Wäre die Bundeswehr ein Unternehmen wie jedes andere – sie bräuchte dringend einen Unternehmensberater. "Es bewerben sich sehr viele junge Leute", sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. "Aber die Bewerber warten oft wochenlang auf eine Reaktion." Und wenn sich dann jemand aus dem Allgäu melde und zu den Gebirgsjägern wolle, "dann darf das Karrierecenter der Bundeswehr auch nicht versuchen, ihn zur Marine zu vermitteln." Weil es solche Fälle gibt, der Apparat träge ist und die Truppe unter latentem Nachwuchsmangel leidet, fordert die FDP-Politikerin nun eine Modernisierung des Personalmanagements. "Das heißt, auf Bewerbungen sofort reagieren, jeden Monat einziehen und die neuen Rekruten auch körperlich fit machen." Außerdem müsse die Bundeswehr modern ausgestattet sein, dann sei sie einsatzbereit. Denn: "Einsatzbereitschaft ist attraktiv."
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Ihre Parteifreunde nennen sie "StraZi"
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, in der FDP kurz "StraZi" genannt, sitzt im Nebenraum einer Augsburger Konzerthalle und redet sich an diesem Vormittag schon zum zweiten Mal warm. Gerade hat die Spitzenkandidatin der Liberalen für die Europawahl eine Stunde lang das Friedens- und Freiheitsprojekt Europa beschworen, vor Wladimir Putins imperialen Fantasien gewarnt und zur wirtschaftlichen Emanzipation von China aufgerufen – nun seziert sie im Gespräch mit unserer Redaktion die Nöte der Bundeswehr, die die FDP nicht mit einer neuen Wehrpflicht lindern will, sondern mit Freiwilligen und dem Reaktivieren von Reservisten.
"Wir haben in Deutschland ungefähr 900.000 Reservisten, die jünger sind als 65 Jahre", sagt sie. "Sie waren als Wehrpflichtige oder Zeitsoldaten mal aktiv. Nach dem Weggang von der Bundeswehr sind sie vom Radar verschwunden." Diese Menschen würde sie gerne anschreiben und sie zu einer Wehrübung einladen. "Wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht, aber ich denke, dass wir bis zu 400.000 Reservisten aktivieren könnten und denen könnte man dann regelmäßige Übungen anbieten." Diese Reservisten sollen im Falle eines Falles aber nicht im Schützengraben kauern. "Ihre primäre Aufgabe läge darin, sich im Heimatschutz einzubringen. Wenn die Soldaten und Soldatinnen bei Gefahrenlage im Baltikum gebraucht würden, dann könnten sie an deren Stelle zu Hause wertvolle Unterstützung leisten. In der Verwaltung, als IT-Spezialist, als Elektriker." Eine solche Reserve, so Strack-Zimmermann, "wäre ein großes Pfund für die Bundeswehr."
Wiedereinführung der Wehrpflicht auch für Pistorius nur das letzte Mittel
Es sind turbulente Tage für die Bundeswehr, die noch immer darauf wartet, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius seine Reformpläne vorlegt, von denen bisher nicht viel mehr bekannt ist, als dass auch er eine Wiedereinführung der Wehrpflicht inzwischen nur noch als letzte Möglichkeit begreift. Zu groß ist der Widertand der Koalitionspartner, zu groß auch der des Kanzlers und in Teilen der SPD. Marie-.Agnes Strack-Zimmermann aber wird das Ergebnis der Debatte schon aus der Ferne verfolgen, weil sie nach der Europawahl ins EU-Parlament wechselt. Aber soll sie sich deswegen zurücknehmen? Gerade erst hat sie Olaf Scholz vorgeworfen, sein Verhalten trage geradezu autistische Züge. Und auch beim Thema Bundeswehr lässt sie nicht locker.
"Was der Minister konkret plant, weiß ich nicht.", sagt sie. "Er hat bisher nur angekündigt, aber nicht geliefert." Anreize wie einen kostenlosen Führerschein, von denen jetzt die Rede ist, seien ja nichts wirklich Neues. "Zu Zeiten der allgemeinen Wehrpflicht war es gang und gäbe, dass die Soldaten einen Führerschein bei der Bundeswehr machen konnten. Besonders beliebt war Führerscheinklasse zwei, der für schwere Lastzüge." Zurück zur Wehrpflicht aber will sie auf keinen Fall. "Wir haben keine Kasernen mehr, wir haben keine Ausbilder mehr, wir haben kein Material mehr und wir haben keine Kreiswehrersatzämter mehr." Ganz zu schwiegen von den zehn Milliarden im Jahr, die das nach Berechnungen der FDP kosten würde – und das zehn Jahre lang.
Auf ihren Plakaten firmiert sie als "Oma Courage"
Auf den Plakaten für die Europawahl firmiert sie mal als "Eurofighterin", mal als "Oma Courage" – schließlich hat die 66-Jährige einen Ruf als Mitglied im Verein für deutliche Aussprache zu verteidigen. Die Diplomatie ist ihres nicht, sondern das direkte, gerne auch polarisierende Wort. Über den nordkoreanischen Machthaber Kim Yong Un etwa sagt sie in Augsburg, der habe "nicht mehr alle Latten am Zaun." Und die EU? Bestehe aus 27 Ländern, "die sich jahrhundertelang die Schädel eingeschlagen haben." Dass man sie als "Kriegstreiberin" attackiert? Geschenkt. "Mir würde was fehlen", hat sie gerade bei einem Auftritt in Hamburg gesagt und den Zwischenrufern entgegnet: "Es gibt Freitickets nach Moskau. Da seid ihr schneller im Bau, als ihr gucken könnt."