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Amerika-Besuch: Habeck in den USA: Ständig Trump im Nacken

Amerika-Besuch

Habeck in den USA: Ständig Trump im Nacken

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    Robert Habeck während einer Bootstour durch Chicago. Auf seiner Reise spricht er über die Erderwärmung, Israel – und Donald Trump.
    Robert Habeck während einer Bootstour durch Chicago. Auf seiner Reise spricht er über die Erderwärmung, Israel – und Donald Trump. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Der letzte Tag seiner Reise durch Amerika führt Robert Habeck in Barack Obamas alten Vorgarten nach Chicago. Selbst dort wird der deutsche Vizekanzler Donald Trump nicht abschütteln. Er ist immer hinter ihm, seit drei Tagen. In den meisten Gesprächen, die Habeck führt, geht es irgendwann um Trump. Die bloße Vorstellung, dass er wieder an die Macht gelangen kann, ist als dumpfer Unterton immer da. Als Obama regierte, war Amerika für die Deutschen noch so, wie sie es kannten. Der starke Beschützer, der den Westen zusammenhält. Trump zerstörte dieses Bild. Unter Obamas einstigem Stellvertreter und heutigem Präsidenten Joe Biden kam das gute Amerika noch einmal zum Vorschein. Einem Januskopf gleich könnte sich das wieder ändern, wenn die Amerikaner Anfang November gewählt haben. 

    An diesem Morgen hat in Chicago die Milde des Frühlings übernommen. Habeck steht in Obamas altem Viertel Bronzeville auf einer Wiese vor einer Graffitiwand und lässt sich ein kleines Ökostromprojekt erklären. Er hat das gute Amerika um einen Tag verpasst. Obama war in die Stadt gekommen, um sich anzuschauen, ob der Bau seines eigenen Denkmals vorangeht. Statt Pyramiden bauen US-Präsidenten im Ruhestand Bibliotheken und Bildungstempel, die ihren Namen tragen. The power of wordsDie Kraft der Worte soll der Titel einer multimedialen Ausstellung sein. Bruce Montgomery kennt Obama von früher, als er noch Senator war. „Er hatte einen besonderen Vibe“, sagt er. Jetzt spricht er mit dem Politiker aus Deutschland, der manchmal auch diesen Vibe hat, wenn er die richtigen Worte findet.

    Robert Habeck mit Community Manager Bruce Montgomery in Bronzeville, Chicago.
    Robert Habeck mit Community Manager Bruce Montgomery in Bronzeville, Chicago. Foto: Christian Grimm

    Obamas altes Viertel soll Vorbild bei der Energiewende werden

    Montgomery kümmert sich um Bronzeville und seine Einwohner als Community Manager. Das Viertel kennt große Namen. Die Obamas natürlich, aber es geht noch größer. Muhammed Ali hatte eine Villa hier, Nat King Cole spielte Jazz, genau wie Louis Armstrong, der für viele Auftritte auf der Bühne des Sunset Cafés stand. Für das schwarze Amerika ist der Stadtteil im Süden Chicagos ein Symbol für das eigene Selbstbewusstsein. Bruce Montgomery redet mit dem Gast aus Deutschland aber nicht über diese Idole, sondern schwärmt von der Hannover Messe. Er würde gerne etwas Ähnliches in Chicago aufziehen, eine Verbindung von Erfindergeist, starken Unternehmen und Technologie zum Klimaschutz. Im 19.Jahrhundert hatten deutsche Einwanderer Bronzeville geprägt. 

    Zwischen der glorreichen Vergangenheit und der grünen Zukunft ist die Realität weniger glänzend. Viele Häuser könnten einen neuen Anstrich vertragen, die Strommasten stehen windschief, die Autos tragen Beulen. Doch Bronzeville soll Vorbild werden bei der Energiewende in Amerika. Seit 2019 versorgen Solaranlagen und Batteriespeicher die Häuser mit Strom. Es ist ein Modellprojekt in einem Land, das bei Energie noch immer auf Öl, Kohle, Gas und Kernkraft setzt. Es sind die Energien Donald Trumps. 

    Habeck: "Deutschland war nicht auf Kurs, ich bringe es auf Kurs"

    Was in Chicago im kleinen Maßstab versucht wird, versucht Robert Habeck zu Hause viele Nummern größer. Wirtschaft und Gesellschaft sollen auf klimaneutral umgebaut werden. Vergangenes Jahr brachte er mit seinem Heizungsgesetz dieses Projekt zwar ins Trudeln, trotzdem ruft er den Amerikanern selbstbewusst zu, dass sie beim Kampf gegen die Erderwärmung weit zurückhängen. „Die USA sind nicht auf Kurs. Deutschland war nicht auf Kurs, ich bringe es auf Kurs“, sagt er am Tag vor seinem Besuch in Chicago bei einer Diskussion an der Columbia University in New York City. Es ist eine harsche Kritik am guten Amerika, die ihm im aufgeräumten Chic der sündhaft teuren Business School über die Lippen kommt. Schließlich haben Obama und Biden den Klimaschutz zu ihrem Thema gemacht. Schließlich ist es Habecks Hoffnung, dass die Amerikaner Biden im Weißen Haus bestätigen. Schließlich ist es amerikanisches Gas, das den Ausfall der Lieferungen aus Russland ersetzt. 

    "Solve the fucking problems"

    Während das Publikum aus drei Dutzend Studenten, einer Handvoll Professoren und Mitarbeitern des deutschen Generalkonsulats die deutlichen Worte noch regelungslos aufnimmt, sorgt der Wirtschafts- und Klimaschutzminister der Grünen wenig später für überraschte Gesichter. „Löst die Scheißprobleme, die wir haben“, beschreibt er energisch, worum es in der Politik in seinen Augen geht. Habeck redet auf englisch und in der Sprache Shakespeares klingen seine Worte noch etwas drastischer – „solve the fucking problems“. Eine Diplomatin tippt in ihr Mobiltelefon, dass Habeck gerade die F-Wort-Bombe hat platzen lassen. Am Ende der Diskussion verheddert er sich länglich, aber lustig, in eine Herleitung über Seeadler an der Küste Schleswig-Holsteins und deren Verhältnis zu Windrädern. „Ich rede zu viel über Seeadler“, sagt er unter dem Lachen seiner Zuhörer. 

    Habeck hat sich in der harmlosen Diskussion von sich selbst wegtragen lassen. Das geschieht ihm mitunter. Er pflegt einen anderen, offenen Stil, der ihn vom kontrollierten Nichtssagen vieler Politiker unterscheidet, zum Beispiel von der Rhetorik des Bundeskanzlers. Seine Offenheit, die freie Rede, die Lust am Witz gehen aber manchmal nach hinten los. 

    US-Präsident Biden rüffelt den israelischen Premier

    Zwei Termine später redet ein anderer Habeck. Ernst, konzentriert und klar spricht er in die auf dem breiten Gehsteig vor dem UNO-Hauptquartier aufgebauten Kameras. Die Glasfassade des berühmten Hochhauses am East River leuchtet in der Sonne. Es geht um das sensibelste Thema, mit dem sich ein deutscher Politiker befassen kann. Es geht um Israel. Gerade hat Habeck mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres nach Auswegen aus dem Sterben in Gaza gesucht. Der Vizekanzler aus dem Land der Täter des Holocaust fordert den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu danach auf, die noch Lebenden zu schonen. „Wir sagen sehr klar, wie die Lage ist und dass Israel seine Strategie im Gazastreifen ändern muss", verlangt er. „Die Zahl der zivilen Opfer ist hoch.“ Schräg hinter ihm steht einer der Wolkenkratzer Donald Trumps. 

    Wegen der Tausenden zivilen Opfer wird es international einsam um Israel. US-Präsident Joe Biden rüffelt den israelischen Premier öffentlich und auch die Bundesregierung geht auf Abstand, noch nach dem Jahreswechsel war das undenkbar. Berlin soll seinen Einfluss auf die Regierung in Tel Aviv geltend machen, damit die Waffen schweigen und den Palästinensern mit Essen, Wasser und Medikamenten geholfen werden kann. Das halbstündige Treffen mit Guterres, die Nahostpolitik gehen eigentlich weit über die Kompetenz eines Wirtschaftsministers hinaus. Habeck agiert als Vizekanzler. In der Aufgabenteilung der Bundesregierung fällt Israel eigentlich in die Domäne von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und von Außenministerin Annalena Baerbock. Die 43-Jährige ist Habecks innerparteiliche Konkurrentin in der Frage, wer die Grünen kommendes Jahr als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führt. Der Wirtschaftsminister hat bisher keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass er es wissen will, nachdem er Baerbock vergangenes Mal den Vortritt gewähren musste. Die hohen Erwartungen konnte sie nicht erfüllen. Offiziell lautet die Sprachregelung zwischen beiden, dass die K-Frage zu gegebener Zeit entschieden wird. 

    Am 5. November entscheidet sich das Duell zwischen Biden und Trump

    Wenn es soweit ist, könnte die Welt schon eine ganz andere sein. Am 5. November entscheidet sich das Duell zwischen Biden und Trump, wenn die zwei älteren Männer bis dahin die Tortur einer Kampagne physisch durchhalten. Obsiegt Trump und macht nur einen Bruchteil seines Programms wahr, dann wird er das westliche Bündnis erschüttern. Vielleicht zieht er den schützenden Arm über Europa weg, vielleicht bricht er einen Handelskrieg vom Zaun. Die Folgen für die Europäer wären gravierend, müssten sie doch plötzlich noch viel stärker ihre Armeen aufrüsten als bisher, während die Wirtschaft unter den Trumpschen Strafzöllen leidet und es an Geld mangelt für Bildung und Sozialausgaben. Kanonen oder Butter. Russlands Präsident Wladimir Putin könnte sich eingeladen fühlen, weitere Gebiete des untergegangen sowjetischen Imperiums mit Gewalt zurückzuholen, wie er es in der Ukraine vorhat. 

    Seine Gesprächspartner in Chicago, New York und Washington erzählen Habeck, dass es nicht gut aussieht. Biden fällt in den entscheidenden Bundesstaaten derzeit in den Umfragen merklich ab. Der Krieg im Gazastreifen spaltet die Demokratische Partei des Präsidenten und ihre Wähler. Junge, Schwarze und Muslime werfen Biden vor, die schutzlosen Palästinenser in Gaza untergehen zu lassen. Habeck will sich eigentlich nicht direkt in den Wahlkampf einmischen, das gebietet der Respekt vor der Wiege der modernen Demokratie „Der Wahlkampf hat noch gar nicht begonnen“, sagt er mehrfach, um das Thema kleinzuhalten. Nur einmal gibt er seine Sprachregelung auf, greift Trump in der Residenz des deutschen Botschafters in Washington an, dieser habe in seiner ersten Amtszeit alle Gesprächsformate kaputt gehauen. 

    Womöglich gelingt dem Amtsinhaber auch der Sieg, den ihm immer weniger Amerikaner zutrauen

    Seine Treffen mit Bidens Ministern und die Begegnungen mit Managern dienen dazu, die Verbindung zu den USA so fest zu ziehen, dass Trump sie nur lockern, aber nicht zerschlagen kann. Womöglich gelingt dem Amtsinhaber auch der Sieg, den ihm immer weniger Amerikaner wegen seiner Gebrechlichkeit zutrauen. 

    Zum Abschluss seiner US-Reise fährt Habeck mit einem Ausflugsschiff auf dem Chicago River durch das Wolkenkratzergebirge der Metropole. Sonne und Schatten spielen ihr Spiel auf den gläsernen Fassaden. Der Wind pustet dem 54-Jährigen durch das Haar. Die Route führt ihn an einem weiteren Trump-Hochhaus vorbei. Er ahnt, dass die Fotografen nur auf dieses Motiv gewartet haben und versucht, sich dem Moment zu entziehen. Er kann seinen Verfolger nicht abschütteln. 

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