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Bundesregierung: Karl Lauterbach polarisiert – und ist endlich am Ziel

Bundesregierung

Karl Lauterbach polarisiert – und ist endlich am Ziel

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    Hey, hier bin ich, scheint Karl Lauterbach zu signalisieren. Ab Mittwoch ist er neuer Gesundheitsminister.
    Hey, hier bin ich, scheint Karl Lauterbach zu signalisieren. Ab Mittwoch ist er neuer Gesundheitsminister. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Als die überraschende Kunde von der Berufung des SPD-Politikers Karl Lauterbach zum neuen Bundesgesundheitsminister die Runde machte, kursieren im politischen Berlin sofort zwei Bosheiten. „Und wer geht jetzt in die Talkshows?“, lautet die eine. Und die andere: „Da wird einer Minister, von dem alle Journalisten bereits die Handynummer haben.“ Die Bemerkungen waren einerseits unsachlich – Lauterbach wird als Minister mit einem neuen, abhörsicheren Handy ausgestattet –, zeigten zum anderen aber auch: Der 58-Jährige polarisiert wie wohl kein anderer im neuen Bundeskabinett von Kanzler Olaf Scholz.

    In der Corona-Krise war an Lauterbach zuletzt kein Vorbeikommen mehr. Der Epidemiologe und Gesundheitsökonom gab jedem, der es hören wollte – und das waren viele – eine Beurteilung der Pandemielage. Interviews gab er manchmal so schnell hintereinander, dass er sich nach dem Gespräch erst vergewisserte, mit wem er da gerade gesprochen hatte. Die Kritik an seinen vielen Talkshow-Aufritten war sicherlich einerseits dem Neid derer geschuldet, die nicht eingeladen wurden. Sie entzündete sich aber auch daran, dass Lauterbachs Statements wenig medizinisch das Für und Wider abwogen, sondern immer frontal in eine Richtung gingen. Schulen offen, Schulen zu – bei dem Vater von fünf Kindern gab es da keine Zwischenlösung. Keine Zweifel hat er in den vergangenen Monaten daran gelassen, dass er genaue Vorstellungen hat, was getan werden müsste und was aus seiner Sicht nicht mehr geht in der Pandemie. Auf der kleinen Bühne in der SPD-Zentrale, kündigte er an: "Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen, und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein." Die selbst gelegte Latte für Lauterbach liegt also hoch. Er selbst sagt, Impfen werde die zentrale Rolle spielen – "aber nicht nur".

    Ist Karl Lauterbach beliebter als Virologe Drosten?

    Lauterbach sei der Gesundheitsminister, „den sich bestimmt die meisten Bürger dieses Landes gewünscht haben“, erklärte Olaf Scholz bei der Bekanntgabe der Personalie. Nach dieser Logik hätte allerdings der Virologe Christian Drosten neuer Gesundheitsminister werden müssen. In der Tat war es wohl nicht so einfach. Dass die SPD als letzte der drei Ampel-Parteien ihre Ministerriege benannte, ist auch auf den Druck zurückzuführen, der partei- und fraktionsintern auf dem kommenden Kanzler lastete.

    Genaueres ist darüber nicht bekannt, die SPD hielt an dieser Stelle ebenso meisterhaft dicht, wie schon in den Koalitionsverhandlungen. Es lässt sich aber einiges aus der Gemengelage der letzten Wochen rekonstruieren. So hätte die Partei mit Sabine Dittmar eine hervorragende Besetzung für den Posten der Gesundheitsministerin gehabt. Die SPD-Politikerin aus Bayern ist Ärztin, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion und bewies in der Corona-Pandemie oft zuletzt deutlich mehr Fingerspitzengefühl als Lauterbach, der schnell mal vor hunderttausenden Corona-Toten warnte, ohne dass seine Prophezeiung je eintrat. Nur so bekannt, wie der gebürtige Dürener ist Dittmar nicht. Die SPD wollte jedoch an dieser Stelle jemanden haben, der zumindest die gefühlte Corona-Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger vorantreibt. Da fiel die Wahl auf Lauterbach, der einst auch mal gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion war, wegen seiner polarisierenden Art aber keine Sympathiepunkte verbuchte.

    Lauterbach wird Nachfolger von Jens Spahn

    Lauterbach kam zugute, dass Scholz, auch das war vorher klar, auf eine gleichmäßige Ämterverteilung bei Frauen und Männer achten musste. Hubertus Heil als Arbeitsminister und Wolfgang Schmidt als Kanzleramtschef waren gesetzt, Scholz selbst natürlich auch. Es blieb nur noch ein Kabinettsstuhl für einen SPD-Mann übrig. Rolf Mützenich war schon vorher als Verteidigungsminister im Gespräch, Scholz brauchte ihn aber, um die Fraktion in seinem Sinne unter Kontrolle zu behalten. Der Weg für Lauterbach war frei. Er ist endlich am Ziel, das er – der zunächst CDU-Mitglied war – seit seinem Einzug in den Bundestag 2005 konsequent verfolgt. Dabei hatte es im Sommer gar so ausgesehen, als könnte die politische Karriere Lauterbachs zumindest vorläufig ganz enden. Einen sicheren Platz auf der Landesliste hatte ihm seine NRW-SPD verwehrt, und ein gutes Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl war lange keineswegs ausgemacht. Doch dann folgte der SPD-Aufschwung, und Lauterbach schnitt in seinem Wahlkreis Leverkusen – Köln IV sogar am besten von allen Direktkandidaten aus Nordrhein-Westfalen ab.

    Nun also wird Lauterbach als Nachfolger von Jens Spahn (CDU) ins Gesundheitsministerium einziehen. Die Herausforderungen dort gehen weit über die Corona-Pandemie hinaus, Lauterbach indes betritt kein Neuland, er kennt sich aus. An Themen wie Pflegereform oder Gesundheitskosten hat er teils eng zusammen mit Spahn mitgearbeitet. Er weiß aber auch um die Probleme in Bereichen wie der Psychotherapie, hat sich profiliert zu den Heilungschancen bei Krebs und der Organspende geäußert. Lauterbach wird sich reinfuchsen. Und so lange hat Lanz eine Vakanz und es bleibt still bei Will.

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