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US-Wahlkampf 2016: Deutschland will Hillary Clinton - Sorge vor Trump

US-Wahlkampf 2016

Deutschland will Hillary Clinton - Sorge vor Trump

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    Hillary Clinton auf Wahlkampftour in Virginia.
    Hillary Clinton auf Wahlkampftour in Virginia. Foto: Michael Reynolds (dpa)

    Die Nacht zum 9. November wird in diesem Jahr für Viele in Berlin zur langen Nacht. An den verschiedensten Orten der Hauptstadt - Unter den Linden, im Botschaftsviertel am Tiergarten, sogar in einigen Privatclubs - werden in der Nacht der Entscheidung in den USA große Wahlpartys gefeiert. Bis am Mittwoch irgendwann in der Früh feststehen wird, ob die Vereinigten Staaten künftig von Hillary Clinton regiert werden oder tatsächlich von Donald Trump. Wird es Trump, sind die Feiern wohl sofort vorbei.

    Deutschland - die offizielle Politik wie der Großteil der Bevölkerung - ist sich einig wie selten darin, dass die ehemalige First Lady und Außenministerin die klar bessere Wahl wäre. Nach der neuesten Umfrage für die ARD-"Tagesthemen" meinen 77 Prozent der Bundesbürger, dass sich unter Trump das Verhältnis zu den USA verschlechtern würde. Bei einem Wahlsieg Clintons fürchten das nur fünf Prozent.

    Angela Merkel hat sich - im Unterschied zu vielen anderen, ihrem Außenminister zum Beispiel - nie so klar geäußert. Aber wem die Kanzlerin den Vorzug gäbe, liegt auf der Hand. Clinton und sie kennen sich seit mehr als 20 Jahren. Sie schätzen einander. Nicht nur äußerlich ähneln sie sich. Beide haben eine eher ruhige und nüchterne Art, Politik zu machen. Zudem hat man in Berlin nach acht Jahren unter Barack Obama zu den Demokraten beste Kontakte.

    Dagegen gibt es zum Lager des republikanischen Kandidaten so gut wie keine Drähte. Die Versuche, Zugang zu finden, brachten minimalen Erfolg. Merkel und Trump haben sich auch noch nie gesehen. Um Vertrauen aufzubauen, bräuchte es viel Zeit.

    Und man darf davon ausgehen, dass der Multimillionär mit seinem Wahlkampf - laut, frauenfeindlich, hetzerisch - keinesfalls beeindruckt, sondern eher abgestoßen hat. Was Trump zur Flüchtlingspolititik sagte, zum Pariser Klimavertrag, zur Nato, fand man in Berlin gar nicht gut.

    Das Verhältnis zu Russland könnte sich mit Clinton verschlechtern

    Angst hätte Merkel dennoch nicht, heißt es in Regierungskreisen. Sie bleibe bei ihrer Linie, erst dann zu urteilen, wenn es so weit sei. Entscheidend sei, wie sich ein Präsident Trump tatsächlich verhalten würde. Ohne die USA mag sich Merkel die Weltordnung nicht vorstellen. Für sie sind die Vereinigten Staaten der wichtigste Partner. Immer wenn sich Washington zurückhalte, drohe dem Westen eine Schwächung.

    Hillary Clinton in Florida: Sie geht in die Offensive. Das Rennen wird enger, eine Erhebung sieht Trump wenige Tage vor der Wahl sogar vorn.
    Hillary Clinton in Florida: Sie geht in die Offensive. Das Rennen wird enger, eine Erhebung sieht Trump wenige Tage vor der Wahl sogar vorn. Foto: Cristobal Herrera (dpa)

    Allerdings ist keineswegs ausgemacht, dass es unter einer Präsidentin Clinton besser würde. Viele Experten erwarten, dass die Ansprüche aus Washington an Europa - und damit in erster Linie an Deutschland - unter ihr steigen würden.

    Im Vergleich zu Obama gilt sie als Verfechterin einer härteren, machtbewussteren, wieder interventionistischeren Linie. Das Verhältnis des Westens zu Russland könnte sich noch mehr verschlechtern.

    Wichtige Wählergruppen in den USA

    Der demografische Wandel in den USA begünstigt die Demokraten. Die Mitte-Links-Partei bekommt üblicherweise eine Mehrheit der Stimmen von ethnischen Minderheiten und jungen Menschen. Das spricht für die demokratische Kandidatin Hillary Clinton und gegen ihren Kontrahenten von den Republikanern, Donald Trump, bei der Präsidentenwahl am 8. November. Ein Blick auf das Wahlverhalten einiger wichtiger Bevölkerungsgruppen in den USA:

    Afroamerikaner: Seit sich die Demokraten für das Wahlrecht von Afroamerikanern einsetzten, gehören diese zu deren treuesten Wählergruppen. Als erster schwarzer US-Präsident erhielt Barack Obama 2012 bei seiner Wiederwahl 95 Prozent ihrer Stimmen. Auch Clinton kann auf die Unterstützung der Wählergruppe hoffen, allerdings nicht mit einer hohen Wahlbeteiligung von 66 Prozent wie vor vier Jahren. Wie auch bei anderen Gruppen hat sich Trump mit kontroversen Bemerkungen auch bei schwarzen Bürgern nicht beliebt gemacht. Auch sein Argument «Was haben Sie zu verlieren» dürfte wenige überzeugen.

    Hispanos: US-Bürger mit lateinamerikanischen Wurzeln sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Auch diese Gruppe gab ihre Stimme 2012 meist Obama, machte damals aber einen geringeren Teil der Wähler aus. Die Demokraten müssen sie vor allem zum Wählengehen überreden - 2012 taten das nur 48 Prozent. Das Zünglein an der Waage könnten Hispanos im Wechselwählerstaat Florida sein, wo die große Gruppe kubanischstämmiger Bürger traditionell die Republikaner unterstützt. In Bundesstaaten mit großem Latino-Anteil wie Colorado und Arizona könnten Trumps abfällige Bemerkungen über mexikanische Einwanderer und die Forderungen nach einem Riesengrenzwall Clinton zugute kommen. 

    Frauen: Frauen sind schon seit Beginn seiner Kandidatur ein Schwachpunkt für Donald Trump. Nach zahlreichen sexistischen Einlassungen dürfte das jüngst veröffentlichte Video, in dem der Republikaner vulgär über sein Vorgehen bei Frauen plaudert, die Kluft zur weiblichen Wählerschaft nur vergrößert haben. Umfragen zeigten Clinton klar bei den Wählerinnen vorne - und Trump bei Männern. Während Trump keine erkennbare Agenda zur Frauenpolitik vertritt, hat Clinton in ihrer Kampagne immer wieder Themen wie Lohngerechtigkeit, Elternzeit und Abtreibung angesprochen. 

    Evangelikale Christen: Konservative Christen sind für die Republikaner seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Wählergruppen und haben trotz Vorbehalten gegen Trump bei den Vorwahlen größtenteils zur Partei gehalten. Aber auch mit dieser Gruppe könnte es sich der 70-Jährige seit der Enthüllungen über seine Anzüglichkeiten verscherzt haben. Denkbar ist, dass ein Teil dieser Gruppe bei der Wahl einfach zu Hause bleibt, weil er bei keinem Kandidaten mehr genügend Übereinstimmung mit der eigenen Weltsicht sieht. 

    Gering gebildete, weiße Männer: Trumps Wahlslogan «Make America Great Again» richtet sich zu großem Teil an weiße Männer ohne höheren Schulabschluss - jene Gruppe, die besonders von den Jobverlusten im Produktionssektor betroffen ist. Sie ist für Trumps Appelle gegen Einwanderung oder internationale Handlungsabkommen empfänglich. Traditionell wählten die Gewerkschaften eher demokratisch. Aber die weiße Arbeiterschaft ist zunehmend nach rechts gerückt - oder gar nicht mehr wählen gegangen. Trump hofft, dass bisherige Nichtwähler für ihn stimmen werden, weil er eine radikal andere US-Politik verspricht. Das könnte ihm in früher stark industriell geprägten «Swing States» wie Ohio oder Pennsylvania nützen.

    "Der Tag, dass wir uns nach Obama zurücksehnen, wird möglicherweise nicht sehr lange auf sich warten lassen", heißt es in der Bundesregierung. Die Hoffnung, dass sich in den aktuellen Krisen - von Ukraine bis Syrien - etwas zum Besseren bewegt, ist dort aktuell nicht gerade groß. "2016 war schon ein richtig schlechtes Jahr, aber 2017 könnte noch viel schlimmer werden." Und dann ist im Herbst ja auch noch Bundestagswahl, was die Gemengelage keineswegs einfacher macht.

    So könnte es beim Obamas Abschiedsbesuch Mitte November durchaus ein wenig sentimental werden. Die Nachfolgerin - oder der Nachfolger - wird dann spätestens Mitte 2017 in Deutschland erwartet. Im Juli findet in Hamburg das Gipfeltreffen der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20) statt. Wenn Clinton gewinnt, dürfte sich Merkel aber zuvor schon auf den Weg nach Washington machen. Wird es Trump, sieht die Sache anders aus.

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