Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

AfD-Politiker Bystron: Russland versucht Stimmung und Wahlen in Deutschland zu manipulieren

Cyberkriminalität

So perfide funktioniert Putins Propaganda in Deutschland

    • |
    Wladimir Putin und der Kreml nutzen gezielt Propaganda-Instrumente, um europäische Länder zu destabilisieren.
    Wladimir Putin und der Kreml nutzen gezielt Propaganda-Instrumente, um europäische Länder zu destabilisieren. Foto: Alexander Zemlianichenko

    Der Verdacht wiegt schwer: Petr Bystron, zweiter Mann der AfD auf der Kandidatenliste zur Europawahl, könnte nach Informationen des tschechischen Geheimdienstes Geld aus russischen Quellen kassiert haben. Noch ist nichts bewiesen. Dass der Kreml mit allen Mitteln versucht, die politische Stimmung und damit auch Wahlen in Europa zu beeinflussen, ist jedoch offenkundig. Die Methoden sind perfide, die Folgen oft fatal. 

    "Desinformation ist wie ein schleichendes Gift"

    Lutz Güllner kämpft im Auftrag der Europäischen Union gegen solche Propaganda. "Desinformationskampagnen sind kein Angriff, der irgendwann anfängt und wieder endet, sie sind ein schleichendes Gift. Falschinformationen werden gezielt und gut koordiniert gestreut und so sickern sie in den gesellschaftlichen Diskurs hinein", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Güllner analysiert seit Jahren die Instrumente, mit denen Russland arbeitet. Dahinter steckt eine klare Absicht – und eine Menge Geld. 

    Denn es geht nicht nur darum, Parteien oder Politiker zu unterstützen, die Wladimir Putin wohlgesonnen sind. Ziel ist auch, gesellschaftliche Debatten im Netz zu steuern. Allein im sozialen Netzwerk X (früher Twitter) sind erst kürzlich zehntausende Accounts aufgeflogen, hinter denen keine realen Nutzer steckten, sondern von Moskau gelenkte Meinungsmacher. "Diese Propaganda soll langfristig Misstrauen in staatliche Institutionen, die Politik, die Medien schüren und damit auch die Demokratie schwächen", erklärt Güllner, der in Brüssel die Abteilung "Strategische Kommunikation" des Europäischen Auswärtigen Dienstes leitet. 

    Putin-Trolle manipulieren die Stimmung in Deutschland

    Die unsichtbare Cyber-Armee ist in der Lage, flexibel auf bestimmte Themen aufzuspringen und damit auch kurzfristig Stimmungen aufzuheizen, wie Anfang des Jahres bei den Bauernprotesten oder kürzlich in der Debatte um die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine. "Desinformation soll den öffentlichen Diskurs besetzen, Verwirrung stiften, für Instabilität sorgen", warnt Güllner. Für ihn steht fest: "Man kann diese Gefahr gar nicht ernst genug nehmen." Es gehe dabei schließlich nicht nur um eine Herausforderung für Sicherheitsbehörden und Politik, sondern auch für die Demokratie.

    Nur wie lässt sich diese Herausforderung bewältigen? Güllner hat kein Patentrezept für Politiker, Medien und Internetnutzer: "Das Wichtigste ist, immer zu prüfen, wo eine Information herkommt. Manchmal ist es am besten, solche Kampagnen einfach zu ignorieren, weil man durch die Reaktion eine Sache womöglich erst relevant macht. Aber genauso kann es gefährlich werden, Dinge laufen zu lassen." Entscheidend sei, dass die Gesellschaft die entsprechende Medienkompetenz entwickele, um zu verstehen, mit welchen Instrumenten gearbeitet wird. So könne sie widerstandsfähig werden. 

    Tatsächlich können auch Menschen, die gar nicht in sozialen Netzwerken oder Chatgruppen unterwegs sind, indirekt davon beeinflusst werden. Gezielt gestreute Falschinformationen erreichen oft selbst im realen Leben eine enorme Reichweite, weil sie auch im Freundeskreis, in der Familie oder am Arbeitsplatz weitergegeben werden. "Je mehr man dem steten Wiederholen bestimmter Narrative ausgesetzt ist, desto mehr verinnerlicht man Dinge, die man anfangs vielleicht nie geglaubt hätte", erklärt Güllner den Mechanismus dahinter. 

    Wahlen waren schon zu analogen Zeiten regelmäßig Zielscheibe von Desinformation und Propaganda. Heute sind politische Akteure in einem Superwahljahr wie diesem besonders häufig Cyberattacken ausgesetzt, wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie erklärt. „Hier versucht man, Einfluss zu nehmen auf demokratische Prozesse, aber auch auf die Stimmung im Land“, sagt Sven Herpig von der Stiftung Neue Verantwortung, einer Denkfabrik für Digitalpolitik. 

    Russische Spione hörten Offiziere der Bundeswehr ab

    Cyber-Kriminelle versuchen außerdem, an sensible Dokumente zu kommen, um sie dann – teils verfälscht oder manipuliert – für eigene Zwecke zu nutzen. Auch der Deutsche Bundestag wurde schon Opfer solcher Attacken. Experten nennen die Strategie "Hack and Leak". Vor wenigen Wochen erst hatte ein offenbar von russischen Spionen abgehörtes und dann zielgerichtet veröffentlichtes Gespräch deutscher Offiziere über den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in der Ukraine weltweit Aufsehen erregt und diplomatische Spannungen ausgelöst. Russland nutzt Sicherheitslücken besonders zielgerichtet und setzt dabei nicht nur staatliche Strukturen ein, sondern auch viel Geld, indem der Geheimdienst entweder selbst aktiv wird oder man russische Internet-Kriminelle bewusst gewähren lässt. „Als Gegengeschäft liefern sie dann zum Beispiel Informationen, die der Staat nutzen kann“, erklärt Herpig. 

    Propaganda-Experte Güllner hat immerhin den Eindruck, dass die Politik die Tragweite der Bedrohung inzwischen erkannt hat. "Es bewegt sich auch einiges, das Bundesinnenministerium hat inzwischen ganz klare Zuständigkeiten dafür bekommen. Andere Länder wie Frankreich oder Schweden sind allerdings schon einen Schritt weiter, gerade wenn es um die Aufdeckung geht und darum, eine Gesellschaft widerstandsfähiger gegen solche Attacken zu machen."

    Das Bundesinnenministerium sieht Deutschland derzeit besonders im Fadenkreuz russischer Akteure, die darauf abzielen, "Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Kompetenz europäischer Institutionen zu untergraben und vorhandene Spaltungspotenziale in der Gesellschaft zu vertiefen“, wie eine Sprecherin sagt. 

    Aktuell steht hauptsächlich die prorussische Internetseite „Voice of Europe“ im Fokus. Das Portal hatte unter anderem Interviews mit Maximilian Krah und Petr Bystron veröffentlicht, die ganz oben auf der AfD-Kandidatenliste zur Europawahl stehen. Beide sind immer wieder durch russlandfreundliche Positionen aufgefallen. Zumindest im Fall des Bundestagsabgeordneten Bystron steht der Verdacht im Raum, dass er dafür Geld bekommen hat. An diesem Mittwoch wird sich der Innenausschuss des Parlaments mit den Vorwürfen beschäftigen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden