Nachdem Frauen bereits seit zwei Dutzend Jahren in der Bundeswehr Dienst an der Waffe leisten dürfen, soll nun der nächste Schritt folgen: die Wehrpflicht für Frauen. Der verpflichtende Dienst ist derzeit ausgesetzt, Verteidigungsminister Boris Pistorius prüft allerdings eine Reaktivierung. Bislang gilt die Wehrpflicht laut Verfassung nur für Männer. Die CDU will das ändern und die Wehrpflicht auf Frauen ausdehnen. Mit dem Wehrdienst würde es dann auch wieder einen Zivildienst in Deutschland geben. Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) sprach sich ebenfalls für eine Frauen-Wehrpflicht aus.
Die Wehrpflicht wurde nach der Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 eingeführt und ins Grundgesetz geschrieben, in Artikel 12a sind ausdrücklich nur Männer genannt. Die Regelung wurde 2011 per Abstimmung vom Bundestag ausgesetzt. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und einer insgesamt veränderten Sicherheitslage will Verteidigungsminister Boris Pistorius bis Ende des Monats einen Vorschlag für die Reaktivierung unterbreiten. Dem SPD-Politiker fehlen etwa 20.000 Soldatinnen und Soldaten, um die Truppe auf die Sollstärke von rund 200.000 Einsatzkräften zu bringen.
CDU will Wehrpflicht für Frauen und Männer
Die CDU plädiert für eine "Kontingent-Wehrpflicht in einer Übergangsphase", wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther unserer Redaktion sagte. Hintergrund ist, dass die Bundeswehr keinen kompletten Jahrgang aufnehmen könnte – es fehlen Kasernen, die Kreiswehrersatzämter in ihrer alten Form sind aufgelöst, sie nennen sich heutzutage Karrierecenter. "Die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beantworten wir damit, dass die Wehrpflicht für Männer und Frauen gelten muss", ergänzte Günther, der einen entsprechenden Beschluss des Bundesparteitags maßgeblich vorangetrieben hat. Die Wehrpflicht gilt demnach als "Übergangsmodell hin zu einer allgemeinen Dienstpflicht".
Für die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, gehört die alte Form der Wehrpflicht "in die Geschichtsbücher". Es wäre nicht mehr zeitgemäß, "nur junge Männer in den Blick zu nehmen", sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion. Bei der jetzigen Debatte müsse es um neue Konzepte und um einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz gehen. "Dabei darf dann auch nicht mehr nach Geschlechtern unterschieden werden. Für unsere Verteidigung brauchen wir Männer und Frauen gleichermaßen in der Bundeswehr."
Grüne und FDP sind skeptisch
Frauen durften nach der Bundeswehrgründung zunächst nur in der zivilen Wehrverwaltung, später im Sanitäts- und Musikdienst arbeiten, nicht aber Dienst an der Waffe leisten. Im Januar 2000 entschied der Europäische Gerichtshof, dass dies gegen den Gleichstellungsgrundsatz verstoße. Eine Grundgesetzänderung folgte, seitdem ist die Bundeswehr uneingeschränkt für Frauen geöffnet. Eine Wehrpflicht gibt es für sie aber nicht, ausgenommen sind ehemalige Soldatinnen – sie sind nach dem Soldatengesetz dienstleistungspflichtig. Wenn die Wehrpflicht also grundsätzlich für Männer wie Frauen gleichermaßen gelten soll, muss der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz entsprechend ändern.
Grüne und FDP stehen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht skeptisch gegenüber. Expertinnen wie die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verweisen auf die volkswirtschaftlichen Belastungen, die durch einen solchen Schritt entstehen könnten, und würden das Geld stattdessen lieber in die Ausstattung der Armee investieren. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Ich glaube nicht, dass die Wehrpflicht gebraucht wird."