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Analyse: Warum kontrolliert eigentlich keiner, was bei Tiktok passiert?

Analyse

Warum kontrolliert eigentlich keiner, was bei Tiktok passiert?

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    Demokratiefeinde nutzen derzeit vor allem Tiktok, um ihre Inhalte zu verbreiten.
    Demokratiefeinde nutzen derzeit vor allem Tiktok, um ihre Inhalte zu verbreiten. Foto: Hannes P. Albert, dpa (Symbolbild)

    Erinnern Sie sich noch daran, wann Sie den Begriff "Fake News" zum ersten Mal gehört haben? Die Chancen stehen gut, dass es 2016 war, in jenem Jahr, in dem die Welt ein Stück weit dem Wahnsinn anheimzufallen schien. Gegen ihre eigenen Interessen stimmten die Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union und die Amerikaner wählten sich Donald Trump ins Weiße Haus. Seitdem begleiten Diskussionen um die Einflussnahme russischer Troll-Armeen, Desinformationskampagnen und extremistische Inhalte in den sozialen Medien fast jede Wahl, auch die Europawahl. Und oft steht am Ende die Frage, warum sich die Demokratie mitunter anfühlt, als wäre sie den Algorithmen chinesischer und amerikanischer Großkonzerne ausgeliefert. 

    Dabei wird die Regulierung der sozialen Medien seit 2016 breit diskutiert, und sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene wurden etliche regulatorische Rahmen gesetzt. Bis heute jedoch sind die Betreiber nicht verantwortlich für die Inhalte, die auf ihren Plattformen publiziert werden, wie es etwa Medienunternehmen sind. Sie müssen lediglich illegale Inhalte nach einer Beschwerde löschen. Bei der Masse an demokratiegefährdenden Inhalten funktioniert das aktuell aber nicht, allein schon, weil das Personal dazu fehlt. Welche Art der Regulierung wäre also nötig und, viel wichtiger, welche ist überhaupt realistisch? 

    Soziale Medien werden nicht als Medienunternehmen behandelt

    "Würde man an soziale Medien dieselben regulatorischen Anforderungen stellen wie an Medienunternehmen, wären sie in der Form, wie wir sie kennen, tot", sagt Lena Ulbricht von der Hochschule für Politik in München. Sie forscht seit zehn Jahren an der Thematik und hält einen solchen Schritt derzeit nicht für notwendig "Sie ermöglichen immer noch eine breite Kommunikation für jeden und jede, und das mit sehr niedrigen Hürden. Aber die Plattformen verändern sich auch, deswegen kann ich ehrlicherweise nicht sagen, ob ich das in zwei Jahren noch genauso sehen werde." Gerade in Amerika, aber auch in Europa stehe auch die Meinungsfreiheit gegen eine Einordnung sozialer Netzwerke als Medienunternehmen. 

    Nach den Worten Ulbrichts sei es zunächst wichtig, die schon geltenden Bestimmungen wirklich umzusetzen, um Extremisten und Propagandisten jeder Art in den sozialen Medien die Flügel zu stutzen. "Die Gesetzgebung darf nicht weiter unterminiert werden, bis es allen Beteiligten normal erscheint, dass sie in der Praxis nicht umgesetzt wird", warnt Ulbricht. Entweder ließen sich die Plattformen mit den bestehenden Regeln zu gesünderen Öko-Systemen machen oder man müsse sie eben kaputt regulieren. 

    Politik setzt auf Zusammenarbeit, um Desinformation zu bekämpfen

    Eine solche Lösung dürfte in der Politik kaum Freunde finden, auch in der Bayerischen Staatsregierung nicht. Digitalminister Fabian Mehring von den Freien Wählern hat mit dem Innenministerium eine Bayern-Allianz gegen Desinformation ins Leben gerufen. Zusammen mit den großen Tech-Unternehmen will man technische Tools für die Moderation entwickeln und gleichzeitig die Medienkompetenz der Bevölkerung stärken. "Ich halte es aber für problematisch, Plattformbetreiber für die Inhalte ihrer Nutzer haftbar zu machen", sagt der Staatsminister. 

    Ob Bildung und technische Möglichkeiten der Moderation ausreichen? "Die Tech-Unternehmen haben kein intrinsisches Interesse an einer gesunden Öffentlichkeit oder einem gesunden politischen Diskurs und investieren deshalb auch nicht viel in diese Systeme", sagt Ulbricht. Auch Mehring hält es für unwahrscheinlich, dass man irgendwann alle Falschnachrichten tagtäglich tilgen können wird. "Realistischer ist es, zukünftig solche Informationen, die nach den Gütekriterien von Qualitätsjournalismus erzeugt wurden, besonders hervorzuheben, sodass die Menschen in der digitalen Welt wissen, auf welche Informationen sie sich verlassen können", sagt der Staatsminister. 

    Es gibt Alternativen zur Regulierung von Tiktok und Co.

    Abseits der Regulierung gibt es aber auch Ideen, wie man soziale Medien ganz neu denken kann. "Ich finde da kooperative Plattformen spannend, die, staatlich unterstützt, von breiten Partnerschaften aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft betreut werden. Damit gibt es aber leider wenig Erfahrung, weil sich alles auf die großen kommerziellen Plattformen konzentriert", sagt Ulbricht, die auch ein Bezahlsystem für mehr Privatsphäre möglich hält. Weil die sozialen Medien fast nur noch auf ihre Gewinne fokussiert sind und nicht auf den Wert für ihre Nutzer, könnten sich in absehbarer Zeit genügend Menschen dafür finden. 

    Vielleicht braucht es also gar keine strengere Regulierung und der Markt tut im Sinne der Demokratie das, was er soll, nämlich regeln. 

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