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Schuldenkrise: Griechenland ändert die Taktik: Nun wollen sie doch verhandeln

Schuldenkrise

Griechenland ändert die Taktik: Nun wollen sie doch verhandeln

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    „Wenn Versprechungen zulasten Dritter gemacht werden, sind sie möglicherweise nicht realistisch", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble bei einem Gespräch mit dem griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis.
    „Wenn Versprechungen zulasten Dritter gemacht werden, sind sie möglicherweise nicht realistisch", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble bei einem Gespräch mit dem griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Es ist ein ungleiches Kräftemessen, auf das Giannis Varoufakis sich da eingelassen hat. Ob er Wolfgang Schäuble als überzeugten Europäer preist oder von der verbindenden Kraft der Kultur schwärmt, von Goethe, Hegel und Kant: Milder stimmt er, der Neu-Politiker aus Athen, den Routinier aus Berlin dadurch nicht. „Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind“, sagt Schäuble nach dem Gespräch mit seinem griechischen Kollegen – und zitiert seinerseits Goethe: „Ein jeder kehre vor seiner eigenen Tür.“

    Draußen, vor dem Finanzministerium, schwenken ein paar Demonstranten der IG Metall und der Linkspartei ihre roten Fahnen für den Star im Kabinett des neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Drinnen erklärt Schäuble ihm, was er von dessen Politik hält, nämlich nichts. Die Ursachen für die Misere, sagt er, „liegen in Griechenland und nicht in Europa, und schon gar nicht in Deutschland.“ Zum ersten Mal trifft Varoufakis, der auch in deutschen Medien für seine undiplomatische, direkte Art gefeiert wird, bei seiner Tour durch

    Schäuble kritisiert Tsipras' Versprechen vom Ende der Sparpolitik

    Mit seinen Hilfen, sagt Schäuble einmal, sei Europa an den Rand dessen gegangen, was noch vertretbar sei. Dass Tsipras ein Ende der Sparpolitik angekündigt hat und jetzt bei seinen Wählern im Wort steht, ist nicht sein Problem: „Wenn Versprechungen zu Lasten Dritter gemacht werden, sind sie möglicherweise nicht realistisch.“

    Welches Ziel Tsipras und Varoufakis genau verfolgen, bleibt auch nach dem Besuch des Finanzministers in Berlin unklar. Der umstrittene Schuldenerlass, da zumindest ist der 53-Jährige sich mit Schäuble einig, ist im Moment nicht Athens vorrangigstes Ziel. Nachdem die Europäische Zentralbank von der kommenden Woche an keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für Kredite akzeptiert, hat Varoufakis jetzt andere, dringendere Sorgen: Er muss zusehen, dass sein mit 320 Milliarden Euro verschuldetes Land zahlungsfähig bleibt, wenn Ende Februar die Mittel aus dem zweiten Hilfspaket versiegen. Wie er das schaffen will, sagt der Neue nicht. Vage nur deutet er eine „Überbrückungsregelung“ an, über die er bald mit der EU verhandeln will. Schließlich befinde sich Griechenland ja in einer Notlage: „Wir haben nicht viel Zeit.“

    Tsipras will im Mai Verhandlungen über eine Umschuldung beginnen

    Für einen, dem der Ruf eines polternden Polit-Punks vorauseilt, der keine Krawatte trägt und das Hemd lässig über der Hose, argumentiert Varoufakis inzwischen erstaunlich staatstragend. „Natürlich muss jeder seine Hausaufgaben machen“, räumt er ein und verspricht, Korruption und Steuerhinterziehung entschlossener zu bekämpfen. Dabei kann er auch auf Unterstützung aus Deutschland zählen: Bis zu 500 Beamte aus der Bundesrepublik sollen den Griechen nach dem Willen von Schäuble beim Aufbau einer effizienten Steuerverwaltung helfen.

    Diese Zusage, immerhin, nimmt Giannis Varoufakis mit nach Athen. Ende Mai will Tsipras mit den Verhandlungen über eine Umschuldung beginnen – Verhandlungen, die in dieser Form eigentlich nicht vorgesehen sind und die aus Schäubles Sicht, wenn überhaupt, von eben jener Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank geführt werden müssten, die die griechische Regierung gerade aus dem Land geworfen hat. Dass diese Politik der permanenten Konfrontation nur in die politische Isolation führt, haben inzwischen allerdings auch Tsipras und sein Finanzminister erkannt – und sich auf die Suche nach Verbündeten begeben.

    Varoufakis: Griechenland ist wie Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg

    Die Bundesrepublik, sagt Varoufakis nun, sei mit ihrer Geschichte vermutlich das Land, das die Griechen am besten verstehe. In einem Interview hat er die Lage in seiner Heimat zuvor mit den Verträgen von Versailles verglichen, die Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg zu hohen Reparationszahlungen zwangen: „Wenn man eine stolze Nation zu lange demütigt und sie Verhandlungen und dem Kummer einer Schuldendeflationskrise aussetzt, ohne Licht am Ende des Tunnels, gärt es in dieser Nation irgendwann.“ Nach dem Gespräch mit Schäuble wiederholt er diesen Vergleich aber lieber nicht mehr. „Wir wollen“, sagt Varoufakis nur noch, „keine Depression wie in den 30er Jahren.“

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