Unionsfraktionsvize Jens Spahn macht die Spitzen der Ampel-Koalition wegen ihrer Uneinigkeit in der Wirtschaftspolitik mitverantwortlich für den Konjunkturabschwung in Deutschland. Durch die politische Unberechenbarkeit wegen teils gegensätzlicher Positionen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gerate Deutschland immer tiefer in die Krise, sagte der CDU-Politiker der «Augsburger Allgemeinen».
Scholz, Habeck und Lindner hatten zuletzt in kurzer Folge unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstöße gemacht, die untereinander nicht abgestimmt waren.
«Der Wirtschaftsminister macht Wahlkampf mit Papier, der Kanzler mit Gipfeln, der Finanzminister weiß von nichts», kritisierte Spahn. «Dieses Chaos verursacht den Abschwung zu großen Teilen mit, Deutschland wird in die zweite Liga der Industrienationen durchgereicht.»
Industriegipfel, Wirtschaftsgespräch und Investitionsfonds
Der Kanzler hatte vergangene Woche im Bundestag eine industriepolitische Offensive angekündigt. Für kommenden Dienstag lud er Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden am Nachmittag zu einem Industriegipfel im Kanzleramt ein - nicht aber Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner.
Habeck schlug nach Scholz' Ankündigung einen schuldenfinanzierten «Deutschlandfonds» vor, mit dem Investitionen gefördert werden sollen. Nach seinen Vorstellungen sollen Unternehmen so zehn Prozent aller Investitionen vom Staat erstattet bekommen. Lindner lehnt das ab und plädiert stattdessen für Steuererleichterungen.
Die FDP-Fraktion lud schließlich für Dienstag ihrerseits Wirtschaftsvertreter zu einem Gespräch ein - am Morgen, noch vor dem Industriegipfel des Kanzlers, mit Lindner «als Gast», wie es von der Fraktion hieß.
Ampel-Partner kritisieren FDP-Wirtschaftstreffen
Dafür erntete die FDP-Fraktion Kritik von den Ampel-Partnern. «Die Zeiten sind zu ernst für Gipfel-Ping-Pong. Wir müssen gemeinsam das Notwendige tun», sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der «Bild»-Zeitung. Er stellte sich hinter Habecks Vorschlag eines Investitionsfonds. Dieser sei das beste Instrument.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf Lindner vor, mit dem FDP-Wirtschaftstreffen die Arbeit von Kanzler Scholz zu untergraben. «Manche Reaktionen auf die Ankündigung des Kanzlers zu einem Industriegipfel sind schlicht albern. Der Finanzminister sollte sich auf sein Ressort konzentrieren und nicht versuchen, mit einer eigenen Veranstaltung die Arbeit des Kanzlers zu torpedieren», sagte Mützenich der «Rhein-Neckar-Zeitung».
Gleichzeitig sprach sich der SPD-Fraktionsvorsitzende auch gegen Habecks Idee eines Investitionsfonds aus. Ein Sondervermögen bedürfe der Zustimmung der Opposition. «Wenn der Vizekanzler jetzt einen Sonderfonds für die Wirtschaft, für die konjunkturelle Erholung bereithalten will, würde mich natürlich interessieren, ob er bereits mit Herrn Merz darüber gesprochen hat.» Generell hätte er auf Habecks Impuls «gut verzichten können», sagte Mützenich.
Merz fordert mehr Führung von Scholz
Angesichts der verschiedenen Vorschläge aus der Koalition warf CDU-Chef Friedrich Merz dem Kanzler vor, nicht genug Führung zu zeigen. «Der Bundeskanzler ist nicht der stille Beobachter des Treibens seiner Kabinettsmitglieder», schrieb der Unionskanzlerkandidat in seinem E-Mail-Newsletter «MerzMail».
Die angekündigten Treffen der nächsten Woche seien «Schauveranstaltungen der drei Koalitionsparteien, die sich untereinander nichts mehr zu sagen haben, die dafür aber umso heftiger gegeneinander um die jeweilige Ausgangsposition für die nächste Bundestagswahl ringen», schrieb der Unionsfraktionschef.
Sein Vize Spahn sieht die Ampel-Koalition bereits am Ende. «Deutschland hat längst keine Regierung mehr», sagte der CDU-Politiker der «Augsburger Allgemeinen». «Wir brauchen schnell politische Stabilität durch Neuwahlen.»
In den vergangenen Monaten gab es wegen der vielen Streitigkeiten in der Koalition immer wieder Spekulationen über ihr vorzeitiges Ende. Scholz, Habeck und Lindner waren dem angesichts des jüngsten Streits erneut entgegengetreten.
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