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Afrika: Die deutsche Sahel-Strategie steht auf der Kippe

Afrika

Die deutsche Sahel-Strategie steht auf der Kippe

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    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht die Sicherheit in der Sahelregion im besonderen Interesse Deutschlands.
    Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht die Sicherheit in der Sahelregion im besonderen Interesse Deutschlands. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es ist erst wenige Tage her, da schärfte Verteidigungsminister Boris Pistorius den deutschen Blick auf die Sahel-Staaten Mali, Burkina Faso und Niger. Die Situation dort ändere sich ständig, erklärte der SPD-Politiker und ergänzte: „Die Interessen der Menschen vor Ort, unsere eigenen Interessen in der Region und vor allem unser gemeinsames Interesse an Sicherheit und Stabilität – das darf sich nicht ändern.“ Insbesondere die Lage im stürzte die Präsidialgarde den gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum und stellte ihn unter Hausarrest. Seitdem ist eine Militärjunta an der Macht, die sich unter dem Namen „Nationalrat für die Rettung des Vaterlandes“ versammelt. Der von Pistorius gewünschten Stabilität scheint das nicht dienlich zu sein. 

    Niger ist wichtig für Deutschland. Ein Luftwaffen-Stützpunkt in der nigrischen Hauptstadt Niamey dient nach dem Abzug der Bundeswehr aus Mali als logistische Drehscheibe für den Rücktransport von Material. Infolge des Militärputsches im Juli 2023 wurde das als Hochburg islamistischer Terroristen und als bedeutendes Schleuser-Drehkreuz für Migranten, die Richtung Europa reisen wollen. 

    Bundeswehr-Auftrag in Niger endet – das Problem Sahel bleibt

    Das „Problem Sahel“ ist nicht verschwunden, wie der Afrika-Experte Denis Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin schreibt. „Die Problematiken illegale Migration, Instabilität und Terrorismus, die Deutschland und andere Partner seit 2013 zum Engagement im Sahel getrieben haben, sind wei­terhin vorhanden“, weiß der Wissenschaftler, der die Lage vor Ort seit Jahren beobachtet. 

    Noch Ende April letzten Jahres stimmte der Bundestag der Beteiligung der Bundeswehr an der neuen militärischen Partnerschaftsmission „EU Military Partnership Mission“ (

    Niger stellt sich quer: Zur EU haben sich Gräben aufgetan

    Niger hat erklärt, die Militärkooperation mit den USA aufkündigen zu wollen. Zur Europäischen Union haben sich tiefe Gräben aufgetan, nachdem die EU als Reaktion auf den Putsch ihre Zahlungen einstellte. Mehr als eine halbe Milliarde Euro stand für 2021 bis 2024 bereit. Auch Deutschland reagierte, die zuständige Ministerin Svenja Schulze (SPD) stellte die Entwicklungszusammenarbeit ein. 

    Die Gesprächskanäle sind weiterhin offen. Auf dem X-Kanal des „Nationalrates für die Rettung des Vaterlandes“ der nigrischen Militärregierung wurden vergangene Woche Donnerstag Fotos veröffentlicht, die Verteidigungsminister Generalleutnant Salifou Mody im Gespräch mit dem Bundeswehr-Chefstrategen Generalleutnant Gunter Schneider und dem örtlichen Botschafter Oliver Schnakenberg zeigen. „Dieser Besuch folgt auf den Besuch des deutschen Verteidigungsministers im Dezember 2023“, erklärte die nigrische Seite. „Im Laufe des Treffens wurden wichtige Fragen erörtert, darunter auch die Frage, wie die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Niger im Bereich der Verteidigung vorangetrieben werden kann.“ Das Verteidigungsministerium konnte auf Anfrage am Karfreitag zu dem Besuch keine Angaben machen. 

    Bundesverteidigungsminister Pistorius wie immer pragmatisch

    Nicht nur die politische Instabilität, die Verfolgung von Minderheiten und die systematische Verletzung von Menschenrechten in Niger und anderen Sahelstaaten treibt die Bundesregierung um. „Dass die Kern-Sahelländer inzwischen in Russland den passenderen Partner sehen, ist nichts Neues. Und auch dass zusammen mit Verteidigungsminister Pistorius auftrat. Der russische Präsident Wladimir Putin versucht, seinen Einfluss auf dem Kontinent zu festigen. Vergangene Woche gab es Medienberichten zufolge ein langes Telefonat zwischen dem selbst ernannten nigrischen Staatschef General Abdourahamane Tchiani und Putin. Die berüchtigten russischen Wagner-Söldner treiben auch nach dem Tod ihres Chefs Jewgeni Prigoschin ihr Unwesen, sie sollen jetzt unter dem historisch belasteten Namen „Afrikakorps“ operieren. 

    SWP-Experte Tull erklärte, aus der Kooperation der Sahelstaaten mit Russland ließen sich für deutsches und europäisches Handeln gegensätzliche Schlussfolgerungen ziehen: „Einerseits eine europäische Politik, die auf die Isolation der Militärregime abzielt, auf die Gefahr hin, dass sich Russlands Einfluss im Sahel und möglicherweise in der Region an der Süd­flanke Europas ausdehnt“. Andererseits seien Kooperationsangebote nötig, „um politische Kanäle zu öffnen, Russland einzuhegen und im besten Fall Einfluss auf die Entwicklungen vor Ort zu gewinnen“.

    Auch Minister Pistorius stellte die Frage: „Was bleibt, wenn wir gehen?“ Russland und China würden in Afrika immer aktiver. Beide Länder seien bereit, große Kredite zu bewilligen und Waffen zu liefern – verfolgten jedoch hauptsächlich eigene Interessen. Der SPD-Politiker gab eine für ihn wohl typische pragmatische Antwort: Natürlich müsse mittel- und langfristig die Demokratie das Ziel sein. Aber, so seine tiefe Überzeugung, „das darf nicht dazu führen, dass wir demokratische Verhältnisse zu einer Voraussetzung unseres Engagements machen“.

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