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Bundestagswahl: Das irre Rennen um Angela Merkels Erbe – Momente eines Wahlkampfs

Es war ein verrückter Wahlkampf um die Nachfolge von Angela Merkel. Wir blicken zurück.
Bundestagswahl

Das irre Rennen um Angela Merkels Erbe – Momente eines Wahlkampfs

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    Es ist ein Wahlkampf, wie ihn Deutschland lange nicht erlebt hat. Hochnervös ist die Stimmung, verpasste Chancen stehen einer schier unglaublichen Aufholjagd gegenüber. Über weite Strecken wird das Ringen um die Wählerstimmen von Stimmungen getragen – und wird damit unberechenbar. Ein Rückblick auf aufregende Wochen und was wir heute daraus lernen können:

    Der Scherbenhaufen Wer die Lage der SPD von heute verstehen will, muss in die Vergangenheit reisen. Am Abend des 24. September 2017 steht die Partei vor einem Scherbenhaufen. Mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat fährt sie ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein. 20,5 Prozent, ein Schock für die stolze SPD, die mit Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder drei Bundeskanzler stellte. Schlimmer könne es nicht mehr kommen, sind führende Sozialdemokraten überzeugt. Sie irren. Die Umfragewerte rauschen immer tiefer in den Keller, die SPD versinkt in Richtungsstreit und Führungschaos. Als eine Doppelspitze gesucht wird, erfährt Olaf Scholz die größtmögliche Demütigung. Nicht ihn und seine Tandempartnerin Klara Geywitz wählt die Partei, sondern das linke Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Soll man bei Zustimmungswerten von gerade mal 15 Prozent überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellen? Die SPD tut es trotz aller Bedenken – und nominiert mit Scholz ausgerechnet den Mann, den sie als Parteichef nicht haben wollte.

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    Die Marke Laschet
    Die Marke Laschet Foto: dpa

    Armin Laschet hat gewonnen. Er ist jetzt CDU-Chef – und das hat er auch seinem Vater zu verdanken. Heinrich „Heinz“ Laschet war Bergmann. Tag für Tag fuhr er in die Dunkelheit hinunter. Eine kleine Metallscheibe wurde dabei zur Lebensversicherung. Zum Schichtende hängte jeder Kumpel seine Erkennungsmarke an einen Nagel – als Beleg dafür, dass er wohlbehalten wieder herausgekommen ist. Die Plakette erinnert

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    Grüne Hoffnungen
    Grüne Hoffnungen Foto: dpa

    „Liebe Annalena, bitte, die Bühne gehört dir.“ Diese Worte spricht Robert Habeck Mitte April, nachdem er seinen persönlichen Kampf um das Kanzleramt verloren hat. An diesem Montag im Frühling ist nichts davon zu spüren, wie hart es für den Politik-Philosophen war, dass Annalena Baerbock die Grünen in den Wahlkampf führt. Waren Annalena und Robert nicht das Traumpaar der deutschen Politik gewesen? Sie die Macherin, er der Kopf für ein neues Miteinander? Vor Ostern hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie es macht – Kanzlerkandidatin. Ihr wichtigstes Argument: Sie ist eine Frau und Frauen haben bei den Grünen Vortritt. So sieht es das Parteistatut vor. So lautet auch die Wahlkampflogik, wenn die beiden Gegenkandidaten ältere Herren sind. Dass der freie Fall in der Gunst der Wähler und Wählerinnen so nah sein soll, das können sich weder Baerbock noch Habeck in diesem Moment vorstellen. „Ja, ich war noch nie Ministerin, Kanzlerin“, sagt Baerbock. Aus ihrem Gesicht spricht Freude und Zuversicht. „Ich bringe einen klaren Kompass und Lernfähigkeit mit.“ In dem Moment glaubt das die Öffentlichkeit. In einer Umfrage springen die Grünen auf 30 Prozent, ziehen an der Staatspartei CDU vorbei und sind doppelt so stark wie die alte Tante SPD. Drei Tage nach der Kür lässt Habeck tief in sich blicken. „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht“, gesteht er der Zeit.

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    Der Wahlkampf-Manager Frank Stauss hat schon viele Wahlkämpfe begleitet. In den 90er Jahren begann er als Politstratege und Wahlkampfberater, in seinem Lebenslauf findet sich manch großer Name, dem er zu noch größerer Aufmerksamkeit verholfen hat: Wowereit, Schröder, Steinbrück, Kraft, Dreyer. „Höllenritt Wahlkampf“ hat er ein Buch tituliert. Wie blickt einer wie er auf die vergangenen Wochen? „So einen Wahlkampf haben wir alle noch nicht erlebt“, sagt Stauss. Das liege aber auch daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen historisch betrachtet tatsächlich einmalig seien: Die Amtsinhaberin tritt nicht wieder an. Viele hätten erst im Sommer so richtig realisiert, dass Angela Merkel nicht mehr zur Wiederwahl stehe. Und deshalb wurde genauer hingeschaut. „So ein Wahlkampf wird von den Wählern immer auch gesehen als ein Stresstest, eine Art Probelauf für die Kandidaten auf dem Weg ins Kanzleramt“, betont der Experte. Jedes Stolpern wird registriert, jede Miene gespeichert. Doch am schwersten wiegen für Stauss die handwerklichen Fehler. Üblicherweise beginne die Planung eines Wahlkampfes mindestens ein Jahr vor einer Wahl. Die SPD habe sich diesen klaren Rahmen auch gegeben: Scholz wurde schon im August 2020 von der SPD nominiert. „Die CDU hat sich in dieser Zeit Kämpfe um den Parteivorsitz und um die Kanzlerkandidatur geliefert, sagt Stauss. „Laschet war nicht nur beschädigt, ihm lief auch die Zeit davon. Wahlkampf ist immer auch Handwerk.“

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    Die Schlacht Am 20. April ist es nach neun nervenaufreibenden Tagen vorbei für Markus Söder. In zwei Nachtsitzungen vermasseln ihm die CDU-Granden, allen voran Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier, den Traum von der Kanzlerkandidatur. Hinterher wird Söder davon reden, dass er der Schwesterpartei CDU doch nur ein „Angebot“ gemacht habe. Tatsächlich ist es eine Kampfansage an das von Richtungskämpfen zermürbte CDU-Establishment gewesen. Laschet und Söder hatten es versäumt, sich gütlich zu einigen. Wahrscheinlich haben sie es – allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz – gar nicht erst versucht. Deshalb prallten die Rivalen, die doch eigentlich Partner sein sollten, ungebremst aufeinander. Söder hatte gehofft, die CDU-Basis hinter sich zu bringen. Laschet gelang es gerade noch rechtzeitig, den CDU-Vorstand hinter sich zu bringen. Dann erst gab Söder auf. „Die Würfel sind gefallen“, sagte der Bayer. Doch er tut sich erkennbar schwer, seinen Frieden damit zu machen. Jedenfalls gibt er sich in den kommenden Monaten wenig Mühe zu verhehlen, dass er sich für den besseren Kandidaten gehalten hätte.

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    Das Lachen
    Das Lachen Foto: Marius Becker, dpa

    Im Juli muss Laschet als Krisenmanager ran. Sein Bundesland wird mit unfassbarer Wucht von der Flutkatastrophe getroffen. Viele Menschen sterben. Der Ministerpräsident sagt seine Reise nach Bayern ab. Er will nach Hause, will seinen Landsleuten in Nordrhein-Westfalen beistehen. Manche sprechen von einem Gerhard-Schröder-Moment. Der SPD-Kanzler hatte sich 2002 bei der Flut in Ostdeutschland als Macher in Gummistiefeln in Szene gesetzt – und wurde wiedergewählt. Doch Laschet geht unter. Es ist diese eine einzige Szene, die er bis zum Ende des Wahlkampfes nicht mehr loswerden wird: Während der Bundespräsident über die Opfer der Katastrophe spricht, scherzt der CDU-Chef im Hintergrund, biegt sich vor Lachen. Kameras halten den Augenblick fest. Innerhalb weniger Stunden kennt das ganze Land die Bilder. Es ist ein Desaster für Laschets Image. Und der Beginn eines denkwürdigen Absturzes.

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    Die Wende Der Tag, an dem die Umfrageinstitute zum ersten Mal Scholz an Nummer 1 stehen, ist der 24. August. Knapp einen Monat vor der Bundestagswahl liegt die SPD erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten wieder in einer Umfrage vor der Union. Ein gutes Jahr zuvor hatte die SPD allen hämischen Unkenrufen zum Trotz eben doch einen Kanzlerkandidaten ausgerufen. Die linke Spitze und ihr junger Kronprinz Kevin Kühnert hatten mit Scholz ein Zweckbündnis geschmiedet. Nun zahlt sich das aus. Direkt nach der Scholz-Nominierung hatte die SPD bei 18 Prozent gelegen – das war halb so viel wie die Union. Nun hat sich das Blatt gewendet.

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    Der Schlafwagen Zu den vielen kleinen Gemeinheiten, die Armin Laschet in diesem Jahr aus Bayern ertragen muss, gehört die Aussage von Markus Söder, es gehe nicht darum, „mit dem Schlafwagen ins Kanzleramt zu fahren“. Wieder so ein Bild, das sich in den Köpfen festsetzt. Söder als dampfende, PS-starke Lokomotive auf der einen Seite, Laschet als lethargischer Passagier im Schlafwagen auf der anderen. Tatsächlich kommt der Kanzlerkandidat der Union erstaunlich spät in die Gänge. Lange geht das gut, Laschet profitiert von den Schwächen der anderen. Doch das reicht auf Dauer nicht. Als er dann doch noch Gas gibt, gerät der 60-Jährige immer wieder ins Schleudern. In Interviews oder den Triellen mit Baerbock und Scholz versucht Laschet zu attackieren, wirkt aber oft gereizt und genervt. Sein bester Auftritt gelingt ihm ausgerechnet in Söders Wohnzimmer. Beim CSU-Parteitag hält er eine beherzte Rede – und kann zumindest den Absturz in den Umfragen stoppen. Noch rechtzeitig?

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    Die Umfragen
    Die Umfragen Foto: Daniel Karmann, dpa

    Wie steht’s? Wer vor einer Wahl der Bevölkerung den politischen Puls messen will, setzt auf Umfragen. Die Ausschläge glichen diesmal eher einer Fieberkurve, bei der jederzeit mit dem Ableben des Patienten gerechnet werden musste. „Ich habe mir eigentlich abgewöhnt, mich von irgendetwas überraschen zu lassen“, sagt Manfred Güllner, Chef des wichtigen Umfrage-Instituts Forsa. „Aber diese starken Umschwünge in der politischen Stimmung waren sehr ungewöhnlich.“ Zu Beginn der Corona-Pandemie habe die Union durch die Politik von Kanzlerin Merkel, Gesundheitsminister Spahn und Ministerpräsident Söder viel Zuspruch erfahren. „Abgestürzt ist sie eigentlich erst, als sie sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt hat“, sagt Güllner. Gerade in einer Krise erwarten die Menschen, dass die Regierung sich um die echten Probleme kümmert. „Aber am unerwartetsten war für mich der Aufstieg der SPD und die Tatsache, dass offenbar frühere CDU-Wähler zur SPD gehen – denn nur dadurch lassen sich deren Erfolge erklären.“ Umfragen zeigten, dass die Nominierung von Armin Laschet unzufriedene Unionswähler zunächst zu den Grünen und dann, als Baerbock mit Fehlern von sich reden machte, zurück zur Union und schließlich weiter zur SPD mäandern ließ. Eine wahre Achterbahn der politischen Stimmung. „Das war für mich das Charakteristikum dieser Wahl“, resümiert der Meinungsforscher Güllner.

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    Die Gescheiterte
    Die Gescheiterte Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Es braucht ein großes Selbstvertrauen, um sich als 40-Jährige hinzustellen und laut zu sagen: „Ich will Kanzlerin werden.“ Noch größer muss das Selbstbewusstsein sein, wenn die eigene Partei bislang zu den kleineren gehörte. Annalena Baerbock hat es getan. Doch binnen sechs Wochen verwelkt das Versprechen auf einen Neubeginn. Baerbock beschädigt sich selbst schwer durch Fehler – nicht gemeldete Einkünfte, ein aufgeblasener Lebenslauf, ein zusammengeschustertes Buch. Ihr Selbstbewusstsein hatte sich zu Selbstüberschätzung erhöht. Dabei leistet sie sich immer wieder Patzer, die auf mangelnde Konzentration und Vorbereitung schließen lassen. Als sie nach langer Durststrecke gemeinsam mit dem von ihr verdrängten Robert Habeck ihrer Kampagne in einem Moor nördlich von Berlin einen Neustart verpassen will, wähnt sie sich im Oderbruch. Der liegt aber viel weiter östlich an der Grenze zu Polen. Habeck dreht sich weg ob des Schnitzers, blickt in das Grün der Baumkronen und weiß nicht wohin mit sich. Seine Reaktion ist wie die Quintessenz der Baerbock-Kampagne. Sie hat Talent, aber ihr und ihrem Stab unterlaufen zu viele vermeidbare Schnitzer. In den Triellen in der Schlussphase des Wahlkampfes zeigt sie, dass sie mit den gestandenen Profis Scholz und Laschet mithalten kann. Doch da hatte sie ihr Momentum schon eingebüßt. Eigentlich weiß sie es schon Mitte Juni, als ihr auf einem Parteitag die Rede misslingt. „Scheiße“, sagt sie, als sie von der Bühne geht und das Mikro noch an ist.

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    Das lange Leiden Die CSU leidet, seit ihrem Parteichef der Griff nach der Kanzlerkandidatur verweigert wurde. Schon an dem Tag, als Söder seinem unionsinternen Widersacher den Vortritt lassen musste, ernannte

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    Der Absturz Es ist ein lauer Spätsommerabend. Grünen-Urgestein Claudia Roth kämpft in Augsburg um ein Direktmandat, hat die Kanzlerkandidatin in ihre Stadt eingeladen. Auch sie hätte davon profitiert, wäre der Annalena-Hype nicht so schnell verflogen. Roth setzt darauf, dass die Wählerinnen und Wähler die frühe Schwächephase vergessen oder verdrängt haben und an die souveräne Politikerin aus den Triellen im Fernsehen denken. „Unsere grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat in den letzten Wochen des Wahlkampfes gezeigt, dass sie die kompetente Alternative zu den Herren Laschet und Scholz ist“, sagt die frühere Parteichefin Roth. Tatsächlich wirkt Baerbock beinahe befreit, seit sie die Favoritenbürde los ist. Doch die Grünen hadern mit ihrer verpatzten, vielleicht einmaligen Chance. Roth hofft, dass die Meinungsforscher danebenliegen und als Indikator dafür dienen ihr Wahlkampfauftritte wie der in

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    Das rote Wunder
    Das rote Wunder Foto: dpa

    „Mich hat am meisten überrascht, dass die Hoffnung und Prophezeiung von Olaf Scholz tatsächlich in Erfüllung gegangen ist“, sagt Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Politischen Akademie Tutzing. „Das hätte ich vor vier Monaten noch für relativ unwahrscheinlich gehalten – vor allem in diesen Dimensionen.“ Doch sie gießt auch Wasser in den Wein: Die plötzliche Stärke der Sozialdemokraten habe viel mit der Schwäche der Grünen zu tun. „Daran, dass die Grünen die Kanzlerin stellen könnten, habe ich persönlich nie geglaubt“, sagt Münch. Überhaupt: Die Umfragewerte seien für die Grünen ohnehin immer besser als die tatsächlichen Wahlergebnisse. „Je näher der Wahltermin kommt, desto skeptischer werden die Leute, ob sie wirklich gegen ihre eigenen Interessen wählen sollen“, sagt die Politik-Expertin. Allerdings sei genau daraus ein Teil der Probleme ausgerechnet für die Union gewachsen: Gegen eine starke Annalena Baerbock hätten CDU und CSU viel massiver mobilisieren können als gegen einen Vizekanzler Olaf Scholz, der sich selbst in der Mitte des politischen Spektrums verortet. Sollte die SPD am Sonntag tatsächlich das Rennen klar gewinnen, sei damit auch das weitere Schicksal von Armin Laschet besiegelt. „Da muss sich dann die CSU gar nicht mehr zu Wort melden – das erledigt dann die CDU selbst“, sagt Münch. Wenn es hingegen ein knappes Ergebnis gebe und Laschet zumindest die Chance auf eine Koalition hat, ist die Gemengelage komplizierter. „Ich glaube, dass die CSU dann eher für klare Verhältnisse ist und nicht dabei zusehen will, wie sich Armin Laschet doch noch ins Kanzleramt hineinschleppt“, sagt Münch.

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    Der Schlüssel zum Erfolg Für SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ist der Schlüssel zur erfolgreichen Aufholjagd die neue Geschlossenheit. „Die Parteibasis hat mit der Wahl von Saskia Esken und mir als Parteivorsitzende ein deutliches Signal dafür gesetzt, bei der Meinungsbildung auf der Bundesebene stärker einbezogen zu werden“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Ganz entscheidend sei gewesen, „dass wir Schluss gemacht haben mit dem Alphatier-Gehabe, das die gemeinsamen Ziele oft überlagert hat.“ Der Schulterschluss in der Führung habe für ein ganz neues Zusammengehörigkeitsempfinden gesorgt. Walter-Borjans: „Da stehen jetzt keine Kontrahenten in zwei Ecken eines Raumes, sondern alle stehen zusammen.“ Scholz sei bewusst sehr früh nominiert worden. „So konnten wir die Zeit für eine wirklich breite Beteiligung am Wahlprogramm nutzen: Tausende Parteimitglieder und auch externe Interessierte haben dazu beigetragen.“ Kein Zweifel: Scholz ist der Überraschungssieger dieses Wahlkampfes. Doch erst einmal muss er den knappen Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel retten. Zieht Laschet doch noch gleich oder sogar an ihm vorbei, könnte der SPD-Kandidat am Ende trotz seiner Aufholjagd mit leeren Händen dastehen. Schmiedet die Union ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen, landet die wiederauferstandene SPD in der Opposition.

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    Der Abschluss
    Der Abschluss Foto: Matthias Balk, dpa

    Noch einmal alle Register ziehen, noch einmal das Schreckgespenst einer linksgeführten Bundesregierung an die Wand malen – darum geht es den Spitzen von CDU und CSU am Freitagabend bei der bayerischen Schlusskundgebung im Festsaal auf dem Münchner Nockherberg. Nicht Politiker-Doubles wie beim Starkbieranstich, sondern die Originale stehen auf der Bühne. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Parteichefs Armin Laschet und Markus Söder zeigen sich entschlossen und geschlossen, der in allen Umfragen vorne liegenden SPD den ersten Platz nicht kampflos zu überlassen. Merkel beschwört die erfolgreiche Vergangenheit mit den CSU-Chefs Theo Waigel und Edmund Stoiber, bei der Erringung der deutschen Einheit und beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit: „Es ist eben nicht egal, wer regiert.“ Sie schmeichelt Bayern und Markus Söder: „Bayern zeigt seit vielen Jahren, dass es nicht egal ist, wer regiert.“ Und sie bleibt bei diesem Motto, um vor Rot-Rot-Grün zu warnen: Wenn es Steuererhöhungen, höhere Staatsverschuldung, eine europäische Schuldenunion gebe, dann würden die Bürger in diesem Land merken, dass es nicht egal ist, wer regiert. „Damit Deutschland stabil bleibt, muss Armin Laschet Bundeskanzler werden“, sagt Merkel. 

    Söder – von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak „als absolutes politisches Schwergewicht angekündigt“ – stößt in dasselbe Horn: „Deutschland darf nicht zum Spielfeld linker Experimente werden.“ Die CSU sei deshalb „sehr dafür“, dass Laschet Kanzler werde, sagt Söder und trommelt für Optimismus im Schlussspurt: „Ja, es wird eng. Ja, es wird so knapp sein wie nie. Aber: Ja, wir werden am Sonntagabend die SPD noch abfangen und das Spiel in Deutschland drehen.“ Auch Laschet greift auf das bewährte Muster zurück, warnt vor Rot-Rot-Grün. Dass der SPD-Politiker Kevin Kühnert von einem Mitgliederentscheid in der SPD über eine Koalition spreche, müsse ein Warnsignal sein: „Das ist die Kampfansage. An Olaf Scholz´ Stelle würde ich da ganz vorsichtig sein.“ Gleichzeitig beschwört er die Einigkeit mit Söder: „Jetzt stehen wir zusammen – Markus und ich.“ Und er kündigt der politischen Konkurrenz an: „Ich sage jedem Koalitionspartner: Zieht euch warm an. Armin und Markus , das wird ein tolles Team.“ Dieses Team werde „unschlagbar“ sein.

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