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Corona-Pandemie: Warum AstraZeneca für über 60-Jährige wichtig werden könnte

Corona-Pandemie

Warum AstraZeneca für über 60-Jährige wichtig werden könnte

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    Umstrittener Impfstoff „Vaxzevria“ von AstraZeneca: In den kommenden drei Monaten erwartet Deutschland fast 17 Millionen Dosen des britisch-schwedischen Herstellers.
    Umstrittener Impfstoff „Vaxzevria“ von AstraZeneca: In den kommenden drei Monaten erwartet Deutschland fast 17 Millionen Dosen des britisch-schwedischen Herstellers. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Zumindest CDU-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dürfte diese Woche aufgeatmet haben. Seine noch vor knapp zwei Wochen umstrittene Entscheidung, die Impfungen mit dem Mittel von AstraZeneca wegen seltener, aber schwerwiegender Nebenwirkungen vorübergehend auszusetzen, erwies sich im Nachhinein im Urteil der Experten als richtig. Das ist aber fast die einzige Klarheit, die es in dem Hin und Her um den Impfstoff gibt.

    In der Bevölkerung kam Ende Januar die Nachricht an, AstraZeneca sei nichts für über 65-Jährige. Und acht Wochen später heißt es, AstraZeneca soll es nur noch für über 60-Jährige geben. Obendrein schien zwei Wochen unklar, ob die seltenen, aber gefährlichen Nebenwirkungen überhaupt noch eine Rolle spielen. Denn nach der Entscheidung der europäischen Arzneimittelagentur EMA verbreitete sich der Eindruck, man ändere den Beipackzettel um Risiken und Nebenwirkungen. Aber sonst überwiege der Nutzen, erklärten die europäischen Arzneimittel-Aufseher lapidar.

    Experten prüften AstraZeneca-Nebenwirkungen im Hintergrund

    Währenddessen machten immer neue Todesfälle Schlagzeilen, wie der einer Allgäuer Krankenschwester, die einer Gehirnvenenthrombose drei Wochen nach der Impfung erlag. Auch die Zahl der glimpflicher ausgegangenen Nebenwirkungen summierte sich Tag für Tag auf über 30.

    Dass aber die Ständige Impfkommission und das für Impfmittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut tatsächlich die Fälle der Sinusvenenthrombosen laufend untersuchten, war bis zum Wochenende allenfalls in Fachkreisen bekannt, während in der Bevölkerung die Zweifel wuchsen, insbesondere bei geimpften jungen Frauen in medizinischen Berufen.

    Verunsicherung über AstraZeneca ist groß

    Nun hat angesichts dieser Kommunikationspolitik ausgerechnet nach der Klärung der tatsächlichen Risiken des AstraZeneca-Impfstoffs die Verunsicherung einen Höhepunkt erreicht. Doch angesichts der immer schneller durch die hochansteckende britische Virusvariante anrollenden dritten Welle halten Experten die von April bis Juni erwarteten fast 17 Millionen Dosen AstraZeneca für unverzichtbar. Zuletzt hat sich die Sieben-Tage-Inzidenz binnen drei Wochen von 70 auf 140 in Deutschland verdoppelt. Die Zahl der Intensivpatienten steigt ebenfalls trotz Zeitverzögerung steil an. Dort versterben inzwischen jeden einzelnen Tag über hundert Corona-Schwerkranke. Den höchsten Anteil unter den Patienten macht laut Robert-Koch-Institut derzeit die Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen aus.

    Genau diese Altersgruppe könnte nun mit den verfügbaren AstraZeneca Impfdosen eine schnellere Erstimpfung erhalten. Bei den über 60-Jährigen ist das Risiko einer Hirnvenenthrombose generell geringer, aber auch die Nebenwirkungen des Impfstoffs. In Großbritannien sind die meisten der über 60 Jahre alten Briten zum Großteil mit AstraZeneca geimpft worden, ohne dass dort mehr gefährliche Thrombosen auftraten als im Durchschnitt der Jahre vor Corona.

    AstraZeneca: Viele Nebenwirkungen bei Frauen bei Corona-Impfungen

    Dies könnte laut Immunexperten damit zu tun haben, dass die Nebenwirkung des AstraZeneca-Impfstoffs höchstwahrscheinlich eine Überreaktion des Immunsystems ist, das jedoch mit zunehmenden Alter bei Frauen und Männern an Kraft verliert. Generell ist das Immunsystem bei Frauen von Natur aus stärker ausgeprägt als bei Männern. Das ist für Wissenschaftler die Erklärung, warum Frauen insgesamt von schwachen wie starken Nebenwirkungen der Impfungen häufiger betroffen sind als Männer. Das gilt nicht nur für AstraZeneca, sondern auch für die Mittel von Biontech und Moderna.

    Laut Paul-Ehrlich-Institut treten zwischen 73 und 84 Prozent der Nebenwirkungen bei Frauen auf. Das ist nur zum Teil darin begründet, dass zwei Drittel aller Geimpften weiblich sind. AstraZeneca hat entgegen seinem angekratzten Ruf dabei sogar Vorteile: Der britisch-schwedische Impfstoff verzeichnet laut Paul-Ehrlich-Institut eine bessere Nebenwirkungsbilanz als Biontech und Moderna: Bei AstraZeneca sind 95,4 Prozent der gemeldeten Nebenwirkungen harmlos, bei Biontech und Moderna nur 85 Prozent. Zudem hat sich in Großbritannien herausgestellt, dass die Erstimpfung mit AstraZeneca noch besser vor Krankenhausaufenthalten schützt als bei Biontech.

    FDP fordert Aufklärungskampagne gegen Verunsicherung bei AstraZeneca

    Insofern könnte der umstrittene Impfstoff als schneller Helfer gegen die dritte Welle für die besonders gefährdeten über 60-Jährigen noch eine Chance haben. Um der Verunsicherung der Betroffenen zu begegnen, fordert der FDP-Gesundheitsexperte und Würzburger Medizinprofessor Andrew Ullmann nun von CDU-Gesundheitsminister Spahn endlich eine Aufklärungskampagne, die diesen Namen verdiene: „Die Bundesregierung steht jetzt am Wendepunkt ihrer Corona-Impfkampagne“, betont Ullmann. „Die nächsten Wochen werden wahrscheinlich über Erfolg und Misserfolg entscheiden“, warnt er. „Deshalb muss die Aufklärungskampagne der Bundesregierung informativer und zielgenauer werden. Das ist entscheidend für das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in eine Impfung.“

    Ullmann forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf, aktiver gegen die Verusnischerung der Bevölkerung vorzugehen: „Das ist entscheidend für das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in eine Impfung, aber auch für die Ärztinnen und Ärzte“, betonte der Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss.

    Er forderte zugleich weitere Untersuchungen: „Die Daten zu den Nebenwirkungen von AstraZeneca müssen weiter gesammelt und ausgewertet werden.“ Dabei müssten deutsche, britische und EU-Erkenntnisse herangezogen werden, um weitere Risikofaktoren besser zu identifizieren sowie Klarheit und Vertrauen zu schaffen. „Es ist für die Bürgerinnen und Bürger irritierend, dass unterschiedliche medizinische Behörden wiederholt zu verschiedenen Schlussfolgerungen kommen“, warnte Ullmann. „Die Bundesregierung muss entsprechende Auswertungen umgehend in Auftrag geben“, forderte der FDP-Politiker.

    Ullmann stellte sich zugleich hinter die Empfehlung der Ständigen Impfkommission. „Die Anpassung der Stiko-Empfehlung zu Astrazeneca ist für mich als Arzt nachvollziehbar“, sagte der Würzburger Universitätsprofessor für Infektiologie. „Ich würde bei Frauen in dieser Alterskategorie ebenfalls besonders vorsichtig sein.“

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