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USA: Das Ende des alten Amerikas: Washington kurz vor dem Amtswechsel

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Das Ende des alten Amerikas: Washington kurz vor dem Amtswechsel

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    Der mit einer Flagge bedeckte Sarg des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in der Rotunde des US-Kapitols in Washington.
    Der mit einer Flagge bedeckte Sarg des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in der Rotunde des US-Kapitols in Washington. Foto: Andrew Harnik, Pool Getty Images North America/AP/dpa

    Das Kongressgebäude auf dem Washingtoner Kapitolshügel hat zwei Fronten: An seiner Westseite ist bereits eine gewaltige Tribüne für die Vereidigung von Donald Trump in elf Tagen aufgebaut. An der Ostseite, wo am 6. Januar 2021 der rechte Mob wütete, stehen derzeit trotz eisiger Temperaturen tausende Amerikaner Schlange. Sie wollen ganz friedlich in das Parlament - nicht um den neuen Präsidenten zu bejubeln, sondern zu Ehren eines Vorgängers, der vor einem Vierteljahrhundert aus dem Amt schied.

    Es mangelte nicht an patriotischer Tradition und parteiübergreifender Prominenz, als der von einer großen US-Flagge bedeckte Sarg mit den sterblichen Überresten von Jimmy Carter am Dienstagabend - begleitet von Salutschüssen - die Außentreppe hinauf in die zentrale Rotunde des Kapitols getragen wurde. Dort ist er nun bis zur Beerdigung an diesem Donnerstag aufgebahrt. Bei der Gedenkstunde im Herzen des umkämpften Parlaments spielte die U.S. Army Band, der Parlamentspfarrer predigte, es wurden Kränze niedergelegt. In dem eindrucksvollen Kuppelsaal unter dem 55 Meter hohen Freskengemälde war das Who is Who der amerikanischen Politik versammelt.

    Jimmy Carter war das komplette Gegenteil von Donald Trump

    Für einen kurzen Moment schien die alte, auf Respekt, Toleranz und demokratischen Werten fußende Ordnung Amerikas noch in Takt zu sein, als der republikanische Senatspräsident John Thune, der ebenfalls republikanische Repräsentantenhaussprecher Mike Johnson und die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris gleichermaßen den mit 100 Jahren verstorbenen Ex-Präsidenten würdigten. Dabei war Carter das komplette Gegenteil von Trump - ein bescheidener Erdnussfarmer, der nach dem Desaster des Vietnamkriegs und dem Watergate-Skandal etwas Menschlichkeit zurück ins Weiße Haus brachte und sein ganzes späteres Leben für Frieden, freie Wahlen, globale Gesundheitsfürsorge und gegen Armut und Obdachlosigkeit kämpfte. Es wundert nicht, dass Trump ihn im Wahlkampf den „den schlechtesten Präsidenten der Geschichte“ nannte, während der Verstorbene den Möchtegernautokraten für einen „Idioten“ hielt und in diesem Herbst mit letzter Kraft für Harris stimmte.

    In den Reden wurde der Kontrast nicht direkt angesprochen. Aber er schimmerte doch durch, als der Republikaner Thume betonte, Carter sei „nicht angetreten, um es sich gut gehen zu lassen, sondern um zu dienen“. Harris betonte „die Stärke des Charakters, die Aufrichtigkeit und die Integrität“ des 39. Präsidenten.

    Auch die 84-jährige, gerade an der Hüfte operierte Nancy Pelosi ist erschienen

    Etwas geht zu Ende. Am Rande des Kuppelsaales steht Alexander Vindman, der mutige Schlüsselzeuge des erpresserischen Telefonats von Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das im Herbst 2019 das erste Impeachment-Verfahren gegen den Ex-Präsidenten auslöste. Heute steht Vindman ganz oben auf der Liste derjenigen, die Trump juristisch verfolgen will. Auch Verkehrsminister Pete Buttigieg, der 2020 parteiintern gegen den damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden antrat, erwies Carter die letzte Ehre. Und mit eiserner Disziplin auf einen Rollator gestützt die erst kürzlich an der Hüfte operierte 84-jährige Nancy Pelosi, die schließlich Bidens späten Rückzug in diesem Sommer erzwang.

    Trumps Rückkehr ins Weiße Haus steht unmittelbar bevor. In die Stille des Carter-Gedenkens hinein meldete sich der neue Anführer am Dienstag bereits aus seinem Prunkpalast Mar-a-Lago mit einer Pressekonferenz zu Wort, während derer er den Anschluss Kanadas forderte, über die Umbenennung des Golfs von Mexiko in „Golf von Amerika“ fabulierte und Grönland und Panama indirekt mit militärischer Gewalt drohte.

    Dabei war die Rückgabe des Panama-Kanals an das mittelamerikanische Land, die 1978 vertraglich besiegelt wurde, vor einem halben Jahrhundert und in einem anderen Zeitalter eine der wichtigsten politischen Errungenschaften von Präsident Carter gewesen. Das sei „ein sehr großer Fehler gewesen“, verkündet Trump kurzerhand: „Eine furchtbare Sache.“

    Trump nennt Carter gönnerhaft einen „guten Menschen“

    Nach dessen Tod nennt der neue US-Präsident seinen Vorgänger nun übrigens gönnerhaft einen „guten Menschen“. An der Trauerfeier in der National Cathedral will er teilnehmen. Damit aber soll es auch gut sein. Dass den ganzen Monat und damit auch am Tage seiner Inauguration in den USA die Fahnen auf halbmast wehen, empfindet Trump als persönlichen Angriff auf das mit ihm heranziehende „goldene Zeitalter“. Kein Amerikaner könne über die Symbolik glücklich sein, wetterte er auf seiner Online-Plattform Truth Social: „Keiner will das sehen.“

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