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Bundeswehr: Reform der Bundeswehr: Pistorius kehrt mit eisernem Besen

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Reform der Bundeswehr: Pistorius kehrt mit eisernem Besen

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    Heute seien „Polen, das Baltikum und andere Länder die Ostflanke“, sagt Verteidigungsminister Pistorius beim Besuch des Truppenübungsplatzes Pabrade in Litauen.
    Heute seien „Polen, das Baltikum und andere Länder die Ostflanke“, sagt Verteidigungsminister Pistorius beim Besuch des Truppenübungsplatzes Pabrade in Litauen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Gleich am Anfang war da die Sache mit der Traueranzeige, die dem neuen Verteidigungsminister die Augen öffnete. Wenn schon der Nachruf auf einen verdienten Soldaten durch so viele hochrangige Hände ging, ohne dass jemand die letzte Verantwortung für den Text übernehmen wollte, wie sollte dann erst eine tiefgreifende Reform der Bundeswehr gelingen? Wie nötig eine solche „Zeitenwende“ ist, war ja durch den Schock des russischen Angriffs auf die Ukraine deutlich geworden. Boris Pistorius hatte das Kommando über die Streitkräfte erst kurz zuvor von seiner glücklosen SPD-Parteifreundin Christine Lambrecht übernommen, da landete der „Vorgang Traueranzeige“ auf seinem Tisch. Zuvor hatte er bereits mehrere Abteilungen im Ministerium beschäftigt. Das Hin- und Hergeschiebe von Zuständigkeit, die „Verantwortungsdiffusion“, benannte Pistorius auch Kabinettskollegen gegenüber als die wohl wichtigste Ursache dafür, dass bei der Truppe so wenig vorangeht.

    Boris Pistorius, Verteidigungsminister von Deutschland, kündigte nach seinem Amtsantritt einen Reformkurs an. Das wahre Ausmaß der Misere bei der Bundeswehr zeigt sich erst jetzt.
    Boris Pistorius, Verteidigungsminister von Deutschland, kündigte nach seinem Amtsantritt einen Reformkurs an. Das wahre Ausmaß der Misere bei der Bundeswehr zeigt sich erst jetzt. Foto: Geert Vanden Wijngaert, dpa

    Umbau unter Boris Pistorius: Generäle der Bundeswehr müssen um Posten bangen

    Mit dem Versprechen, alles anders zu machen, schaffte es der pragmatisch-zupackend wirkende Niedersachse fast aus dem Stand zum Spitzenreiter in der Liste der beliebtesten Politiker Deutschlands. Nun baut er die Führungsebene der Truppe komplett um, dabei rollen die – sprichwörtlichen – Köpfe in immer kürzeren Abständen. Das sorgt natürlich auch für Kritik. Gleichzeitig zeigt sich das wahre Ausmaß der Misere bei der Bundeswehr immer noch klarer. Pistorius hatte eingeräumt, dass selbst das vom Bundestag beschlossene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro nicht annähernd reichen werde, um die eklatanten Ausrüstungsmängel in den kommenden Jahren zu beheben. Doch der jüngste Weckruf zum Zustand der Streitkräfte erhöht den Druck auf deren Oberbefehlshaber noch einmal gewaltig. Deutschland, das legen jüngste Berichte nahe, kann seine eigenen Zusagen gegenüber den Nato-Partnern nicht oder nur bedingt einhalten.

    Wie aus einem Schreiben des Inspekteurs der Teilstreitkräfte Heer, Alfons Mais, an den neuen Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer hervorgeht, ist eine dem Verteidigungsbündnis für 2025 zugesagte Division nicht rechtzeitig startklar. „Trotz aller Bemühungen“ werde bis 2025 „nur eine bedingte Einsatzbereitschaft“ herzustellen sein. Eine Division ist ein Armee-Großverband, Deutschland hatte der Nato für 2025 einen solchen mit 16.500 Dienstposten zugesagt. Doch um diese Stärke zu erreichen, müsse das Vorhaben umgehend durch „gezielte Personalsteuerung“ priorisiert werden. Zudem fehle es an Material und Großgerät für Einsätze. 

    Lage der Bundeswehr: „Nicht ausreichend gerüstet“

    Auch das Versprechen an das Bündnis, 2027 eine weitere Division bereitzustellen, sei unrealistisch. Der geplante Verband werde „2027 nicht ausreichend mit Großgerät ausgestattet sein“, schreibt Mais. Insgesamt werde „das Heer im hochintensiven Gefecht nicht durchhaltefähig bestehen und auch seine Verpflichtungen gegenüber der Nato nur eingeschränkt wahrnehmen können“, so der Inspekteur. Das Heer ist mit rund 115.000 Soldatinnen und Soldaten die größte der drei Teilstreitkräfte der rund 183.000 Köpfe zählenden Bundeswehr – vor Marine und Luftwaffe.

    Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) mit dem neuen Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.
    Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts) mit dem neuen Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Nach seinem Amtsantritt hatte Pistorius schnell begonnen, das Verteidigungsministerium personell umzubauen. Gehen musste etwa der ranghöchste Soldat überhaupt, der langjährige Generalinspekteur Eberhard Zorn. Der genoss in der Truppe großen Respekt, so sorgte dessen Rauswurf für erstes leises Murren über Pistorius, der zuvor mit großer Begeisterung empfangen worden war. Bei der Flugabwehr hatte der frühere Innenminister von Niedersachsen einst seinen Wehrdienst abgeleistet, gerade zu den einfacheren Dienstgraden fand er schnell einen guten Draht. Doch unter Offizieren geht die Angst um, dem „eisernen Besen“ zum Opfer zu fallen, mit dem der Minister durch die Führungsetagen kehrt. 

    Wehrbeauftragte Eva Högl: Die Bundeswehr hat "von allem zu wenig"

    Gefeuert wurde auch die Leiterin des Beschaffungsamts, Gabriele Korb. Die langwierigen Prozesse, die jede Anschaffung erfordert, gelten als Hauptursache dafür, dass die Bundeswehr „von allem zu wenig“ hat. So formulierte es kürzlich die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl. Überraschen konnte es also nicht, dass Pistorius Korb rauswarf. Doch im Verteidigungsministerium kann sich niemand mehr seines Postens sicher sein. Wohl schon in der kommenden Woche will Pistorius seine Umbaupläne verkünden, nach denen 160 von 370 Stellen gestrichen werden sollen. 

    Bittere Enttäuschungen gelten als unausweichlich. Doch selbst die Bundestagsopposition bestärkt den Verteidigungsminister in seinem Kurs. Ex-Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn (CSU) sagte unserer Redaktion: „Nach einem verlorenen Jahr für die Bundeswehr packt Pistorius an. Das tut der Truppe gut.“ Bei den Beschaffungen aber brauche es „noch deutlich mehr Tempo und einen stetigen Aufwuchs des jährlichen Budgets“. Dafür streite zwar der Minister, aber auch „seine eigene Fraktion muss mitziehen, das bleibt seine größte Baustelle“, so Silberhorn.

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