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Schuldenkrise: Ist Griechenland mit dem neuen Hilfspaket gerettet?

Schuldenkrise

Ist Griechenland mit dem neuen Hilfspaket gerettet?

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    Weitere 86 Milliarden Euro soll Griechenland bekommen. Doch was sind die Folgen für Deutschland? Was passiert wenn die Griechen die Kredite nicht zurückzahlen können?
    Weitere 86 Milliarden Euro soll Griechenland bekommen. Doch was sind die Folgen für Deutschland? Was passiert wenn die Griechen die Kredite nicht zurückzahlen können? Foto: Michael Kappeler/Illustration (dpa)

    Der Weg für das neue Griechenland-Hilfsprogramm ist so gut wie frei. Die Finanzminister der Euro-Staaten akzeptierten am Freitagabend in Brüssel die zuvor von Experten ausgehandelten Bedingungen für die geplanten Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro. Das berichteten Diplomaten am Freitagabend nach einer Sondersitzung in Brüssel.

    Nun müssen nur noch der Deutsche Bundestag und einige andere nationale Parlamente das Hilfsprogramm billigen. Eine Ablehnung dort gilt als äußerst unwahrscheinlich.

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    Kann Griechenland mit dem neuen Rettungspaket noch Pleite gehen?

    Griechenland soll weitere 86 Milliarden Euro bekommen. Ob damit allerdings die "Pleite" endgültig vom Tisch ist, ist noch unsicher. In einem Gutachten zum neuen Hilfsprogramm äußern EU-Experten "ernste Bedenken", ob Griechenland die nochmals steigende Schuldenlast wird tragen können.

    Die wichtigsten Stichwörter zum Grexit

    BANKENRUN: Aus Angst vor der Staatspleite haben die Griechen längst Milliarden Euro von ihren Konten geholt oder ins Ausland geschafft. Am Wochenende bildeten sich vor Geldautomaten im Land lange Schlangen, weil die Griechen angesichts der wachsenden Unsicherheit ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Bei einem akuten Bankenrun versuchen die Kunden massenweise, ihre Konten leer zu räumen. Die Folgen: Die Banken bluten aus, sie können den Firmen kein Geld mehr leihen, die Wirtschaftsaktivität erliegt.

    KAPITALVERKEHRSKONTROLLEN: Um einen Bankenrun zu verhindern, müssten die Banken vorübergehend ganz geschlossen und Onlinetransfers unterbrochen werden. Wenn sie wieder aufmachen, würden Auslandsüberweisungen verhindert und Abhebungen an den Automaten auf kleinere Beträge begrenzt werden. So wurde es vor drei Jahren in Zypern gemacht. Den massiven Eingriff müsste die Regierung in Athen praktisch über Nacht mit einem Dringlichkeitsgesetz beschließen - gezwungen werden kann sie von den Euro-Partnerländern nicht.

    ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT: Ob ein Staat pleite ist, kann eigentlich nur eine Regierung selbst bestimmen. Aber wenn Ratingagenturen einen sogenannten Credit Event feststellen, gilt das Land am Markt als bankrott. Dazu müsse es aber selbst dann noch nicht kommen, wenn Athen seine beim Internationalen Währungsfonds (IWF) fällige Rate in Höhe von 1,5 Milliarden Euro am 30. Juni nicht begleicht, meint ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Denn dabei gehe es nicht um Marktpapiere. Entscheidend sei nicht der Markt, heißt es hingegen in Euro-Kreisen: Zahlt Athen nicht an den IWF zurück, müsste die Europäische Zentralbank (EZB) den Tropf für das griechische Finanzsystem zudrehen. Die Banken müssten praktisch über Nacht abgewickelt werden.

    GREXIT: Eine Pleite Athens hätte nicht automatisch das Euro-Aus für Griechenland - also den Grexit - zur Folge. Tatsächlich ist ein Rauswurf aus dem Euro-Club durch die übrigen Mitglieder nur möglich, wenn die griechische Regierung am Ende selbst zustimmt. Rechtlich gesehen müsste Athen auch aus der EU austreten und sich dann um eine Wiederaufnahme bewerben. 70 Prozent der Griechen wollen den Euro aber behalten. Bei einem Verbleib im Euro ohne weiteren finanziellen Beistand von EZB und Euro-Ländern trocknen Banken und Wirtschaft aber aus. Die Regierung wäre also zum Grexit und der Rückkehr zur Drachme gezwungen. Eine chaotische Übergangsphase von mindestens einem halben Jahr wäre die Folge, schätzten Ökonomen.

    PARALLELWÄHRUNG: Eine Art Mittelweg zwischen Euro und Grexit wäre die Einführung einer Parallelwährung: Weil dem Staat Barmittel fehlen, zahlt er Beamte und Rentner zumindest zum Teil mit Schuldscheinen aus. Um überhaupt noch Geschäfte zu machen, würden Händler und Dienstleister die Schuldscheine als Zahlungsmittel akzeptieren. Wegen des Risikos wären die Schuldscheine allerdings weniger Wert als der Euro. Die Schuldscheine werden in der Finanzwelt »IOU» genannt, nach dem Englischen »I Owe You» (Ich schulde Dir). Kalifornien griff im Sommer 2009 erfolgreich auf das Hilfsmittel zurück, um eine Pleitephase zu überbrücken.

    Schon jetzt ist klar, dass dem Land mehr Zeit gegeben werden muss, die Kredite aus den ersten beiden Rettungspaketen zurückzuzahlen. Zum Beispiel durch längere Rückzahlungsfristen. Einen klassischen Schuldenerlass schließt zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bislang aus.

    Was ist wenn die Griechen die Kredite nicht zurückzahlen können?

    Ein Totalausfall gilt als unwahrscheinlich, theoretisch droht aber Deutschland und damit dem Steuerzahler ein Verlust in zweistelliger Milliardenhöhe. Über das erste Hilfsprogramm hat Deutschland Griechenland rund 15 Milliarden Euro geliehen, für die Hilfen aus dem zweiten Programm haftet es mit einem Betrag von rund 38 Milliarden Euro.

    Beim dritten Programm würde der Anteil an der Haftung rund 27 Prozent betragen. Bei einer Programmsumme von 86 Milliarden Euro entspricht das 23,2 Milliarden Euro - wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mitmacht.

    Warum mussten die Minister für die Sondersitzung nach Brüssel fliegen?

    Die Bedingungen für weitere Hilfen liegen bereits seit Mittwoch vor. Wieso mussten also die zahlreichen Minister extra nach Brüssel fliegen? Hätte dafür nicht eine Telefonkonferenz gereicht? In Kreisen des Bundesfinanzministeriums wurde betont, die Sitzung sei keineswegs eine reine Show-Veranstaltung. Minister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte, bei dem Treffen für ihn noch offene Fragen zu klären: beispielsweise die Beteiligung des IWF.

    Kann man sich überhaupt noch auf Griechenland verlassen?

    Einfach gesagt: Deutschland und den anderen Geldgebern bleibt wenig anderes übrig. Griechenland hat sich in den vergangenen Jahren nicht an die Reform- und Sparauflagen gehalten. Die Alternative zu einem dritten Hilfsprogramm wäre aber die Staatspleite Griechenlands gewesen - mit kaum abzuschätzenden wirtschaftlichen und politischen Folgen auch für die anderen Euroländer.

    Die möglichen Risiken wollte bislang kaum jemand tragen. Bundesfinanzminister Schäuble erntete ziemlich viel Kritik dafür, einen zeitweiligen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ins Spiel gebracht zu haben.

    Hat Deutschland durch die Griechenland-Krise Geld gespart?

    Eine Studie behauptet dies zumindest. Ganze 100 Milliarden Euro soll Deutschland gespart haben, denn als vertrauenswürdiger Gläubiger hätte es für eigene Kredite weniger Zinsen zahlen müssen. Ob das stimmt ist unklar. Vom Bundesfinanzministerium wurde die Berechnung als "höchst spekulativ" und "nicht nachvollziehbar" bezeichnet.

    Führen die Griechenland-Verhandlungen zu Streit in der Koalition?

    Nach einer einheitlichen Position in den Griechenland-Verhandlungen konnte man zuletzt in der Bundesregierung lange suchen. Finanzminister Schäuble forderte Nachbesserungen am Entwurf für das Hilfsprogramm, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) warb für eine schnelle Verabschiedung.

    Offiziell gibt es keine Streitigkeiten, auf eine entsprechende Journalistenfrage wich Schäuble aber am Freitag beim Sondertreffen in Brüssel aus. Er sagte, bindend für das neue Hilfsprogramm sei die Erklärung des Euro-Gipfels im Juli. Die sah er zunächst nicht umgesetzt.  Ansgar Haase und Martina Herzog, dpa

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