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Skandal um Asylbescheide: Bamf-Affäre: Innenministerium hält an Behördenchefin Cordt fest

Skandal um Asylbescheide

Bamf-Affäre: Innenministerium hält an Behördenchefin Cordt fest

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    Noch ist unklar, ob sich Jutta Cordt, Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), im Amt halten kann. Am Dienstag soll sie zur Affäre befragt werden.
    Noch ist unklar, ob sich Jutta Cordt, Präsidentin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), im Amt halten kann. Am Dienstag soll sie zur Affäre befragt werden. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Das Bundesinnenministerium hat in der Affäre um unrechtmäßige Asylbescheide Forderungen nach einer Abberufung der Präsidentin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt, erst einmal zurückgewiesen. Der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) sagte am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk, personelle Konsequenzen seien jetzt nicht vorrangig. "Es geht darum, inhaltlich die richtigen Konsequenzen zu ziehen und da hat Frau Cordt durchaus zu Beginn des Septembers letzten Jahres, was die Qualitätssicherung anbelangt, einiges verbessert." Die Bürger hätten einen Anspruch darauf, dass Asyl-Entscheidungen rechtsstaatlich einwandfrei getroffen werden.

    Dagegen sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), auf Cordt angesprochen, im ZDF-"Morgenmagazin": "Wenn sich alles so bewahrheitet, wie das sich andeutet, dann glaube ich kaum, dass man sie am Ende wird halten können." Die Entscheidung liege aber bei Seehofer.

    Unklar ist, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird

    Das Bremer Flüchtlingsamt sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt haben. Gegen die ehemalige Leiterin der Außenstelle ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Die Bamf-Zentrale und das Bundesinnenministerium haben als Konsequenz aus den Vorfällen die Überprüfung von Tausenden von Asylverfahren angeordnet - auch außerhalb von Bremen.

    Seehofer hatte zudem angekündigt, er wolle kommende Woche "Entscheidungen über organisatorische und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen" treffen. Am nächsten Dienstag sollen er und Cordt im Innenausschuss des Bundestages befragt werden. Staatssekretär Mayer versicherte, das Ministerium habe kein Interesse, etwas zu vertuschen.

    Bamf-Affäre: Eine Chronologie der Ereignisse

    Der Skandal um die Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die mutmaßlich unrechtmäßige Asylbescheide ausgestellt haben soll, sorgt nun schon seit mehreren Wochen für Aufregung. Das ist geschehen.(AFP)

    20. April 2018

    Der Bamf-Skandal wird bekannt: Die Staatsanwaltschaft Bremen bestätigt Medienberichte, wonach die suspendierte Leiterin der Außenstelle Bremen in rund 1200 Fällen unrechtmäßig Asyl gewährt haben soll. Ermittelt wird auch gegen fünf weitere Beschuldigte, darunter drei Rechtsanwälte. In den beiden Tagen zuvor hatten Polizei und Staatsanwaltschaft acht Objekte in Bremen und Niedersachsen durchsucht.

    22. April 2018

    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigt in der Bild am Sonntag eine unabhängige Untersuchungskommission zu der Affäre an.

    24. April 2018

    Der Bundesrechnungshof zieht wegen der Affäre eine für dieses Jahr geplante Prüfung des Bamf vor. Unter die Lupe genommen werden sollen Organisation und Abläufe in der Behörde.

    8. Mai 2018

    Medien berichten über einen Bericht der kommissarischen Leiterin der Bremer Außenstelle, Josefa Schmid, in dem diese schwere Vorwürfe gegen die Nürnberger Bamf-Zentrale erhebt. In dem auf den 4. April 2018 datierten Dokument heißt es, es dränge sich der Verdacht auf, "dass die Zentrale selbst in die Angelegenheit verstrickt ist" und "dass an einer echten Aufklärungsarbeit kein gesteigertes Interesse besteht".

    9. Mai 2018

    Es wird bekannt, dass Schmid mit sofortiger Wirkung von Bremen ins bayerische Deggendorf versetzt wird. Schmid wehrt sich gegen ihre Versetzung, die sie später als "Bestrafung" mit dem "Charakter eines Racheakts" bezeichnet.

    17. Mai 2018

    Seehofer sagte im Bundestag eine "sachgerechte Aufarbeitung" der Asylaffäre zu. Zugleich zeigt er sich offen für einen möglichen Untersuchungsausschuss des Bundestags zu der Affäre, wie ihn Vertreter mehrerer Parteien fordern.

    18. Mai 2018

    Bamf-Präsidentin Cordt verspricht eine Aufklärung der Affäre "mit Hochdruck". 18.000 positive Bescheide der Bremer Außenstelle seit dem Jahr 2000 sollen überprüft werden.

    20. Mai 2018

    Medienberichten zufolge wusste das Bamf deutlich früher als bisher bekannt von möglichen Unregelmäßigkeiten – und zeigte nur wenig Willen zur Aufklärung. Demnach ordnete ein Bamf-Abteilungsleiter im Februar 2017 eine Prüfung an, die aber "geräuschlos" und nicht "bis ins Detail" erfolgen solle. Ein Bamf-Sprecher bestätigt die Existenz der E-Mails, bestreitet aber, dass die Behördenleitung davon wusste.

    22. Mai 2018

    Seehofer kündigt in einem Interview "Entscheidungen über organisatorische und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen" aus der Affäre an. Die Grünen erklären, sollten sich die Vorwürfe gegen Cordt erhärten, sei diese "kaum mehr zu halten".

    23. Mai 2018

    Die Bremer Bamf-Außenstelle darf ab sofort keine Asylentscheidungen mehr treffen. Seehofer begründet seine Entscheidung damit, dass das Vertrauen in die Arbeit der Außenstelle "massiv geschädigt" sei. Am selben Tag bestätigt die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth den Eingang einer Strafanzeige gegen Cordt. Zunächst wird geprüft, ob ein Verdacht auf eine Straftat besteht.

    25. Mai 2018

    Cordt und Innenstaatssekretär Helmut Teichmann kommen zu einem Krisentreffen nach Bremen. Beschlossen wird unter anderem, dass sich die Bundespolizei an den strafrechtlichen Ermittlungen beteiligen soll.

    Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gibt die Strafanzeige gegen Cordt nach Bremen weiter, weil dort die gleiche Strafanzeige gegen die Bamf-Leitung vorliege. "Eine gemeinsame Sachbehandlung empfiehlt sich."

    29. Mai 2018

    Seehofer und Cordt erklären sich bei einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestags zur Bamf-Affäre.

    Ob die Bamf-Affäre in einen Untersuchungsausschuss münden wird, ist noch unklar. Das liegt auch daran, dass bei der Linkspartei in dieser Frage noch keine Einigkeit besteht. "Sollte Seehofer (CSU) nicht glaubhaft Aufklärung und Abhilfe schaffen, ist der Bundestag in der Pflicht, auch die Ursache der Fehlentscheidungen zu untersuchen", sagte Fraktionsvize Sevim Dagdelen. Die Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke betonte dagegen: "Die Fraktion hat ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Ich persönlich lehne die Einrichtung eines Bamf-Untersuchungsauschusses klar ab."

    SPD-Chefin Andrea Nahles stellt sich hinter Seehofer

    In einem Punkt sind sich Jelpke und Dagdelen aber einig. Dass Seehofer am Mittwoch angeordnet hat, in Bremen dürften bis auf weiteres keine Asyl-Entscheidungen mehr getroffen werden, finden sie falsch. "Das ist Schaupolitik, die vor allem dazu führt, dass sich die Bearbeitung der Asylanträge für Schutzsuchende in Bremen verzögern wird und der Druck auf die ohnehin schon überlasteten Mitarbeiter des Bamf steigt", sagte Jelpke.

    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, wenn Seehofer diese Bamf-Außenstelle stilllegen müsse, zeige das doch, "dass mächtig etwas schief läuft". Mit Aktionismus allein sei es aber nicht getan. Die Öffentlichkeit habe ein Interesse zu erfahren, wie es zu solchen Zuständen kommen konnte, sagte Klingbeil. "Seehofer hat diese Antworten bisher nicht gegeben."

    SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles stellte sich dagegen hinter Seehofer: "Ich traue ihm zu, den Bamf-Skandal aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). Notwendig sei nun "die lückenlose Aufklärung". 

    Grüne fordern mehr Informationen von Seiten des Innenministeriums

    Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte: "Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dem lauten, populistischen Schwadronieren in Flüchtlingsfragen, das vor allem von der CSU kommt, und ihrem lethargischen Nichtstun in Regierungsfragen." Das zeige sich zum Beispiel beim Bamf, für das seit Jahren Unionspolitiker politisch verantwortlich seien, und "wo vieles offensichtlich nicht funktioniert hat".

    Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich offen gezeigt für einen Untersuchungsausschuss zu den Unregelmäßigkeiten beim Bamf.
    Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich offen gezeigt für einen Untersuchungsausschuss zu den Unregelmäßigkeiten beim Bamf. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Die Grünen würden sich gegen einen zuerst von der FDP geforderten Untersuchungsausschuss zu den Unregelmäßigkeiten beim Bamf nicht sperren. Sollte Seehofer demnächst alle relevanten Informationen auf den Tisch legen, wäre der Ausschuss aus ihrer Sicht aber verzichtbar.

    Seehofer selbst hatte sich offen für einen Untersuchungsausschuss gezeigt, der wohl in erster Linie Vorkommnisse aus der Amtszeit seines Amtsvorgängers Thomas de Maizière (CDU) in den Blick nehmen würde. Die AfD hätte gerne einen Ausschuss, der die aus ihrer Sicht unrechtmäßige Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (

    Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae sagte: "Wir wollen bei einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen sein." Deshalb arbeite seine Fraktion an einem Einsetzungsantrag, der auch ohne die Stimmen der AfD die für die Einsetzung notwendigen Stimmen erreicht. Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt, wenn ein Viertel der Abgeordneten dafür ist. (dpa)

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