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Ungarn: Noch elf Monate bis zur Wahl: Viktor Orbáns Endspiel hat begonnen

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Noch elf Monate bis zur Wahl: Viktor Orbáns Endspiel hat begonnen

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    In Europa isoliert und von der Pandemie überrollt: Premier Viktor Orbán gerät in Ungarn unter Druck.
    In Europa isoliert und von der Pandemie überrollt: Premier Viktor Orbán gerät in Ungarn unter Druck. Foto: Ludovic Marin, dpa

    Es läuft nicht rund für Viktor Orbán. Da ist vor allem diese eine Zahl, die Ungarns Premier selbst mit seiner rigiden Medienpolitik nicht aus der Welt schaffen kann: 2970 Covid-19-Tote je eine Million Einwohner. Das ist die Pandemiebilanz des osteuropäischen Landes – der schlechteste Wert weltweit. Ungarn verzeichnet, gemessen an der Bevölkerung, fast 17-mal mehr Corona-Opfer als das so hart getroffene Indien (178 Tote je Million Einwohner). Für einen Premier, der seit elf Jahren mit absoluter Mehrheit regiert, ist das nicht nur eine bittere Rechnung. Es ist vor allem ein schwaches Arbeitszeugnis. Und deshalb steht der bekennende Illiberale, der die EU mit seinen nationalen Alleingängen immer wieder herausgefordert hat, nun selbst unter Druck: In elf Monaten ist Parlamentswahl.

    In Umfragen liegt Orbáns Fidesz mit 48 Prozent zwar weiter gut im Rennen. Vor Beginn der Pandemie lag die rechtsnationale Regierungspartei aber bei 56 Prozent. Dramatischer für Orbán aber ist die Neuformierung der Opposition. Bisher konnte sich der Premier nahezu blind darauf verlassen, dass sich Sozialdemokraten und Grüne, Liberale, Bürgerliche und die Rechtsaußenpartei Jobbik am Ende gegenseitig zerfleischen. Nun aber haben die Orbán-Gegner alle Fehden beendet und ein Wahlbündnis geschmiedet, das in den Umfragen gleichauf mit Fidesz liegt. Dabei hat die Opposition nur einen gemeinsamen Programmpunkt: die „Überwindung des Systems Orbán“. Ob das reicht?

    Viktor Orbán hat große Probleme in der EU

    Glaubt man dem Budapester Politologen Gábor Török, hat Orbán erstmals seit elf Jahren allen Grund, sich „um seinen Machterhalt zu sorgen“. Und das hat nicht nur mit der Pandemie zu tun. Noch größere Probleme hat Orbán in der EU. Mitte März musste der Fidesz nach jahrelangem Streit die Europäische Volkspartei (EVP) verlassen. Orbán kam einem Rauswurf aus der christlich-konservativen Parteienfamilie zuvor, der auch die CDU/CSU angehört. Damit hat der Ungar, der einst als politischer Ziehsohn von Helmut Kohl galt, die Unterstützung aus dem mächtigsten EU-Staat verloren. Die deutschen Konservativen hatten genug von seinen Attacken auf Brüssel und seiner antidemokratischen Agenda.

    Die Bilanz von Orbáns Regierungszeit liest sich tatsächlich wie aus einem Handbuch des Autoritarismus. Er unterwarf die Medien weitgehend der Regierungskontrolle, attackierte die Unabhängigkeit der Justiz und höhlte die Freiheit der Wissenschaften aus. Mit der Mehrheit des Fidesz beschnitt das Parlament sogar seine eigenen Rechte. Hinzu kam der „Illiberalismus“, worunter Orbán vor allem eine repressive Politik gegenüber Migranten und sexuellen Minderheiten verstand. Seit der Flüchtlingskrise 2015 gebärdete sich Orbán als „Verteidiger des christlichen Abendlandes“ und verschärfte unter Umgehung von EU-Recht das Asylrecht bis an den Rand der Abschaffung.

    CSU-Chef Söder: Fidesz hat sich "von christdemokratischen Werten verabschiedet"

    Christlich? In Wirklichkeit habe sich der Fidesz „von christdemokratischen Werten verabschiedet“, erklärte CSU-Chef Markus Söder kurz vor dem Bruch mit Orbán. Da war die Angst vor der Bildung einer „neuen Rechten“ in der EU, die der Ungar ankündigte, schon nicht mehr so groß. Heute steht Orbán in Europa weitgehend isoliert da. Mit dem Brexit haben die mächtigen EU-Skeptiker von der Insel die Union verlassen. In Italien verlor Rechtsaußen Matteo Salvini an Einfluss. Und auch in Orbáns Bündnis mit der polnischen PiS zeigen sich Risse.

    Noch im vorigen Jahr hatten die Regierungen in Warschau und Budapest einen Abwehrkampf gegen verschärfte Rechtsstaatsregeln in der EU geführt – und verloren. Wer sich nicht an demokratische Werte hält, muss mit Geldentzug rechnen. Zwar klagten beide noch vor dem höchsten EU-Gericht; doch fremdeln Ungarn und Polen immer stärker. Das hat mit Orbáns Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin zu tun: Den betrachtet man in Warschau als Aggressor, in Budapest dagegen treibt man den Bau neuer Atomreaktoren im AKW Paks durch den Moskauer Nuklearkonzern Rosatom voran. Und als die Corona-Pandemie im Winter aus dem Ruder lief, kaufte Ungarns Regierung in großem Stil den russischen Impfstoff Sputnik V, ohne auf eine EU-Zulassung zu warten.

    Zugleich sucht Ungarns Premier Viktor Orbán die Nähe zu China

    Zugleich sucht Orbán die Nähe zu China. Auch dort kaufte er Impfstoff, und zuletzt bahnte er den milliardenschweren Bau einer chinesischen Eliteuniversität in Budapest an. Kurz darauf legte Ungarn in Brüssel sein Veto gegen eine chinakritische EU-Resolution ein. Ist das schon die endgültige Hinwendung zum Autoritarismus? Vieles deutet zumindest darauf hin, dass der Fußballfan Orbán sein politisches Endspiel begonnen hat. Mit bald 58 Jahren versprüht er zwar noch immer viel Energie. Der Ungar ist aber längst nicht mehr der ewig junge „Powerpremier“ aus dem Osten, der selbst französische Präsidenten und eine deutsche Kanzlerin vor sich hertreiben kann.

    Wenn Angela Merkel demnächst in den politischen Ruhestand wechselt, wird Orbán in der EU der am längsten amtierende Regierungschef sein. Die Zukunft scheint anderen zu gehören: dem 34-jährigen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz zum Beispiel oder Annalena Baerbock, 40, dem Shootingstar der deutschen Grünen. Deren Partei steuert im EU-Parlament den härtesten Anti-Orbán-Kurs. Am Ende könnte also eine frontale Konfrontation stehen, in der selbst ein „Hungexit“ nicht mehr ausgeschlossen wäre, ein Austritt Ungarns aus der EU. Orbán könnte, um seine autoritäre Macht zu sichern, auf Russland und China setzen. Ob es dazu kommt – auch darüber entscheiden die Wähler bei der Parlamentswahl im nächsten Jahr.

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