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Staatsbesuch: So rechnet Orbán mit Merkels Asylpolitik ab

Staatsbesuch

So rechnet Orbán mit Merkels Asylpolitik ab

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    Lächeln für die Kameras: Flüchtlingspolitisch trennen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Welten.
    Lächeln für die Kameras: Flüchtlingspolitisch trennen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Welten. Foto: Omer Messinger, afp

    Wenn die „Flüchtlingskanzlerin“ auf den Mann trifft, der in Europa wie kein anderer für die vollständige Abschottung gegenüber Migration steht, ist Streit natürlich kaum zu vermeiden. Doch dass es zwischen Viktor Orbán und Angela Merkel zu einem derart harten verbalen Schlagabtausch kommen würde, war auch nicht zu erwarten. Zwei völlig gegensätzliche Sichtweisen zur Zuwanderung prallen aufeinander, als Ungarns Ministerpräsident am Donnerstag zum ersten Mal seit 2014 die Bundeskanzlerin in Berlin besucht.

    Und schon als die beiden nach ihrem Gespräch im Kanzleramt vor die Presse treten, verraten ihre Mienen: Es war kein angenehmes Treffen. Es dauert lang, bis beide ein Lächeln aufsetzen, beide wirken angespannt, der Mann mit dem dunkelblauen Anzug und der lilafarbenen Krawatte und die Frau im hellroten Oberteil harmonieren schon optisch nicht. Der bei Staatsbesuchen übliche Austausch von Höflichkeiten ist dann auch schnell vorbei. Dass Deutschland und Ungarn wirtschaftlich gut zusammenarbeiten, dass sie im kommenden Jahr gemeinsam den 30. Jahrestag der Öffnung der ungarischen Grenze für DDR-Bürger feiern wollen – alles nur Vorgeplänkel.

    Mühevoll errungener Asyl-Kompromiss

    Der tiefe Streit über die Flüchtlingspolitik überschattet die einst von so viel Optimismus geprägte Beziehung zwischen den Ländern. Und Merkels Hoffnung, dass sich daran bald etwas ändert, dass Ungarn etwa bereit sein könnte, im Rahmen des so mühevoll errungenen Asyl-Kompromisses mit ihrem Innenminister Horst Seehofer, bereits in Ungarn registrierte Flüchtlinge zurückzunehmen, wird bitter enttäuscht. Ungarn, das macht Orbán deutlich, denkt gar nicht daran. Denn in seiner Sichtweise ist sein Land für keinen einzigen Flüchtling zuständig.

    Selbst wenn Ungarn Flüchtlinge registriere, bedeute das nicht, dass sein Land verpflichtet sei, sich um sie zu kümmern, sagt Orbán. Durch den konsequenten Schutz seiner Südgrenze zu Serbien könne Ungarn gar nicht Ersteinreiseland sein. Zuständig sei in fast allen Fällen Griechenland, das viele Flüchtlinge gar nicht registriere. Orbán spendet Merkel auch Lob, doch es ist vergiftet. Es sei erfreulich, dass sich Deutschland jüngst zu einem besseren Schutz der europäischen Außengrenzen und der Einrichtung von „Hotspots“, Sammellagern für Flüchtlinge bekannt habe. „Alte Bestrebungen Ungarns sind damit erfüllt“, sagt der Mann von der nationalistisch-autoritären Fidesz-Partei, dessen Regierung in Ungarn Flüchtlingshelfer mit Gefängnisstrafen bedroht. Für Ungarn gelte: „Wir wollen keine Probleme importieren.“

    Durch die Humanität, die Merkel meine, würden Migranten angezogen

    Merkel hält dagegen: „Es geht um Menschen, die zu uns kommen, das hat etwas zu tun mit Humanität.“ Europa dürfe sich nicht abschotten. Die Pressekonferenz gleicht einem Boxkampf der Argumente. Sofort widerspricht Orbán. Durch die Humanität, die Merkel meine, entstünden „Pull-Faktoren“, Migranten würden also erst angezogen.

    Nun verteidigt Merkel ihre Politik, spricht vom Jahr 2015, als der Flüchtlingsstrom über Ungarn und Österreich nach Deutschland begann, als „humanitäre Ausnahmesituation“, beschwört die europäische Solidarität. Und sie sagt, in Zukunft müsse es auch legale Wege geben, etwa aus Afrika nach Europa zu kommen, um zu arbeiten oder zu studieren.

    Orbán wirkt nun nicht mehr nur kühl, sondern endgültig erbost. Dass Ungarn in Europa keine Solidarität zeige, könne er so nicht stehen lassen. Sein Land stelle 24 Stunden täglich 8000 bewaffnete Kräfte an seinen Grenzen. „Sonst würden täglich vier- bis fünftausend Migranten nach Deutschland kommen.“ Ungarn nehme Deutschland „eine große Last von den Schultern, indem wir niemanden hereinlassen“.

    Hören Sie zum Asylkompromiss von CSU und CDU auch unseren aktuellen Podcast:

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