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Analyse: Ampel legt Haushaltskrach um Finanzierung der Kindergrundsicherung bei

Analyse

Ampel legt Haushaltskrach um Finanzierung der Kindergrundsicherung bei

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    Eine Kindergrundsicherung könnte der sinkenden Kinderzahl in Deutschland entgegenwirken.
    Eine Kindergrundsicherung könnte der sinkenden Kinderzahl in Deutschland entgegenwirken. Foto: Tim Brakemeier, dpa

    Die Ampelregierung legt ihren Streit ums Geld vorerst bei und macht den Weg für den Bundeshaushalt frei. Nach einer Einigung über die geplante Kindergrundsicherung haben nun offenbar alle Ministerien die Sparpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) akzeptiert. Bis auf das von Boris Pistorius (SPD) geführte Verteidigungsministerium müssen alle Ressorts Kürzungen hinnehmen, um das erklärte Ziel Lindners zu erreichen, auf hohe Schulden zu verzichten. Bis zuletzt hatten Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Lindner erbittert um die nicht im Haushalt bereitstellen wollte.

    Scholz und Paus verständigen sich über Vorgehen bei Kindergrundsicherung

    Nun haben sich nach Informationen unserer Redaktion aus Regierungskreisen zunächst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Familienministerin über das Vorgehen bei der Kindergrundsicherung verständigt. Im Laufe des Mittwochs war dann ein weiteres Gespräch zwischen Scholz, Paus und Lindner im Kanzleramt geplant, bei dem die finanzielle Seite eines der zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Ampelkoalition festgeklopft werden sollte. Eine Zustimmung Lindners galt nur noch als Formsache. Die Milliarden für die Kindergrundsicherung tauchen im Haushaltsplan für 2024 gar nicht erst auf und schlagen in der mittelfristigen Finanzplanung erst schrittweise durch, so der Kompromiss. Lediglich ein kleinerer Betrag zur Vorbereitung, etwa der Schaffung der digitalen Grundlagen der Zahlung, wird für 2024 eingestellt. 

    Im kommenden Jahr soll die Kindergrundsicherung zunächst in ein Gesetz gegossen werden, das laut dem vorläufigen Zeitplan dann Ende 2024 vom Bundestag beschlossen werden könnte. Ob es dann bereits Anfang 2025 in Kraft tritt, ist offen. Die ersten Zahlungen könnten erst im Laufe des Jahres 2025 an die Familien fließen, heißt es in der Bundesregierung. So würde nur ein Teil der jährlichen Kosten fällig werden. Vorteil aus Sicht der Ampelkoalitionäre: Das würde Schärfe aus künftigen Haushaltsstreits nehmen. Zumal keine feste Summe mehr im Raum steht, denn wie hoch der tatsächliche Bedarf für eine flächendeckende Kindergrundsicherung sein wird, ist den Angaben zufolge noch unklar. Eine Berechnungsgrundlage solle erst im Laufe des Gesetzgebungsprozesses beschlossen werden und sich nach Faktoren wie der Inflation, der allgemeinen Lohnentwicklung und den künftigen Sätzen von Sozialleistungen wie dem Bürgergeld richten. 

    Streit um den Haushalt: Zerreißprobe für die Ampel

    Der Streit um den Haushalt hatte die Ampelregierung in den vergangenen Monaten vor eine Zerreißprobe gestellt. Laut Steuerschätzung stehen dem Bund im kommenden Jahr rund 380 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind bereits 13 Milliarden Euro weniger als erwartet. Gleichzeitig wachsen unvermeidbare Ausgaben an, etwa durch höhere Löhne im Öffentlichen Dienst und gestiegene Kreditzinsen. Obendrauf kamen zusätzliche Wünsche der Ministerien, die sich auf bis zu 70 Milliarden Euro summierten. 

    Gerade die grün geführten Häuser hätten gerne mehr ausgegeben, nicht nur für die Kindergrundsicherung, sondern etwa auch für den Klimaschutz. Lindner aber will kein Geld verplanen, das der Bund gar nicht hat. Nach den gewaltigen, durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg bedingten Sonderausgaben der vergangenen Jahre schließt er weitere Ausnahmen von der Schuldenbremse aus. Neue Kredite sind also nur sehr begrenzt möglich, auch der Rückgriff auf nicht abgerufene Mittel schließt die Lücken nicht. Forderungen aus den Reihen von SPD und Grünen nach Steuererhöhungen weist Lindner zurück – sonst müsste er das zentrale Wahlversprechen seiner FDP brechen. So ist angesagt, was in der deutschen Politik zuletzt fast vergessen schien: Sparen. 

    Lindners Ausgabendeckel sorgte für weiteren Zoff

    Lindner verpasste den Ministerien einen "Ausgabendeckel", der einen hohen einstelligen Milliardenbetrag einsparen sollte. Zusatzwünsche wurden gestrichen, einige Ressorts sollen 2024 sogar mit weniger Geld auskommen, als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Das führte zu weiterem Streit, in dem Lindner den Kanzler zu Hilfe rufen musste. In Dreiergesprächen zwischen Scholz, dem Finanzminister und den jeweiligen Fachministerinnen und -ministern wurden die Einzel-Etats der Ressorts festgeklopft. Zuletzt fehlte nur noch das Familienministerium, das seinen Widerstand nach der Einigung bei der Kindergrundsicherung aufgibt. Am kommenden Mittwoch, in der letzten Sitzungswoche des Bundestags vor der Sommerpause, will das Bundeskabinett den Haushalt beschließen.

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