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Der Merkel-AKK-Deal: Warum an diesen mächtigen Frauen niemand vorbeikommt

Der Merkel-AKK-Deal

Warum an diesen mächtigen Frauen niemand vorbeikommt

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    Drei mächtige Frauen Seit an Seit: (von links) Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen und Angela Merkel.
    Drei mächtige Frauen Seit an Seit: (von links) Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen und Angela Merkel. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die womöglich historische Kabinettsumbildung vollzieht sich binnen weniger Minuten. Um 11 Uhr überreicht der Vizepräsident des Bundesrats, Michael Müller, der bisherigen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Schloss Bellevue die Entlassungsurkunde. Müller deshalb, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Urlaub und dessen Vertreter,

    Dann brausen die beiden Politikerinnen in wenigen Autominuten zum Bendlerblock, dem Sitz des Verteidigungsministeriums in Berlin. Kurz vor halb zwölf erklingt dort auf dem Ehrenhof die Nationalhymne und begleitet den Stabwechsel zwischen alter und neuer Chefin. Kramp-Karrenbauer, im knielangen, hellen Kleid, schreitet die Ehrenformation ab. Sie gibt der Presse noch ein schlichtes Statement und erklärt pathetisch-ernst dreinblickend, sie gehe ihr „Amt mit vollem Herzen und auch voller Überzeugung“ an. Um 11.40 Uhr ist der Spuk schon wieder vorbei.

    Das Brimborium ist allerdings nur der sozusagen praktische Teil der Kabinettsumbildung. Eingeleitet wird das gesamte Manöver bereits in den Stunden zuvor. Als nämlich Ursula von der Leyen in Straßburg nach ihrer knappen Wahl als neue EU-Kommissionspräsidentin feststeht. Damit tritt in Berlin der Ernstfall ein. Denn nun ist endgültig klar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel an einem Umbau des Kabinetts nicht mehr vorbeikommt.

    Auf dem Marschzettel der Kanzlerin stehen – diesen Schluss lassen jedenfalls Schilderungen aus Parteikreisen zu – vor allem zwei Namen: der von Gesundheitsminister Jens Spahn und der von Annette Widmann-Mauz. Ersterer ist Merkels Kandidat für die Nachfolge von Ursula von der Leyen. Die Integrationsbeauftragte Widmann-Mauz wiederum soll Spahn beerben. Die 53-Jährige vom CDU-Landesverband Baden-Württemberg wäre in zweierlei Hinsicht die perfekte Wahl gewesen: Sie war viele Jahre lang bis März 2018 Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, hätte also praktisch von Null auf Hundert durchstarten können. Zum anderen wäre bei der CDU das Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Kabinett gewahrt geblieben.

    Auf dem Zettel standen zunächst andere Namen

    Doch Merkel muss wenige Stunden vor ihrem 65. Geburtstag beide Namen auf ihrem Notizblock wieder streichen. Denn aus der Deckung meldet sich eine Kandidatin zu Wort, die sich bis dahin gut getarnt hat: die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin pocht auf ein Versprechen der Kanzlerin. Sie werde sich schon etwas einfallen lassen, falls Kramp-Karrenbauer jemals den Wunsch äußert, ins Kabinett einziehen zu wollen, hat Merkel zugesagt.

    Lange schloss „AKK-47“, wie sie schon im Internet in Anlehnung an ihr neues Amt und das legendäre Kalaschnikow-Maschinengewehr genannt wird, einen solchen Schritt zwar aus. „Ich habe mich bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln. Es gibt in der CDU viel zu tun“, sagte die 56-Jährige der Bild-Zeitung.

    Doch am Dienstagabend zählen diese Worte nicht mehr. AKK betreibt gar eine merkwürdige Geheimniskrämerei. In einem vorher aufgezeichneten Interview mit den ARD-„Tagesthemen“ will sie sich zur Nachfolge von Ursula von der Leyen nicht äußern. „Ich kommentiere keine Meldungen, die irgendwo entstanden sind und durch die Welt geistern. Ich treffe Entscheidungen zusammen mit der Regierungschefin, zusammen mit der Regierungspartei“, wiegelt sie ab – obwohl sie da schon weiß, dass sie selbst es wird. Es ist auch unklar, wen AKK mit „Regierungspartei“ meint, denn besonders viele CDU-Leute sind in ihren Plan zunächst nicht eingeweiht. Ein vielstimmiges wie erstauntes „Was? Niemals!“ tönt Fragenden aus Parteikreisen selbst noch entgegen, als der Wechsel öffentlich so gut wie feststeht.

    Am Mittwoch kursieren in der CDU dann zwei Denkmodelle.

    Modell eins geht der Überlegung nach, dass Kramp-Karrenbauer einfach keine Lust mehr hatte, nur das Ehrenamt der Parteivorsitzenden zu bekleiden. Der ehemaligen saarländischen Ministerpräsidentin ist die Bühne zu klein geworden, sie hat eingesehen, dass sie als CDU-Chefin nicht genügend Einflussmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume hat.

    Merkel wiederum hat es nach dieser Lesart allen gezeigt. Sie hat die mit der Berateraffäre belastete von der Leyen nach Brüssel geschickt und mit AKK eine weitere Vertraute ins Kabinett geholt. Im Verteidigungsministerium muss sich die neue Ministerin erst einmal beweisen, sie kann an der Aufgabe auch scheitern. So oder so: Annegret Kramp-Karrenbauer kann Merkel nicht in die Quere kommen und auch Friedrich Merz ist aus dem Spiel. Merkel, jetzt 65 Jahre alt, hat zudem noch den ungeliebten Jens Spahn in die Schranken ge- und ihre Macht damit bewiesen. Sie kann jetzt in Ruhe wie angekündigt bis 2021 durchregieren.

    Ein Szenario lautet: Merkel geht früher

    Modell zwei ist komplizierter. Es mündet in der Überzeugung, dass „Merkel jetzt früher geht“, wie es in Parteikreisen heißt. Das wahrscheinlichste und vom Gesetz gedeckte Szenario: Die in letzter Zeit von Zitteranfällen geplagte Merkel erklärt aus gesundheitlichen Gründen ihren Rücktritt. Einem sogenannten Entlassungsverlangen hätte der Bundespräsident zu entsprechen. Der Bundestag müsste dann auf Vorschlag des Bundespräsidenten einen neuen Kanzler wählen. In der Zwischenzeit würde Steinmeier eine geschäftsführende Kanzlerin bestimmen, und das wiederum müsste die Chefin der am stärksten im Parlament vertretenen Partei sein. Kramp-Karrenbauer also.

    Dieses Szenario stößt allerdings vielen in der CDU jetzt schon sauer auf. Sie fürchten, dass Merkel und Kramp-Karrenbauer die Sache unter sich ausmachen und die Basis vor vollendete Tatsachen stellen. Als Zeuge dient den kritischen Geistern in der Partei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Der bestens vernetzte CDU-Recke hat kürzlich erst bei einer Veranstaltung unserer Zeitung in Augsburg seiner Partei den Rat gegeben, es notfalls mit einer Unions-Minderheitsregierung zu versuchen. Die Wähler würden dann schon schnell einsehen, dass sich das Land auch so regieren lasse.

    In der Tat spricht derzeit einiges für Variante zwei. AKK und Merkel haben den Deal unter sich ausgemacht, wie Spahn im Laufe des Tages bestätigt. Er habe von der „Entscheidung der Parteivorsitzenden und der Kanzlerin, wie alle anderen Präsidiumsmitglieder auch, in der Telefonkonferenz erfahren“. Beide Politikerinnen gehen damit ein Risiko ein, denn mit Peter Altmaier ist für die CDU bereits ein Saarländer im Kabinett vertreten. Der Proporz ist durcheinander, andere Landesverbände werden aufmucken.

    Kramp-Karrenbauer weiß zudem, dass der Chefinnensessel im Bendlerblock ein Schleudersitz ist. Die Bundeswehr ist eine schwer zu lenkende Truppe, das mussten von der Leyen und viele ihrer Vorgänger bereits schmerzlich erfahren. Großartige internationale Auftritte lassen sich nicht absolvieren, da haben es der Außen- oder der Wirtschafts-minister viel besser. Politisches Profil ist bei diesem Job kaum zu gewinnen.

    Schon bald könnte es zum großen Knall kommen

    Sinn macht die Entscheidung aber dann, „wenn man das Gesamtpaket betrachtet“, wie es ein CDU-Präsidialer formuliert. Und dieses Paket umfasst neben dem Parteivorsitz und neuerdings eben einem Kabinettsposten auch die Kanzlerschaft für AKK. Bereits nach den Landtagswahlen im Osten Anfang September in Sachsen und Brandenburg sowie Ende Oktober in Thüringen könnte es zu diesem großen Knall kommen, mutmaßen übereinstimmend einige altgediente CDUler.

    Wenn es so kommt, könnte diese Kabinettsumbildung mit ihren Folgen in die Geschichtsbücher eingehen. Kurzfristige Explosionen gab es in der CDU immer mal wieder; ein Beispiel lieferte Merkel selbst, als sie 1999 einen Beitrag in der FAZ lancierte und damit die Abnabelung der CDU von ihrem Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl einleitete. Von langer Hand geplante Revolten sind aus der Partei jedoch nicht überliefert. Vor allem hat es bislang noch kein CDU-Chef geschafft, seinen Nachfolger praktisch selbst zu bestimmen.

    Kramp-Karrenbauer wird kommenden Mittwoch bei einer Bundestagssondersitzung ihren Amtseid leisten und dabei schwören, ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes“ zu widmen. Ob damit auch das Wohl der CDU verbunden ist, bleibt abzuwarten.

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