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Bundesregierung: Scholz über Bundeshaushalt: „Es ist ein gelungenes Kunstwerk“

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Scholz über Bundeshaushalt: „Es ist ein gelungenes Kunstwerk“

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    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich auf einen Entwurf zum Haushalt geeinigt.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich auf einen Entwurf zum Haushalt geeinigt. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Als der Kanzleramtsminister das fast schon kitschige Foto des Sonnenaufgangs über der Hauptstadt über das soziale Netzwerk X in die Welt schickt, wissen alle im Berliner Politikbetrieb: Es ist geschafft. Scholz, Habeck und Lindner haben sich geeinigt. Der Rahmen für den Haushalt des nächsten Jahres ist gezimmert.

    Der Kanzler und seine wichtigsten Minister hatten noch einmal die ganze Nacht gebraucht, um das hinzubekommen. Die Personenschützer deckten sich mit Pizza ein, die kann man zur Not auch kalt essen. Zwischenzeitlich hatten sie die Nase voll voneinander, mal wieder. „Da herrschte Untergangsstimmung“, sagt eine aus der Grünen-Spitze. Es gab diesen Moment, da hätte die Koalition zerbrechen können. 23 Mal haben sie zusammen über diesen Zahlen gehockt, insgesamt 80 Stunden. So hat es der Finanzminister mitgezählt. „Es waren sehr sportive Gespräche“, sagt Christian Lindner, als er das Ergebnis mit Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck der versammelten Hauptstadtpresse vorstellt. Ihre Müdigkeit versuchen sie wegzulächeln.

    Die Koalition wird sich ihrer Verantwortung bewusst

    Sportiv, das ist eine dieser Lindner-Umschreibungen, man könnte auch sagen, dass es hätte schiefgehen können. Die Koalition wäre in die Geschichte eingegangen, als diejenige, die gescheitert ist. Doch davor schrecken sie zurück. Zu viel passiert gerade in der Welt. In den USA wird es mit jedem Tag wahrscheinlicher, dass sich Donald Trump gegen den alternden Joe Biden durchsetzt. In Frankreich haben die Rechtsnationalen gute Karten, bei der Stichwahl am Sonntag stärkste Kraft zu werden. Plötzlich sieht der Westen fragil aus. Deutschland darf als großes Land nicht auch noch wackeln. Die drei Parteien spüren die Last der Verantwortung. Also machten Scholz, Habeck und Lindner weiter und beugten sich über Einnahmen und Ausgaben, Steuern und Abgaben, Zinsen und Zahlungen. „Wir machen es uns nicht immer leicht“, sagt Olaf Scholz bei der Präsentation des Erreichten. „Warum?“, fragt er rhetorisch und gibt sich selbst die Antwort. „Weil die Alternative dazu eben keine Alternative ist. Die Nerven zu verlieren, hinzuschmeißen, vor der Verantwortung wegzulaufen.“ Es ist die eigentliche Botschaft dieses Tages.

    Die Nacht hat tiefe Ringe unter die Augen der drei Männer gezeichnet. „Schlaf wird überschätzt“, scherzt der Kanzler. Eigentlich wollten sie sich diese Nachtsitzungen nicht mehr antun. Das war eine Lehre aus den Merkel-Jahren. Die frühere Kanzlerin tagte immer so lange, bis ihre Gegner unter Erschöpfung zusammenbrachen. Am Ende stand ein Kompromiss, manchmal ein fauler. Im Gedächtnis ist die vermurkste Osterruhe während der Corona-Pandemie, für die sich Merkel später öffentlich bei den Bürgern entschuldigte. Ob der Haushaltskompromiss ebenfalls sauer wird oder die Stimmung heben kann, liegt an der Koalition selbst.

    Sozialdemokraten hätten gerne mehr Geld ausgegeben

    Die Mäkelei setzt schon kurz nach dem Sonnenaufgangsbild des Kanzleramtsministers ein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nimmt Aufstellung und im nächsten Augenblick Maß am FDP-Vorsitzenden: Dieser habe den Haushalt nicht ohne den Kanzler hinbekommen, bis hinunter zur Planung der Details sei Lindner auf Hilfe angewiesen gewesen. „Eigentlich war das immer die Aufgabe des Finanzministers“, nörgelt Mützenich. Das spreche alles nicht für Lindner.

    Die Sozialdemokraten hätten gerne mehr Geld der Steuerzahler ausgegeben, die Grünen auch. In ihrer eigenen Erzählung konnten sie zumindest den sozialen Kahlschlag verhindern, den die FDP wegen ihres Sparfetischs geplant hatte. Nun sind Eindruck und Wirklichkeit in der Politik oftmals zwei verschiedene Dinge. Das verraten zwei Zahlen. In die Haushaltsverhandlungen mit Scholz und Habeck war der vorgebliche Sparkommissar Lindner mit geplanten Ausgaben von 450 Milliarden Euro für das Jahr 2025 hineingegangen. Herausgegangen ist er mit 480 Milliarden Euro. Die Ampel-Koalition gibt also mehr Geld aus und hat sich dafür einen mehrmonatigen Kleinkrieg geliefert.

    Scholz: „Es ist ein gelungenes Kunstwerk“

    Denn im Grunde bleibt alles, wie es ist. Die SPD bekommt etwas beim Sozialen. Das grüne Kernanliegen klimaneutraler Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft wird weiter bezuschusst. Und die FDP kann die mit vielen Buchungstricks erzielte Einhaltung der Schuldenregel und ein Anschubprogramm für die Wirtschaft dieses Landes für sich reklamieren, das keiner in Berlin vor acht Wochen für möglich gehalten hat. Robert Habeck fasst es so zusammen: „Wirtschaft, Klima, Kinder – das ist für mich der Dreiklang, der den Haushalt und die Begleitbeschlüsse zusammenfasst“.

    Während der Pressekonferenz stellt ein Reporter die naheliegende, aber listige Frage, warum die drei Ampel-Chefs 80 Stunden miteinander ringen und beinahe die Koalition platzen lassen, wenn alles so weiterläuft wie bisher. Habeck kann nicht anders und grinst. „Es ist so ein gelungenes Kunstwerk, dass wir auch schon ein bisschen Zeit darauf verwenden wollten“, antwortet der Kanzler nach einer Sekunde des Überlegens. Zur Kunst der Haushaltsaufstellung gehören auch buchhalterische Tricks. 16 Milliarden Euro stehen als globale Minderausgabe im Entwurf. Das heißt nichts anderes, als dass die Regierung versichert, das Geld schon irgendwie aufzutreiben.

    Die drei Künstlerfreunde der Ampel haben den Laden zusammengehalten, aber unter den Abgeordneten rumort es. Die Umfragewerte sind für alle drei Parteien ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl schwach, die Ablehnung der Wähler groß. Und dann bleibt da noch die Unsicherheit, dass die Einigkeit im parlamentarischen Verfahren wieder aufbricht. Unter Dach und Fach ist der Etat erst, wenn der Bundestag ihn im Herbst verabschiedet. Dass es bis zu diesem Punkt noch ein langer Weg ist, macht Mützenich sehr deutlich: „Bis Ende November oder Anfang Dezember werden jetzt die Mitglieder des Deutschen Bundestages, meine Fraktion, die Einzelpläne, die einzelnen Dinge bewerten und dann sich genau anschauen, was verändert werden muss, was wir aber auch mittragen können.“

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