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Corona-Krise: Söder kritisiert Corona-Politik der Länder und fordert Ausgangssperren

Corona-Krise

Söder kritisiert Corona-Politik der Länder und fordert Ausgangssperren

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    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lehnt einen neuen Bund-Länder-Gipfel vor Ostern ab. Er fordert dagegen die konsequente Umsetzung einer Corona-Notbremse mit Ausgangssperren.
    Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lehnt einen neuen Bund-Länder-Gipfel vor Ostern ab. Er fordert dagegen die konsequente Umsetzung einer Corona-Notbremse mit Ausgangssperren. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Je höher die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt, umso lauter werden die Warnungen aus der Politik und umso eindringlicher werden die Forderungen nach einem konsequenten Gegensteuern. In Bayern liegt die Sieben-Tage-Inzidenz inzwischen in allen Landkreisen und kreisfreien Städten über 50. Am Sonntag wies das Robert- Koch-Institut erstmals in der dritten Corona-Welle keinen Kreis mit niedrigeren Werten aus. Die bayernweite Inzidenz lag bei 135,8. Inzwischen liegen 70 bayerische Kreise über der Marke von 100.

    „Die Corona-Lage spitzt sich zu“, betont Ministerpräsident Markus Söder gegenüber unserer Redaktion und kritisiert zugleich seine Kollegen. „Einige Länder haben den Ernst der Lage leider noch nicht verstanden“, sagt der CSU-Chef. Denn obwohl sich auch die ansteckendere Virus-Mutation schnell ausbreitet, halten einige Ministerpräsidenten an Öffnungsschritten fest und stellen sich damit offen gegen das vereinbarte Vorgehen.

    Markus Söder: Corona-Notbremse mit Ausgangssperren muss bundesweit angewendet werden

    Das Land Berlin zum Beispiel nimmt Lockerungen etwa in Handel und Kultur nicht zurück, ergänzt sie stattdessen durch neue und verschärfte Regeln vor allem im Hinblick auf das Testen. So ist ab Mittwoch für jeden Berliner ein negativer Corona-Test Voraussetzung, um in Geschäften einkaufen gehen zu können. Die Corona-Notbremse kommt damit nicht in der Form zum Tragen, wie sie Bund und Länder beschlossen hatten. Dabei liegt der Inzidenzwert in der Hauptstadt seit Tagen über der 100er-Schwelle.

    Ein Vorgehen, das Söder scharf kritisiert. „Der Flickenteppich in der Corona-Bekämpfung muss beendet werden, dazu gehören Ausgangsbeschränkungen wie in Bayern und Baden-Württemberg“, sagt er. „Die braucht es jetzt in allen Städten und Landkreisen in Deutschland bei einer Inzidenz über 100.“

    CSU-Chef Markus Söder über Bund-Länder-Gipfel: "Es braucht nicht ständig neue Gespräche"

    Aus Baden-Württemberg kommt deshalb die Forderung nach weiteren Corona-Gesprächen zwischen Bund und Ländern noch vor Ostern. Darin solle über einen doch noch harten Lockdown beraten werden. „Wir müssen das auch mit anderen Ländern vorbesprechen, mit dem Bundeskanzleramt. Wir sehen halt, die Zahlen rasen förmlich hoch“, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Von einem vorgezogenen Gipfel hält hingegen Markus Söder nur wenig. „Es braucht nicht ständig neue Gespräche, sondern die konsequente Umsetzung der Notbremse: Überall in Deutschland muss bei einer Inzidenz über 100 automatisch die Notbremse greifen.“

    Rückendeckung erhält der bayerische Ministerpräsident von Kanzlerin Angela Merkel. Die appelliert an die Länderchefs, die beschlossene Notbremse strikt einzuhalten. „Wir müssen diese dritte Welle brechen“, sagt sie am Abend in der ARD-Talkshow „Anne Will“. Beim letzten Gipfel seien klare Regeln beschlossen worden, die wichtigste sei die Notbremse bei einem Inzidenzwert von 100. „Davon sehe ich im Augenblick noch nichts“, sagt sie mit Blick vor allem in Richtung Berlin, aber auch einzelne Regionen in Nordrhein-Westfalen. „Wir haben uns Stein und Bein geschworen, sie einzuhalten.“ Alles andere sei ein klarer Verstoß gegen die Beschlüsse. Allen von den Ländern geplanten Lockerungen, auch sogenannten Modellprojekten, erteilt sie eine klare Absage. Und sie macht aus ihrem Ärger über die Ministerpräsidenten keinen Hehl. „Wissen Sie, was ich manchmal für ein Gefühl habe? Dass sich so eine Rollenverteilung herausgebildet hat: Wir wissen schon, dass das Kanzleramt streng ist, und deshalb können wir ein kleines bisschen lockerer sein.“

    Um den steilen Anstieg der Corona-Zahlen zu bremsen, sei es notwendig, Kontakte weiter zu reduzieren. Hier nimmt sie auch die Wirtschaft in die Pflicht. Die würde nicht überall dort das Homeoffice anbieten, wo es möglich sei. Deshalb, so Merkel, könne es bald zu einer gesetzlich verankerten Pflicht kommen. „Ich schaue mir das nicht noch 14 Tage an.“

    Merkel deutet auch an, dass der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht die nötigen Maßnahmen ergreifen sollten. „Wir müssen mit einer großen Ernsthaftigkeit jetzt die geeigneten Maßnahmen einsetzen. Und einige Bundesländer tun das, andere tun es noch nicht.“ Wenn das nicht „in sehr absehbarer Zeit“ geschehe, müsse sie sich überlegen, wie sich das vielleicht auch bundeseinheitlich regeln lasse. „Das ist mein Amtseid, das ist meine Verpflichtung.“ Ein Möglichkeit sei, „das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen“.

    Unions-Gesundheitsexpertin warnt Länder vor Scheitern neuerlicher Ministerpräsidentenkonferenz

    Ein Gedanke, der inzwischen auch in der Unionsfraktion offen ausgesprochen wird. „Jedes Bundesland kann heute bereits die notwendigen Konsequenzen ziehen“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Karin Maag mit Blick auf die Lockdown-Diskussion. Wenn das nicht klappe, müsse der Bund Konsequenzen ziehen – auch wenn das nicht sofort gelingt. „Im Rahmen der Evaluation nach der Krise wird zu bewerten sein, ob eine bundeseinheitliche Regelung des Katastrophenschutzes angezeigt ist“, erklärt Maag. Übersetzt heißt das: Den Ländern könnten im Zweifel Kompetenzen entzogen werden.

    Ein Plan, der auch von Medizinern unterstützt wird. „Wir rennen sehenden Auges ins Verderben“, warnt der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx. Deutschland brauche „kein Bergamo oder Szenarien wie in New York mit Patienten auf dem Fußboden, die sich zu zweit ein Beatmungsgerät teilen müssen“. Deshalb müsse man von den hohen Zahlen runter. „Zwei oder drei Wochen harten Lockdown - das lässt sich ab Montag über die Osterferien gut realisieren“, sagt Marx.

    Saskia Esken will Unternehmen und Bürger in die Pflicht nehmen

    Die SPD will unterdessen die Betriebe stärker in die Pflicht nehmen. Dort gilt bislang nur der dringende Hinweis auf Homeoffice und vermehrten Tests. SPD-Chefin Saskia Esken will nicht länger auf Freiwilligkeit setzen. „Alle, die nicht im Homeoffice arbeiten können, müssen sich zweimal die Woche testen können“, sagt sie unserer Redaktion. Sie nimmt zudem die Bürger in die Pflicht. „In vielen Kommunen entsteht jetzt eine Testinfrastruktur, die auch in der Bevölkerung eine Kultur des Testens entstehen lassen kann“, sagt sie. „Durch flächendeckende Tests und die konsequente Quarantäne im Fall einer Infektion können wir die Kontrolle über die Infektionslage wesentlich verbessern.“

    Ein vorgezogener Corona-Gipfel sei hierfür nicht erforderlich. Es seien klare Mechanismen vereinbart worden, die nun umgesetzt werden müssten: Alle vorsichtigen Öffnungsschritte müssten mit sofortiger Wirkung zurückgenommen werden, wenn die Inzidenz den Wert von 100 stabil übersteige. Gelinge dies nicht, sieht Saskia Esken massive Probleme. „Schon seit drei Wochen steigt die Zahl der Neuinfektionen wöchentlich um 20 bis 30 Prozent an“, sagt sie. „Es dauert nur noch zwei weitere solche Wochen, und wir haben mehr Neuinfektionen als jemals zuvor.“

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