Das gibt es sonst nur bei einem Besuch des amerikanischen Präsidenten oder des israelischen Regierungschefs in Berlin: Das Brandenburger Tor ist abgeriegelt, auf dem Dach des Hotels Adlon beziehen vermummte Scharfschützen der Polizei Position und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte gehen im Regierungsviertel Streife. Gullydeckel sind zugeschweißt, Straßen gesperrt. Es gilt ein absolutes Halteverbot, selbst Fahrräder dürfen nicht abgestellt werden. Auf der Spree fährt die Wasserschutzpolizei verstärkt Patrouille.
In der Hauptstadt herrscht in diesen Tagen wieder einmal die höchste Sicherheitsstufe. Insgesamt sind 4200 Polizisten aus Berlin und sieben Bundesländern im Einsatz. Doch es sind weder Donald Trump noch Benjamin Netanjahu nach Berlin gereist – der Aufwand gilt dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der ist schon Donnerstagmittag gelandet und nutzt die Zeit zunächst für Gespräche mit Vertretern türkischer Organisationen und Unternehmen. Erst am Freitag trifft er sich zu Gesprächen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel, ehe er am Samstag zur Eröffnung der neuen Zentralmoschee nach Köln fliegt.
Bundesregierung achtet auf Distanz zu Erdogan
Der hohe Sicherheitsaufwand belegt: Dieser Staatsbesuch ist anders. Die Nervosität ist groß, sowohl in Ankara als auch in Berlin. Vor allem Erdogan muss sich trotz der Begrüßung mit allen militärischen Ehren auf dem roten Teppich im Park von Schloss Bellevue auf einen kühlen Empfang einrichten. Kritik an seiner Politik und massive Proteste von Menschenrechtsorganisationen, die zu Demonstrationen in Berlin und Köln aufgerufen haben, werden ihn begleiten.
Selbst die Bundesregierung achtet auf Distanz. „Es geht sicherlich nicht nur um freundliche Töne“, sagt der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD). Die Türkei müsse sich in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewegen, zudem sei es für die Bundesregierung inakzeptabel, dass immer noch deutsche Staatsbürger in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert seien. Auch habe die Regierung die „inakzeptablen Beleidigungen im vergangenen Jahr, als uns Nazi-Methoden unterstellt wurden“, nicht vergessen. Gleichwohl sei man dankbar, „dass wir jetzt andere Töne aus Ankara hören“.
Weshalb Erdogan-Kritiker Özdemir am Staatsbankett teilnimmt
Im Vorfeld des Staatsbesuches üben Abgeordnete aller Fraktionen bei einer Debatte im Bundestag am Donnerstag massive Kritik an der Politik Erdogans. Auch an einer sogenannten „Spionage-App“ der türkischen Polizei, mit deren Hilfe nach Medienberichten Kritiker der Regierung in Ankara aus der ganzen Welt gemeldet werden können. FDP-Abgeordnete haben deswegen bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe Anzeige erstattet.
Alle Redner im Bundestag fordern die Einhaltung der Menschenrechte, Pressefreiheit sowie die Freilassung von Journalisten und anderen politischen Häftlingen. „Lassen Sie diese Menschen frei, lassen Sie freie Debatte in der Türkei wieder zu“, sagt der außenpolitische Sprecher der FDP, Alexander Graf Lambsdorff. Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir nennt Erdogan den „Machthaber eines Landes, in dem es praktisch keine Pressefreiheit mehr gibt, in dem immer mehr Menschen Angst haben, ihre Meinung zu äußern“.
Özdemir verteidigt seine Teilnahme an dem Staatsbankett für Erdogan in Schloss Bellevue. Er mache damit deutlich, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Opposition dazugehöre. In der Türkei könne Erdogan die Opposition mundtot machen. „In Deutschland nicht, deshalb gehe ich da hin.“ Dagegen sagten die Spitzen der FDP-, der Linken- und der Grünen-Fraktion ihre Teilnahme ab. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt nicht teil. Dafür ist Erdogan ihr Mittagsessensgast im Kanzleramt.
Erdogan
selber wirbt in einem großen Namensartikel in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung
für einen Neuanfang in den deutsch-türkischen Beziehungen. Beide Staaten stünden „mit der
Terrorgefahr
, der Migrations- und Flüchtlingsfrage und dem Wiedererstarken des Merkantilismus vor gemeinsamen Bedrohungen und Herausforderungen“,
.
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