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Boris Pistorius im Check: Besserer Kanzlerkandidat? Wann entscheidet die SPD?

Bundestagswahl 2025

Wäre Boris Pistorius wirklich der bessere Kanzlerkandidat für die SPD?

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    Mit Schal, aber nicht verkleidet: Boris Pistorius punktet auch durch Volksnähe, die nie gespielt wirkt.
    Mit Schal, aber nicht verkleidet: Boris Pistorius punktet auch durch Volksnähe, die nie gespielt wirkt. Foto: Friso Gentsch, dpa

    Sein Job gilt als einer der gefährlichsten Schleudersitze, die Berlin zu bieten hat. Und dennoch ist ausgerechnet der Bundesverteidigungsminister seit Jahren populärster Politiker der Republik. Boris Pistorius verkörpert für viele Menschen eine schwer zu greifende Hoffnung. Doch wäre der Kanzlerkandidat der Herzen tatsächlich ein guter Regierungschef? Oder könnte die Seifenblase auch ganz schnell zerplatzen, wenn es ernst wird?

    Wer das Phänomen Pistorius verstehen will, muss den Mann dort erleben, wo er sich zu Hause fühlt. Das in die Jahre gekommene Fußballstadion des VfL Osnabrück an der Bremer Brücke ist wie sein prominentester Fan: wenig Glamour, dafür umso mehr Bodenständigkeit. Pistorius ist gerne Gast auf der Tribüne, trägt dann selbstverständlich VfL-Schal und wirkt dabei, anders als viele seiner Kollegen aus der Politik, nicht verkleidet. Die Leute nehmen diesem Mann ab, dass er einfach gerne mal bei Bratwurst und Bier ein Fußballspiel anschaut, auch wenn der VfL inzwischen mal wieder in den Niederungen der 3. Liga herumkrebst.

    Boris Pistorius vs Scholz: Pistorius muss Bodenständigkeit nicht spielen

    Die Volksnähe muss der Mann, der mit seinen zwei Brüdern im Arbeiterviertel Schinkel aufgewachsen ist, nicht spielen. Das kommt auch in seinem Hauptberuf an: Als Chef der Bundeswehr hat sich der Niedersachse schnell Ansehen erarbeitet. Klar, am Anfang genügte es schon, dass Pistorius nicht Christine Lambrecht war. Doch schon bald spürten sie in der Truppe, dass sich der neue „Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“, wie der Verteidigungsminister im Bundeswehrsprech genannt wird, tatsächlich für die Belange der Soldatinnen und Soldaten interessiert.

    Pistorius weiß, worauf es ankommt, wenn man hier akzeptiert werden will. Und das heißt eben, weder alles besser wissen zu wollen, noch sich anzubiedern. Weil er keine Angst davor hat, etwas falsch zu machen, macht er Vieles richtig. Dabei hat sich der SPD-Politiker durchaus mächtige Gegner innerhalb des Apparates gemacht, einflussreichste Posten neu besetzt. Er stellt sich hinter seine Truppe, fordert sie mit seiner forschen Art aber auch - etwa, als er im Alleingang verkündete, die Bundeswehr werde eine Brigade mit 4000 Soldaten dauerhaft nach Litauen entsenden, um dort die Nato-Ostgrenze zu schützen. Das klang entschlossen und machte bei den Partnern im Verteidigungsbündnis durchaus Eindruck. Intern allerdings blieben vor allem Irritationen. Eine Antwort darauf, wie das logistisch und personell funktionieren soll, ist Pistorius jedenfalls bis heute schuldig geblieben.

    Droht Pistorius als Kanzlerkandidat der SPD das Schicksal des Martin Schulz?

    Genau an solchen Punkten setzen Kritiker an. Seine Praxistauglichkeit wird der Publikumsliebling erst beweisen müssen, sollte die SPD tatsächlich auf ihn als Kanzlerkandidat setzen. Ist er vielleicht doch besser in der zweiten Reihe aufgehoben? Viele Sozialdemokraten erinnern an den legendären „Schulz-Zug“, der ein paar Monate lang mit atemberaubendem Tempo durch Deutschland gebraust war, doch am Ende als Bimmelbahn in den Zielbahnhof stotterte.

    Das Desaster des erst gefeierten und dann vom Hof gejagten Martin Schulz bei der Bundestagswahl 2017 lässt sich allerdings nur bedingt mit der Situation von Pistorius vergleichen. Anders als Schulz hat er schon gezeigt, dass er im Berliner Haifischbecken überleben kann, Stichwort Schleudersitz. Zudem ist die Strecke bis zum Wahltag im Februar nicht so elend lang wie damals. Nach Weihnachten bleiben bloß ein paar Wochen Wahlkampf. Und natürlich müsste Pistorius dann als Kanzlerkandidat plötzlich Fragen beantworten, auf die er womöglich heute noch nicht vorbereitet ist. Wie will er die Wirtschaft wieder in Schwung kriegen, welche Lösungen hat er in der Migrationspolitik, was wird aus dem Bürgergeld und wie lassen sich die Haushaltslücken schließen? Und nicht zuletzt: Wie passt seine klare Haltung zur militärischen Unterstützung der Ukraine zur Haltung großer Teile der SPD?

    Bilanz von Boris Pistorius bisher: Als Oberbürgermeister und Minister hat er geliefert

    Klar, der 64-Jährige müsste sich dann schnell in viele neue Themen einarbeiten. Aber dass er kein politisches One-Hit-Wonder ist, hat er bereits als Oberbürgermeister von Osnabrück und Innenminister in Niedersachsen bewiesen. Und: Er wäre uneitel genug, um sich für Themengebiete, in denen er selbst nicht liefern kann, starke Köpfe an seine Seite zu holen. Hinzu kommt: Anders als Schulz damals müsste Pistorius es ja nicht mit einer halbwegs populären Amtsinhaberin Angela Merkel aufnehmen, sondern mit einem in weiten Teilen der Bevölkerung eher geduldeten als geliebten Oppositionschef Friedrich Merz. Dem CDU-Vorsitzenden dürfte ein Kandidatentausch der SPD auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl jedenfalls mindestens genauso schlimme Bauchschmerzen bereiten wie dem dann in Rente geschickten Kanzler.

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    14 Kommentare
    Raimund Kamm

    Ein guter Meinungsartikel! Doch: >>Wie will er die Wirtschaft wieder in Schwung kriegen, << Diese Deutung unserer Wirtschaft fußt auf dem Wachstumswahn, wonach nur eine wachsende Wirtschaft funktioniere. Dabei müssen wir die Wirtschaft in Balance bringen. Übertriebener Konsum verschwendet Rohstoffe und erzeugt zu viele unverdauliche Abfälle. Unsere Erde wird durch unser heutiges Wirtschaften geplündert und verdreckt. Und die volkswirtschaftlichen Fakten zu Deutschland? Unsere Wirtschaft produziert (gemessen am preisbereinigten BIP, Bruttoinlandsprodukt) so viel wie nie zuvor. Im Jahr 2023 sank das BIP geringfügig um 0,3 %. Die Zahl der Erwerbstätigen ist auf Rekordniveau. Unsere Preise sind nach dem Ausschlag durch die Energiekrise 2022 wieder fast stabil. Die Außenhandelsbilanz der Dienstleistungen und Waren ist weiter positiv. Die Börsenkurse sind auf historischem Höchststand. Allerdings wird unsere Einkommens- und Vermögensverteilung immer ungerechter.

    Hans Meixner

    Interessant wie die SPD jetzt ihren "Kanzlerkandidaten" demontiert. Das zeigt doch, dass diese Partei nicht in der Lage, ist konstruktiv zu arbeiten. Es gab noch nie seit Bestehen der BRD so einen schwachen Kanzler wie Scholz. Seine Partei hat es nicht fertiggebracht Ihn in fast 3 Jahren, diesen Mann dazu zu bewegen, dass er "Kante" zeigt, wenn's darauf ankommt. Pistorius ist ganz klar ein beliebter Politiker., ob er allerdings das Zeug zum Kanzler hat, hat er noch nicht bewiesen oder beweisen können. Daher ist auch die aktuelle Diskussion in der Partei unnötig und gefährlich.

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    Walter Koenig

    Wie kann man nur so unrealistisch sein wie Sie, Herr Meixner. Wo hätten denn Sie als Kanzler der Ampel mal "Kante" gezeigt? Das können Sie nur dann machen, wenn Sie für ein bestimmtes Vorhaben auch andere Mehrheiten als die Ihrer Koalition hätten. Aber CDU und CSU haben all die Jahre nur die Ampel schlecht geredet und für Dinge verantwortlich gemacht, die sie selber verbockt haben. Wenn Sie dann in einer Koalition mal "Kante" zeigen wollen, dann erklärt Ihnen zum Beispiel ein Herr Lindner, dass er und die FDP das Vorhaben nicht mittragen. Aber ohne Mehrheiten nutzt auch "Kante" zeigen herzlich wenig. Ein Söder oder ein Merz würden da genauso machtlos dastehen wie es Scholz war. Abgesehen davon ist die Außendarstellung von Pistorius weit besser als die von Scholz. Und Außendarstellung ist den Wählern offenbar wichtig. Oder warum bekommt Söder so viel Zuspruch, obwohl er keine politischen Leistungen vorweisen kann, nur Sprüche? Die klopft ein Pistorius nicht, der macht!

    Maria Reichenauer

    Hätte Scholz "Kante" gezeigt, ständig rumgebrüllt und Krach öffentlich ausgetragen, würde man ihm vorwerfen, dass er ein elender Macho sei. Also wie man es macht, ist es nicht richtig. Und wie sich Scholz hinter den Kulissen gezeigt hat, wissen wir nicht. Dass man Lindner mit seinem Riesen-EGO nicht einbremsen konnte und der immer sein eigenes Süppchen gekocht hat, kann man Scholz nicht anlasten. Dass Schreihälse und Bierzeltredner wie Söder oder Aiwanger besser dastehen, ist nicht nachvollziehbar – können vielleicht manche Menschen besser hören als denken? Vielleicht ist das so, ich will es nicht behaupten, aber es gibt Anzeichen dafür.

    Peter Zimmermann

    Ich gebe Ihnen recht manchen sollte man sagen das Gehirn ist eine App, vielleicht benutzen sie es dann auch. :-))

    Inge Brenner

    Karl Brenner Meiner Ansicht nach hätte Herr Scholz schon vor einem halben Jahr Herrn Lindner klarmachen müssen, dass nicht der Finanzminister, sondern er selbst die Richtlinienkompetenz besitzt. Hätte Lindner und Co. dann nicht zu Kompromissbereitschaft eingelenkt, hätte Scholz ihn damals mit größerer Glaubwürdigkeit seiner Motive entlassen können als heute. Diese "Kante" hätte ich mir schon gewünscht. Außerdem verstehe ich nicht, warum er jetzt so an seinem Amt hängt. Helmut Schmidt ging erhobenen Hauptes. Dies hätte Scholz aufgrund der meines Erachtens sehr wohl vorhandenen Erfolge vor einiger Zeit auch tun können.

    Maria Tkacuk

    Der bis heute noch leuchtende Star am Himmel der SPD - Helmut Schmidt - wurde von der SPD gemeuchelt, weil (!) er die ( ja richtige) NATO-Nachrüstung erfand, den NATO- Partnern mit einer Erpressung aufzwang (Carter, Thatcher und Giscard d'Estaing waren dagegen) und durchsetzte Entgegen aller Legenden war nicht die 1980 zu schwächeln beginnende deutsche Wirtschaft, die Helmut Schmidts Ende besiegelte. Die friedensnaive per se russlandverliebte SPD feuerte ihrwn Kanzler, weil der die russische Gefahr erkannt hatte und mit festem Kurs bekämpfen wollte !

    Franz Wagner

    Wenn die SPD unbedingt an der 10% Marke kratzen will dann geht sie mit Scholz, seiner Vergesslichkeit und seiner Russland-Appeasement-Politik ins Rennen. Dann ist meine Stimme weg! Der Mann war genaugenommen seid Cum-Ex schon untragbar. Kein gutes Vorbild!

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    Friedrich Behrendt

    sie haben recht !! was der jetzige Kanzler macht bewerten viele meiner Italienischen Freunde die viele Jahre in Deutschland gearbeitet haben schon als Landesverrat zu Gunsten von Ruland , denn er ist nun mal dem Gas Gerd Hörig

    Wolfgang Boeldt

    Hm - Frage an den Kommentator: Was hat Pistorius denn bis jetzt als Verteidigungsminister in fast 2 Jahren Amtszeit geliefert? Außer Kriegsgerär an die Ukraine ist da kaum etwas Handfestes. Er mag der erfolgreichere Kandidat werden - aber auch ggfs. der bessere BK? Ich weiß nicht genau nach welcher Logik die Deutschen wählen (vermutlich gibts hierzu Umfragen); aber ich richte mich primär nach dem Partei- / dem Wahlprogramm.

    Maria Tkacuk

    Frau Reichenauer, der Deutsche Scholz ist ein ewiger Zögerer und Zauderer, der bei den wichtigen Fragen nicht präsent ist (auch nicht im Hintergrund). Beim Militär heißt die wichtigste Regel für Offiziere: "Führen kann man nur von Vorne!"

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    Robert Miehle-Huang

    Dann gehen Sie doch einfach mal mit gutem Beispiel voran, Frau Tkacuk, und fordern Sie Ihre Landsleute, die sich vor der Front nach Deutschland abgesetzt haben, auf, in die Ukraine zurückzukehren und für ihr Vaterland zu kämpfen! Das war zur Abwechslung mal was konstruktives, anstatt ständig über Deutschland und die Deutschen herzuziehen!

    Rainer Otto

    So soll das auch sein. Ich frage mich nur was die C-Parteien denn für ein Programm haben außer “alle anderen sind schuld”.

    Helmut Hellebrand

    Ich finde Olaf Scholz im Gegensatz zu vielen als sehr guten Bundeskanzler, der nicht wie die Führungen der anderen Parteien zu jedem Thema ihren Senf dazu geben müssen. Sein vermeintliches Zaudern kommt daher, dass er sich genau überlegt, was er tut oder sagt. Eine sehr angenehme und wichtige Eigenschaft! Dass er damit nicht unbedingt den Zeitgeist trifft, ist bedauerlich. Aber es bleibt abzuwarten, wie es mit einem derzeit gehandelten Kanzler Merz laufen wird. Auch an ihm wird von Anfang an herumgeschnitzt werden, die Beliebtheitswerte der Union werden sich schnell abwärts bewegen...

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