentarisch arbeitet, steigen jedoch die Chancen auf Besserung. SPD und Grünen könnten durchaus noch ein paar Dinge auf die Tagesordnung setzen, die sie in den Meinungsumfragen nach vorne bringen. Verbesserungen bei der Rente beispielsweise.
Der Kanzler kann außerdem die Ukraine-Karte ausspielen. Es geht da um etwa 12 Milliarden Euro an neuen Schulden, die Scholz für die Unterstützung des gebeutelten Landes aufnehmen will. Nicht nur die FDP argwöhnt, dass dieses Geld nicht allein für die Ukraine ausgegeben werden soll, sondern auch für andere Dinge. Egal, ob das stimmt: Wenn die rot-grüne Minderheitsregierung einen entsprechenden Antrag im Bundestag stellt und die Union dem nicht zustimmt, würde Scholz ihren Spitzenkandidaten Merz als Hilfeverweigerer brandmarken.
Was ist mit Spahn und den anderen?
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt springt Merz zwar zur Seite. „Wir können uns schlichtweg kein Kanzler-Koma leisten“, sagt er und nennt den von Scholz bislang anvisierten Termin für Neuwahlen im Frühjahr „eine Respektlosigkeit“ den Wählern gegenüber. Aber Dobrindt wie Merz müssen nicht nur den politischen Gegner, sondern auch die eigenen Reihen im Blick behalten.
Mit dem Ampel-Aus steigt der Druck auf diejenigen bei der CDU, die einen guten Posten unter einem möglichen Kanzler Merz haben wollen. Fraktionsvize Jens Spahn hat seit dem Regierungswechsel praktisch nie aufgehört, sich in der Öffentlichkeit zu positionieren. CDU-Vize Andreas Jung besetzt seitdem fachkundig die Energie- und Klimathemen, sein baden-württembergischer Parteifreund Thorsten Frei ist schon qua Amt als Fraktionsgeschäftsführer präsent. Sie alle sind bereits am Start, viele andere müssen sich jetzt noch schnell warmlaufen, um später mal Minister oder Staatssekretär zu werden. Merz muss das alles im Blick haben, er muss Ausgewogenheit zwischen den Landesverbänden herstellen. Die persönlichen Umfragewerte des Kanzlerkandidaten sind eher mau. Der Sauerländer weiß, dass er die volle Unterstützung seiner Partei braucht und niemanden verprellen darf.
Zunächst einmal kann Merz jedoch die Abteilung Attacke reiten. Am kommenden Mittwoch ist eine Regierungserklärung von Olaf Scholz im Bundestag geplant. Merz wird reden, auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist geladen. Sie wollen Scholz einheizen und ihn zum Einlenken bringen. Der Kanzler machte am Freitagabend beim EU-Gipfel in Budapest ein paar Bemerkungen, die als Verhandlungsbereitschaft beim Thema Vertrauensfrage gedeutet wurden. „Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren“, sagte er. Eine Einigung der Fraktionen im Bundestag zu noch nötigen Gesetzesvorhaben könne auch die Frage beantworten, „welcher Zeitpunkt dann der richtige ist, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen“.
Vielleicht kann Merz am Ende dann doch früher als erwartet ins Kanzleramt entschweben.
Deutschland bräuchte ein wenig Donald Trump, denn weit und breit nur politische Micky Mäuse.
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