Herr Buschmann, Sie waren an den Überlegungen beteiligt, wie die Freien Liberalen das Bündnis mit SPD und Grünen lösen können. Gleichzeitig machten Sie den Eindruck, Ihre Aufgabe als Justizminister gern zu machen. Wie haben Sie das miteinander vereinbaren können?
MARCO BUSCHMANN: Es war der Bundeskanzler, der mit der Entlassung von Christian Lindner die Koalition beendet hat. Ohne Koalition konnte ich meine Arbeit als Justizminister, die ich sehr gerne gemacht habe, nicht fortsetzen. Denn ohne meine Partei als Machtfaktor wäre ich nur noch ein Erfüllungsgehilfe des Bundeskanzlers für sozialdemokratische Politik gewesen. Erst einige Wochen später bin ich auf Vorschlag von Christian Lindner neuer FDP-Generalsekretär geworden. Das mache ich mit vollem Engagement. Denn wenn man etwas dafür tun kann, den organisierten Liberalismus wieder zum Erfolg zu verhelfen, ist das für einen überzeugten Liberalen eine großartige Aufgabe.
Seit dem Sommer hatte sich die Stimmung in der Ampel-Koalition verschlechtert. Wir wissen heute, dass die FDP das Ende plante. Verspürten Sie nicht dennoch ein Verantwortungsgefühl, die Regierung über die volle Wahlperiode zu bringen? Schließlich hatten Sie einen Wählerauftrag und das Ministeramt hat Sie ausgefüllt.
BUSCHMANN: Die Koalition ist an einem Grundsatzkonflikt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gescheitert und nicht am Unwillen der Freien Demokraten. Das Land braucht dringend eine neue Politik für Wohlstand und Wachstum. Dazu war der Bundeskanzler nicht bereit. Daher konnte es nicht einfach so weitergehen.
Müssten Sie nicht gerade deshalb als Regierung zusammenstehen, um mit Reformen das Wachstum zurückzubringen?
BUSCHMANN: Das haben wir mit aller Kraft versucht. Wir haben im Sommer eine Wachstumsinitiative vereinbart. Aber SPD und Grüne haben kaum Engagement bei der Umsetzung gezeigt. Anfang November hat Christian Lindner dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler dann einen konstruktiven Vorschlag für eine weitergehende Wirtschaftswende vorgelegt, weil führende Wirtschaftsforschungsinstitute auf weitere Maßnahmen gedrungen haben. Aber SPD und Grüne haben öffentlich bekundet, dass sie nicht einmal dazu bereit waren, über diese Vorschläge zu diskutieren.
Sie meinen die berühmten 18-Seiten, die als Scheidungsurkunde der Ampel-Koalition gelesen wurden?
BUSCHMANN: Es waren Vorschläge, die fast einhellig in Wirtschaft und Wissenschaft gelobt wurden. Wenn etwas erforderlich ist, kann es wohl kaum eine Zumutung sein.
Verstehen Sie, dass das viele Wähler irritiert, wenn eine Partei intern berät, wie sie aus der Verantwortung kommt, die ihr die Wähler übertragen haben?
BUSCHMANN: Verantwortung bedeutet vor allem eines: Wenn sich das Land auf Kollisionskurs mit einem Eisberg befindet, muss die Regierung die Richtung ändern. Unser Vorschlag an den Bundeskanzler war: Lass uns den Kurs ändern oder geordnet in Neuwahlen gehen. Denn so wie es ist, kann es nicht weitergehen. Der Rest ist Geschichte.
Wie gewinnt man das Vertrauen der Wähler zurück?
BUSCHMANN: Durch sachliche Vorschläge für weniger Bürokratie, niedrigere Steuern und wettbewerbsfähige Energiepreise.
Ist Christian Lindner nach dem Eklat um den gewollten Bruch der Koalition der richtige Spitzenkandidat, um die Wähler von den Liberalen zu überzeugen?
BUSCHMANN: Christian Lindner hat schon zweimal bewiesen, dass er ein erfolgreicher Spitzenkandidat bei Bundestagswahlen ist. Er wird es auch ein drittes Mal tun.
Bei den Menschen ist das noch nicht angekommen. Die FDP steht in den Umfragen höchstens bei 5 Prozent…
BUSCHMANN: Die FDP holt am stärksten in den letzten Wochen auf. Das war auch bei den letzten Bundestagswahlen so.
Aller guten Dinge sind drei, das stimmt. Andererseits ist Lindner jetzt das zweite Mal abgesprungen aus verschiedenen Bündnissen. 2017 zog er sich aus den Jamaika-Verhandlungen mit dem legendären Spruch „Lieber nicht regieren, als schlecht regieren“ zurück. Jetzt sollte die Ampel zum Platzen gebracht werden, was dann auch geschah. Geht es beim dritten Mal dann über eine volle Amtszeit, wenn die FDP dabei ist?
BUSCHMANN: 2017 haben die Wählerinnen und Wähler die Große Koalition abgewählt. Sie wollten eine andere Politik. Frau Merkel wollte jedoch genau diese abgewählte Politik mit anderen Farben einfach fortsetzen. 2024 erforderte die dramatische Lage der Wirtschaft eine andere Politik. Dazu war der Bundeskanzler nicht bereit. Demokratie ist die Verfassung der Freiheit, weil sie den Menschen einen Hebel gibt, Veränderung zu wählen und so Fehler zu korrigieren. Ein stures Weiter-so bei Fehlentwicklungen ist nicht akzeptabel. Es treibt die Wählerinnen und Wähler in die Arme der politischen Ränder.
Die CDU geht mit Friedrich Merz und Carsten Linnemann mit zwei ausgesprochen wirtschaftsliberalen Frontmännern in den Wahlkampf. Wozu braucht es da die FDP, die sich auch der Wirtschaft verpflichtet fühlt?
BUSCHMANN: Liberalismus möchte die ganze Freiheit des Menschen – in wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen und geistigen Angelegenheiten. Der Staat soll sich insgesamt nicht übergriffig gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern verhalten. Nicht der Bürger muss seine Freiheit rechtfertigen, sondern der Staat muss jeden einzelnen Eingriff in die Freiheit rechtfertigen. Dieses umfassende Freiheitsverständnis ist Unterscheidungsmerkmal genug. Denn Konservative spielen sich allzu häufig als Zensor privater Lebensverhältnisse auf.
Da haben Sie einen Punkt. Aber in der Wirtschaftspolitik ticken Sie ähnlich...
BUSCHMANN: Das stimmt. In der Wirtschaftspolitik gibt es spürbare Überschneidungen. Ich erinnere gleichwohl daran, dass auch Angela Merkel einst als Wirtschafts-Reformerin angetreten war. Als Kanzlerin hat sie diesen Reformschwung verloren. Einen echten Politikwechsel gibt es nur in einer schwarz-gelben Koalition.
Das ist von den jetzigen Umfragen aber ein ziemlich weiter Weg...
BUSCHMANN: Der Wahlkampf wird ab der zweiten Januarhälfte richtig in Fahrt kommen. Dann werden sich die Wählerinnen und Wähler die Frage stellen, ob sie wieder eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners wollen. Das würde ja passieren, wenn die Union mit der SPD oder den Grünen koaliert. Wenn man dagegen einen klaren Kurs für wirtschaftliches Wachstum, niedrige Steuern und einen schlanken Staat möchte, dann wird es das nur mit Schwarz-Gelb geben.
In Ihrem Wahlprogramm steht, dass sie Unternehmer und Bürger um 138 Milliarden Euro entlasten wollen, wenn man alles zusammenrechnet. Dabei soll die Schuldenbremse des Grundgesetzes weiter eingehalten werden. Ökonomisch klingt das wie ein Wunder.
BUSCHMANN: Solche Zahlen gehen davon aus, dass man jede einzelne Maßnahme sofort und gleichzeitig ergreift. Unser Programm sieht ausdrücklich ein schrittweises Vorgehen vor. Freilich hat Christian Lindner bereits Maßnahmen vorgeschlagen, die für Einsparungen in Summe von etwa 10 Milliarden Euro sorgen. Hinzu kommen zweistellige Milliardensummen für Klimasubventionen, die entfallen könnten. Zudem wird Wirtschaftswachstum zusätzliches Geld in die Kasse des Staates spülen.
Die Kritik entzündete sich auch daran, dass die FDP Leute besserstellen will, die ohnehin viel haben…
BUSCHMANN: Das ist eine Plattitüde, die ich immer von unseren politischen Wettbewerbern höre. Fakt ist: Der heutige Spitzensteuersatz wird nicht von Spitzenverdienern bezahlt, sondern schon von Leuten, die nach Tarifverträgen bezahlt werden. Das sind Leute, die hart arbeiten, die sich angestrengt haben, die eine Hypothek abbezahlen müssen und ihren Kindern etwas bieten wollen. Wir wollen sicherstellen, dass solche Leute keinen Spitzensteuersatz bezahlen. Es geht nicht um die oberen 10.000, sondern es geht um die hart arbeitende Mitte unseres Landes.
Herr Buschmann, es ist Weihnachten und deshalb kommen wir zum gemütlichen Teil. Sie lieben Musik und sind passionierter Hobbymusiker. Welche Lieder werden Weihnachten bei Ihnen gespielt?
BUSCHMANN: Früher, als ich ein bisschen mehr Zeit zum Üben hatte, habe ich tatsächlich zu Weihnachten in die Tasten gegriffen. Jetzt bin ich ein bisschen aus der Übung. Natürlich gibt es jede Menge toller Weihnachtslieder. Wenn ich gute Laune haben will, gibt es nichts Schöneres als Feliz Navidad. Wenn man ein bisschen die Magie von Weihnachten erleben möchte, dann ist natürlich der Tanz der Zuckerfee von Tschaikowsky das richtige Stück. Ab der Phase, in der es dann etwas ruhiger wird, höre ich häufig Now we are free von Hans Zimmer.
Und jetzt noch die Essensfrage: An Heiligabend Würstchen und Kartoffelsalat oder Gans?
BUSCHMANN: Bei meinen Eltern gab es immer Würstchen mit Kartoffelsalat, wie man das eben im Ruhrgebiet macht. So bin ich es gewohnt. Den Kartoffelsalat mit Mayonnaise, nicht mit Brühe. Wenn ich bei meinen Schwiegereltern am Bodensee zu Gast bin, gibt es häufiger Karpfen. Das ist auch ein leckeres Traditionsgericht.
Zur Person
Marco Buschmann, 47, war bis zum Austritt der FDP aus der Ampel Bundesjustizminister. Nun hat er für seine Partei das Amt des Generalsekretärs übernommen und soll den Liberalen aus dem Umfragetief helfen. Der Jurist gilt als begeisterter Musiker. Den Bruch der Koalition verarbeitete er in dem Stück „Gehen um zu stehen“.
Natuerlich sieht Buschmann nicht die FDP als verantwortliche. Ist ja schliesslich auch ein Lindner-Kumpel. Dass ein Amts- und Parteikollege Wissing das anders sieht, stoert ihn wenig.
Eine politische Konstellation, welche zum Scheitern verurteilt ist, muss aufgelöst werden. Unfähigkeit und Realitätsferne bringen keinen Erfolg.
Ich nehme an, Sie sprechen von der künftigen C-dominierten Bundesregierung, wahrscheinlich mit der SPD und Söder als Ghostwriter oder what ever? Dann gebe ich Ihnen natürlich recht. Dass man sich gerne auf die einschießt, die eigentlich recht haben und deren Voraussagen auch zutreffen, ist dem Phlegma und der Unvernunft der Masse geschuldet. Damit muss man leben.
Fragt sich jetzt nur wessen Richtung man leichter ändern kann, die eines Landes oder die eines Eisbergs.
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