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Tichys Einblick: Roland Tichy verlässt Erhard-Stiftung: Eine Provokation zu viel

Tichys Einblick

Roland Tichy verlässt Erhard-Stiftung: Eine Provokation zu viel

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    Der Publizist Roland Tichy steht massiv in der Kritik.
    Der Publizist Roland Tichy steht massiv in der Kritik. Foto: Frank Leonhardt, dpa

    Roland Tichy selbst bezeichnet sein monatlich erscheinendes Heft Tichys Einblick als „liberal-konservatives Meinungsmagazin“. Seine Kritiker sehen darin eher eine journalistische Spielwiese für populistische Stimmungsmacher, auf der die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben werden. In der aktuellen Ausgabe zum Beispiel erschien dort ein kurzer Artikel über die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Es ging um die Ambitionen der 42-Jährigen auf ein Bundestagsmandat. „Was spricht für Sawsan? Befreundete Journalistinnen haben bislang nur den G-Punkt als Pluspunkt feststellen können in der Spezialdemokratischen Partei der alten Männer“, ätzte Tichys Einblick. Als Dorothee Bär diesen Artikel entdeckte, war sie fassungslos. Die CSU-Politikerin ist nicht nur Staatsministerin für Digitales, sondern auch Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung. Deren Vorsitzender heißt: Roland Tichy. Noch.

    Dorothee Bär bezeichnet Text als „widerlichen Dreck“

    Bär bezeichnete den Artikel als „widerlichen Dreck“, verurteilte die „frauenverachtenden und in höchstem Ausmaß sexistischen Äußerungen“ – und gab ihren Austritt bekannt. „Sofern die Stiftung einen Vorsitzenden hat, unter dessen Federführung solche Texte veröffentlicht werden, kann und will ich sie nicht weiter unterstützen. Es zeigt eine gesellschaftspolitische Geisteshaltung, die ich nicht akzeptiere“, erklärte Bär und setzte damit eine Entwicklung in Gang, an deren Ende die Ankündigung Tichys stand, er werde Ende Oktober nicht mehr für den Vorsitz kandidieren.

    Sawsan Chebli war das Opfer des sexistischen Artikels in Tichys Einblick.
    Sawsan Chebli war das Opfer des sexistischen Artikels in Tichys Einblick. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Gesundheitsminister Jens Spahn hatte sich gerade noch rechtzeitig distanzieren können, bevor sich die Sache von selbst erledigte. Bislang sah der CDU-Politiker keinen Anlass, die Stiftung zu verlassen. Nicht einmal, als Tichy der CDU eine „Säuberung“ der Partei von „unerwünschten Elementen“ unterstellte und seine Twitter-Botschaft mit „Heil Dir, Kanzlerin! Wir folgen Dir in den Untergang!“ beendete. Doch Bärs Konsequenz brachte Spahn und andere prominente Mitglieder der Stiftung, wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann in Erklärungsnot. „Roland Tichy erschleicht sich via Ludwig-Erhard-Stiftung Restrespekt, das sollte kein Demokrat mitmachen. Es ist ganz einfach: Tichy weg oder raus da“, forderte auch der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff.

    Dorothee Bär hat ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung aus Protest gegen den Vorsitzenden Roland Tichy gekündigt.
    Dorothee Bär hat ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung aus Protest gegen den Vorsitzenden Roland Tichy gekündigt. Foto: Sonja Wurtscheid, dpa

    Am Donnerstagvormittag teilte schließlich auch Spahn mit, er werde seine Mitgliedschaft ruhen lassen. Wenige Minuten später sickerte durch, dass der umstrittene Vorsitzende abtritt.

    FDP-Mann Lambsdorff: Tichy beschmutzt das Andenken Erhards

    „Tichys rechtspopulistische und frauenfeindliche Meinungskampagnen sprechen Bände. So ein Mann ehrt das Andenken Ludwig Erhards nicht, er beschmutzt es“, kommentierte Lambsdorff die Entscheidung im Gespräch mit unserer Redaktion. Dorothee Bär habe mit ihrem Austritt den Druck auf Tichy endlich so erhöht, dass er den Vorsitz aufgeben musste. „Das ist erfreulich und zeigt: Ein symbolischer Akt kann echte Änderung bewirken“, betonte der FDP-Politiker, dessen Onkel – der einstige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff – zu den prominenten Ludwig-Erhard-Preisträgern gehört. In dieser Reihe hätte auch Friedrich Merz stehen können. Doch er lehnte die Auszeichnung 2018 ab. Begründung: Er wolle nicht mit Tichy auf einer Bühne stehen. Schon damals wandten sich mehrere Jury-Mitglieder ab, weil sie fanden, der Vorsitzende nutze das Renommee der Stiftung, um seinen eigenen publizistischen Aktivitäten Gewicht zu verleihen.

    Tichy hat sich journalistisch selbstradikalisiert

    Tichy, früher Chefredakteur der Wirtschaftswoche, hat sich spätestens mit der Flüchtlingskrise einer Art journalistischen Selbstradikalisierung unterzogen. Der Ton in seinem Online-Blog und im gedruckten Magazin wurde schärfer, aus Provokationen immer häufiger Verunglimpfungen. Den Vorwurf, sein Geschäftsmodell basiere auf Falschbehauptungen, will er sich dennoch nicht gefallen lassen. Als Claudia Roth das im Interview mit unserer Redaktion sagte, zerrte Tichy die Grünen-Politikerin vor Gericht. Die Richter sahen in Roths Worten allerdings eine zulässige Meinungsäußerung und wiesen die Klage ab.

    Für das rechtspopulistische Lager in Deutschland ist Tichy eine Galionsfigur. Daran dürfte auch sein Ende an der Spitze der Erhard-Stiftung nichts ändern. Eher könnte der 64-Jährige den Vorgang benutzen, um seine These der vermeintlich eingeschränkten Meinungsfreiheit zu belegen. Unterstützung bekam er am Donnerstag prompt von der AfD. „So kann das nicht weitergehen mit der Meinungsdiktatur in Deutschland“, kommentierte Joachim Paul, Mitglied des AfD-Bundesvorstandes.

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