Diesen Steilpass vor das Tor des politischen Gegners lässt sich Jürgen Trittin nicht entgehen. Er braucht den Ball nur noch reinzuschieben. Und so legt der Fraktionschef der Grünen in einer kurzfristig angesetzten Aktuellen Stunde des Bundestags zum Thema Steuerhinterziehung so richtig los.
Uli Hoeneß sei kein „beklagenswerter Einzelfall“, wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble behaupte, vielmehr gebe es seit dem gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz eine ganze Welle von Selbstanzeigen, 3356 seit Jahresbeginn. „Uli Hoeneß ist der Kronzeuge gegen Ihr Abkommen“, sagt Trittin, der den Vertrag ein „Geldwaschgesetz“ nennt, tausende Steuerflüchtlinge hätten wie der Bayern-Präsident nur darauf gewartet, sich hinter der Anonymität dieses Vertrages verstecken zu können und klammheimlich amnestiert zu werden.
Im Kampf gegen Steuerhinterziehung sei keine Regierung so erfolgreich wie die deutsche
Aber auch die schwarz-gelbe Koalition beherrscht die Kunst des schnellen Konters. Die Kritik der Opposition am Steuerabkommen mit der Schweiz sei „schäbig, dreist und unverschämt“, tobt der Finanzexperte der Unionsfraktion, Hans Michelbach (CSU). SPD und Grüne würden den Fall Hoeneß zum Anlass nehmen, eine „gefährliche Polemik gegen alle Reichen in diesem Land“ zu verbreiten und eine „verantwortungslose Blockadepolitik“ zu betreiben. Zum Steuerabkommen mit der Schweiz gebe es keine Alternative, da der Ankauf von Steuer-CDs keinen lückenhaften Durchgriff auf alle Konten ermögliche. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung sei keine Regierung so erfolgreich gewesen wie die schwarz-gelbe Koalition.
Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Steueroasen
Bei Steuerhinterziehung drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen können es sogar bis zu zehn Jahre sein. Laut Bundessteuerberaterkammer verjährt Steuerhinterziehung in schweren Fällen erst nach zehn Jahren.
Bei Selbstanzeige bleiben nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 nur noch Hinterziehungsbeträge bis 50.000 Euro pro Vorgang straffrei.
Bis 100.000 Euro kann von einer Strafe dann abgesehen werden, wenn der Betroffene neben den Verzugszinsen von 0,5 Prozent pro Monat einen Zuschlag von fünf Prozent auf die hinterzogenen Steuern zahlt.
Wer sich wegen Steuerhinterziehung selbst anzeigt, bleibt aber nur dann straffrei, wenn die Behörden von dem Fall bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts wussten - und es sich um maximal 100 000 Euro handelt.
Sind die Ermittlungen bereits im Gang, ist der Zug für den Steuersünder abgefahren. Bis dahin räumt das Gesetz die Möglichkeit ein, dem Finanzamt die nicht-erklärten Einkünfte nachzumelden. Dann aber vollständig.
Als Steueroasen werden Länder bezeichnet, die keine oder nur sehr niedrige Steuern auf Einkommen oder Vermögen erheben - und Anlegern Anonymität und Diskretion versprechen.
Besonders für Anleger, die in ihrem Heimatland höhere Steuersätze zahlen müssten, sind Steueroasen attraktiv. Die Staaten sind oft klein und wohlhabend, werden meist von stabilen Regierungen geführt und bemühen sich häufig um Investitionen aus dem Ausland.
Vielfach geht es um autonome Inselstaaten, weshalb häufig von "Offshore" die Rede ist. Oft genannt werden die Britischen Jungferninseln die Kaimaninseln, die Cookinseln und Samoa, die Seychellen sowie Hongkong, Singapur und Panama.
Unternehmen gründen oder kaufen für ihre Auslandsgeschäfte beispielsweise Tochterunternehmen, deren Gewinne im Niedrigsteuerland gehalten und wieder investiert werden. Oft erschweren komplexe Unternehmensgliederungen den Behörden die Ermittlungen.
Nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) umfasst das weltweite Hinterziehungsvolumen allein für deutsche Steuerhinterzieher rund 400 Milliarden Euro. Hiervon dürften laut DStG allein 150 Milliarden Euro auf die Schweiz entfallen.
Nicht alle Methoden, die deutschen Steuerbehörden zu umgehen, sind illegal. Wer etwa seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, kann privates Einkommen in ein ausländisches Niedrigsteuerland verlagern, ohne sich strafbar zu machen.
Auch International tätige Konzerne können ihre Gewinne legal auf die Tochterunternehmen verteilen, so dass ein möglichst geringes Steueraufkommen anfällt.
Strafbar macht sich aber, wer dem Finanzamt seine Geldanlagen in Überseegebieten verschweigt, seinen Wohnsitz aber in Deutschland hat und dort auch sein Einkommen versteuern müsste.
Hoch schlagen die Wellen im Plenarsaal des Bundestags. Der Fall Hoeneß kommt der schwarz-gelben Koalition wie der rot-grün-roten Opposition gerade recht, noch einmal die jeweils eigene Position zu verteidigen und mit großer moralischer Entrüstung der Gegenseite Fehler und Versäumnisse vorzuhalten, auch wenn es in der Sache keine neuen Argumente gibt.
Thomas Oppermann (SPD): Steuerhinterziehung ist eine „spezifische Form der Oberschichtenkriminalität“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, nennt Steuerhinterziehung eine „spezifische Form der Oberschichtenkriminalität“. Doch während die Union ansonsten im Kampf gegen die Kriminalität schwere Geschütze auffahre, sei sie bei Steuerflüchtlingen auffallend zurückhaltend, alleine in Bayern würden 100 Steuerfahnder fehlen. „Das grenzt an augenzwinkernde Kumpanei.“ Das „jämmerliche Steuerabkommen“ mit der Schweiz hätte dazu geführt, dass „solche Leute weiter wie Ehrenmänner in der Mitte der Gesellschaft leben können“.
Dagegen verteidigt CDU-Minister Schäuble noch einmal das Vertragswerk. Es hätte in 90 Prozent der Fälle eine höhere Besteuerung ergeben als die Regelbesteuerung bei den strafbefreienden Selbstanzeigen. Zudem wäre der Ankauf von CDs überflüssig geworden, weil die deutschen Finanzbehörden automatisch alle Daten erhalten hätten. „Wir hätten seit dem 1. Januar eine befriedigende Rechtslage“, sagte Schäuble.
Einig, immerhin, sind sich Regierung und Opposition, dass langfristig kein Weg am automatischen Datenaustausch vorbeigeht. Redner aller Parteien begrüßen, dass die letzten Bastionen des Steuergeheimnisses in der EU am Fallen seien und auch Luxemburg und Österreich ihre Daten den deutschen Finanzbehörden melden wollen.
Schäuble lehnt Forderungen nach Abschaffung der Selbstanzeige ab
Um auch außerhalb der EU an unversteuerte Konten heranzukommen, sollen die Standards der OECD erweitert werden. Die Forderung der Opposition nach einer Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige lehnt Finanzminister Schäuble allerdings entschieden ab. Dafür wiederum hat Jürgen Trittin überhaupt kein Verständnis. Wer 1000 Omas um jeweils 1000 Euro erleichtere, komme um eine Strafe kaum herum, wer aber eine Million Steuern hinterziehe, gehe straffrei aus. „Deswegen ist diese verlogene Doppelmoral, die im Fall Hoeneß auftritt, schlicht unerträglich.“
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer wies den Vorwurf der Kungeleien von Wirtschaft und CSU entschieden zurück. Steuersünder würden in Bayern genauso nachhaltig verfolgt wie anderswo, sagte der CSU-Chef. Hoeneß gilt als CSU-nah und war gelegentlich auch bei Veranstaltungen der Partei zu Gast. Seehofer betonte dennoch: „Ich pflege Partnerschaften, aber bei mir gibt es keine Kumpanei.“