Deutsche Steuersünder dürfen in der Schweiz nicht verfolgt werden. Die Bundesregierung ist mit entsprechenden Plänen zum Steuerabkommen mit der Schweiz am Bundesrat gescheitert. Der Bundesrat verweigerte dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen am Freitag aufgrund des Widerstandes der von SPD und Grünen regierten Länder seine Zustimmung.
Abkommen mit Schweiz läuft Gerechtigkeit zuwider
Die SPD bekräftigte im Bundesrat ihre Auffassung, dass das Abkommen mit der Schweiz der Steuergerechtigkeit zuwiderlaufe: Es lasse Steuerhinterzieher in der Schweiz zu großzügig davonkommen und biete zu viele Schlupflöcher. Die Bundesregierung verwies auf erwartete Steuereinnahmen in Milliardenhöhe und warnte davor, dass ohne das Abkommen die Möglichkeit ungesühnter Steuerhinterziehung in der Schweiz bestehen bleibe.
Das Steuerabkommen hätte vorgesehen, dass illegal in die Schweiz transferierte Vermögen pauschal mit einem Satz von 21 bis 41 Prozent nachversteuert werden müsste. Die Namen der Steuerhinterzieher wären den deutschen Behörden aber nicht übermittelt worden. Kapitalanlagen deutscher Steuerzahler bei Schweizer Banken hätten künftig genauso besteuert werden sollen wie im Inland.
"Ehrlicher Steuerzahler muss sich wie Trottel vorkommen"
Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) begründete seine Ablehnung damit, dass das Abkommen gegen die Steuergerechtigkeit verstoße. Es sei ein Vertrag, "bei dem sich die ehrlichen Steuerzahler wie Trottel vorkommen müssen".
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb in der Länderkammer für ein Ja. "Das Abkommen versucht, eine bessere Lösung zu finden für einen Zustand, der unbefriedigend ist", sagte er. Dass bereits begangene Steuerhinterzieher in der Schweiz nicht bestraft werden könnten, liege an der Geltung des Schweizer Bankgeheimnisses, das nicht rückwirkend geändert werden könne.
Es geht um die Steuermoral
Die Bundesregierung hatte argumentiert, dass das Abkommen allein 2013 Einkünfte von zehn Milliarden Euro einbringen könnte. Der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) wies diese Erwartungen als "irreal" zurück. Außerdem gehe es bei dem Streit "nicht um die Frage: Wie viele Mehreinnahmen wären denkbar". Vielmehr gehe es um Steuermoral.
Die Bundesregierung stellte ihrerseits die Praxis mancher Bundesländer in Frage, Steuerhinterziehern durch den Ankauf von CDs mit schweizerischen Bankdaten auf die Schliche zu kommen. Hier arbeiteten deutsche Behörden mit Menschen zusammen, "die gegen ihre nationalen Gesetze verstoßen", kritisierte Schäuble. Dies sei "kein zufriedenstellendes Prinzip". In Anspielung auf die Datenkäufe sagte Walter-Borjans, "dass wir auf eine Weise fortfahren müssen, wie wir das bisher tun".
Über das weitere Schicksal des Steuerabkommens herrschte zunächst Unklarheit. Das Bundeskabinett will am kommenden Mittwoch entscheiden, ob der Vermittlungsausschuss angerufen werden soll. Dessen Spielraum dürfte aber gering sein, da das Abkommen bereits komplett mit der Schweiz ausgehandelt und dort parlamentarisch verabschiedet ist. Die SPD-Länder regten Verhandlungen über eine europaweite Besteuerung von Kapitalerträgen an, was Schäuble allerdings als "Scheingefechte" abtat.
Die Schweiz wollte das Abkommen noch nicht verloren geben. Das Land sei "nach wie vor bereit, mit Deutschland den Ratifizierungsprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen", erklärte die schweizerische Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf.
Die Regierung ließ offen, ob sie über ein Vermittlungsverfahren noch einen Versuch zur Rettung des Abkommens unternehmen will. afp/AZ