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Schavans Rücktritt: Merkel zeigt bei Schavans Abschied Gefühle

Schavans Rücktritt

Merkel zeigt bei Schavans Abschied Gefühle

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) gibt "sehr schweren Herzens" den Rücktritt Annette Schavans vom Amt der Bildungsministerin bekannt. Nachfolgerin ist die Mathematikerin Johanna Wanka.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) gibt "sehr schweren Herzens" den Rücktritt Annette Schavans vom Amt der Bildungsministerin bekannt. Nachfolgerin ist die Mathematikerin Johanna Wanka. Foto: John Macdougall, AFP

    "Sehr schweren Herzens“. Angela Merkel sagt es nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal kurz hintereinander. Schon am Freitagabend habe ihr Annette Schavan den Rücktritt vom Amt der Bildungs- und Forschungsministerin angeboten, und „sehr schweren Herzens“ habe sie diesen

    Andere Minister entließ Angela Merkel nüchtern

    Samstag, 14 Uhr, Kanzleramt Berlin: Wieder einmal steht Angela Merkel vor den Mikrofonen im Foyer, hinter ihr die blaue Wand mit dem Bundesadler und die Flaggen der Bundesrepublik und Europas, und wieder einmal muss sie den Rücktritt eines Ministers verkünden. Doch dieses Mal geht ihr dies besonders nahe, und sie versucht auch gar nicht, es zu verheimlichen.

    Anders als bei Umweltminister Norbert Röttgen, dessen Entlassung im Mai vergangenen Jahres sie an gleicher Stelle mit Eiseskälte und nur einigen dürren Worten verkündet hat, anders auch als bei den Rücktritten von Arbeitsminister Franz Josef Jung oder Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg fällt ihr dieses Mal die Entscheidung sichtlich schwer.

    Das ist Annette Schavan

    Annette Schavan hat sich früh der Bildungspolitik verschrieben. Von 1995 bis 2005 war sie Kultusministerin in Baden-Württemberg, seitdem führte sie das Bildungs- und Forschungsministerium im Bund.

    Die Rheinländerin kam als Seiteneinsteigerin in die Politik. Zuvor arbeitete sie lange bei der Begabtenförderung des Cusanuswerkes in Bonn, begleitete dort talentierte junge Leute durch Studium und Promotion.

    Die 57-Jährige ist eine Vertraute von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Seit 1998 ist Schavan stellvertretende Parteivorsitzende.

    Am Kabinettstisch ist Schavan eher eine stille Vertreterin. Sie hat sich immer als treues Regierungsmitglied erwiesen, ist nie ausgeschert, um sich persönlich in den Vordergrund zu spielen.

    Schavan wurde am 10. Juni 1955 in Jüchen im Rheinland geboren und wuchs in Neuss auf. In Bonn und Düsseldorf studierte sie katholische Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften. 1980 schloss sie mit ihrer Promotion ab.

    Am 9. Februar 2013 tritt Annette Schavan (CDU) als Bundesbildungsministerin zurück. Die Uni Düsseldorf hatte ihr zuvor den Doktortitel aberkannt.

    Denn Annette Schavan war mehr als nur eine Ministerin, sie war eine langjährige Weggefährtin, Mitstreiterin, Vertraute und sogar persönliche Freundin, beide pflegen einen engen Kontakt, der weit über das Dienstliche und Politische hinausgeht. Eine Rarität im sonst so kalten und nüchternen Politikbetrieb.

    Das Vertrauen ineinander ist über viele Jahre gewachsen

    Das Vertrauen ist in vielen Jahren gewachsen. Als Angela Merkel im April 2000, auf dem Höhepunkt der CDU-Parteispendenaffäre und der schwarzen Kassen Helmut Kohls, zur Parteichefin gewählt wurde, war Schavan bereits seit zwei Jahren Stellvertreterin und stärkte ihr von Anfang an demonstrativ den Rücken. Als Merkel im November 2005 zur Bundeskanzlerin einer Großen Koalition gewählt wurde, holte sie die baden-württembergische Kultusministerin ins Kabinett und machte sie zur Bildungs- und Forschungsministerin.

    Gemeinsam gingen sie daran, den Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken und die Forschungseinrichtungen zu fördern, Schavan durfte sich über deutliche Zuwächse in ihrem Etat freuen. Der Kanzlerin, selber promovierte Physikerin und mit einem Professor verheiratet, lag die Wissenschaft am Herzen, sie waren Schwestern im Geiste. Und so hat die Kanzlerin am Tag des Rücktritts ihrer Vertrauten nur lobende Worte für sie parat. Schavan sei „die anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin unseres Landes“, ihre Leistungen seien „außerordentlich“, mit ihrem Namen „bleiben wegweisende Maßnahmen und Initiativen verknüpft“.

    Annette Schavan und die Plagiatsaffäre

    28. Februar 2011: Schavan ist eine der ersten aus der Union, die sich kritisch zur Guttenberg-Affäre äußern. «Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich», wird sie in der «Süddeutschen Zeitung» zitiert.

    18. Juni 2011: Der Doktortitel müsse «Ausdruck einer wissenschaftlichen Qualifikation und nicht ein Statussymbol oder Titelhuberei sein», sagt Schavan in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Die Universitäten müssten sich auch selbstkritisch mit den jüngsten Plagiatsfällen auseinandersetzen.

    29. April 2012: Im Internet tauchen anonyme Vorwürfe auf, auch Schavan habe in ihrer Dissertation Quellen nicht vollständig aufgelistet und zum Teil «verschleiert».

    2. Mai: Schavan fordert den Verfasser auf, sich zu erkennen zu geben, und verspricht Aufklärung. Ein Sprecher der Uni Düsseldorf kündigt an, die Promotionskommission werde die Vorwürfe prüfen.

    5./6. Mai: In einem schriftlich geführten Interview mit «Spiegel Online» legt der Plagiatsjäger nach: Er halte es «für belegbar, dass Frau Schavan plagiiert hat, wenn auch in geringerem Maße als andere», behauptet der anonyme Blogger, der sich hinter dem Pseudonym «Robert Schmidt» verbirgt.

    10./11. Mai: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Schavan ihr Vertrauen aus. Ein Sprecher der Uni Düsseldorf teilt mit, der Ausschuss habe mit der Überprüfung der Vorwürfe begonnen.

    14. Oktober: Einer der Gutachter wirft Schavan vor, sie habe in ihrer Doktorarbeit bewusst getäuscht. Es ergebe sich das «charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise», zitieren «Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» aus der Analyse. «Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht weise ich entschieden zurück», sagt Schavan.

    15./16. Oktober: Merkel spricht Schavan erneut das Vertrauen aus. Rückendeckung bekommt sie auch von ihrem Doktorvater, dem Pädagogikprofessor Gerhard Wehle. Oppositionspolitiker legen Schavan den Rücktritt nahe, sollte sich der Verdacht bestätigen.

    22. Januar 2013: Die Universität Düsseldorf eröffnet ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). In einer geheimer Abstimmung stimmt der Fakultätsrat mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung für die Einleitung des Hauptverfahrens.

    05. Februar 2013: Die Universität Düsseldorf entzieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel.

    Schon vier Tage später gibt Annette Schavan ihren Rücktritt als Bundesbildungsministerin bekannt.

    Gleichwohl ist Angela Merkel klar, dass sie Annette Schavan nicht länger im Amt halten kann. Am Freitagabend, unmittelbar nach der Rückkehr Merkels aus Brüssel und Schavans aus Südafrika, haben sie lange miteinander telefoniert, am Samstagmittag sind sie noch einmal kurz im Kanzleramt zusammengekommen.

    Schavan will Amtsbeschädigung vermeiden

    Schavan, die einst zum Thema „Person und Gewissen“ promoviert hat, weiß als Person mit Gewissen, was von ihr verlangt wird. Ihr Rücktritt ist unausweichlich, nun geht es für sie um einen Abgang in Würde. „Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU.“

    Sie wolle vermeiden, dass das Amt beschädigt werde. Noch einmal weist sie mit Entschiedenheit den Vorwurf des Plagiats zurück. „Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht“, die Vorwürfe „treffen mich tief“. In dieser Situation halte sie es mit dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel: „Zuerst das Land, dann die Partei und dann ich selbst.“ Darum sei der heutige Tag „der richtige Tag, aus dem Ministeramt zu gehen“.

    In Berlin ist die Erleichterung groß. Mit „Respekt und Anerkennung“ reagieren Schavans Parteifreunde von der CDU und vom Koalitionspartner FDP auf ihre Entscheidung. „Wir danken ihr von Herzen für ihren leidenschaftlichen Einsatz für Bildung und Forschung“, sagt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe – und begrüßt im gleichen Atemzug die Ernennung von Johanna Wanka zu ihrer Nachfolgerin als „überzeugende Entscheidung für die Bildungsrepublik Deutschland“.

    Baden-Württembergische CDU trauert um Kabinettssitz

    Er weiß nur zu gut, hätte sich die Ministerin noch länger an ihr Amt geklammert, wäre dies der Union nicht gut bekommen und hätte der Opposition Munition geliefert. So aber zeigt die Koalition Handlungsfähigkeit und bringt die Personalie kurz und schmerzlos über die Bühne.

    Dagegen hadert die einst so mächtige Südwest-CDU mit dem Verlust des Kabinettssitzes. Es sei „schade“, dass man auf diese Art und Weise einen Platz in der Regierung verloren habe, heißt es in der CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg.

    CSU-Chef Horst Seehofer nennt den Rücktritt Schavans „bedauerlich und tragisch“, Schavan sei eine „vorzügliche Ministerin“ gewesen, er habe der Kanzlerin gesagt, „Frau Schavan sollte in der Politik bleiben“. Und auch die Opposition zollt der abgetretenen Ministerin ihren Respekt. Der Rücktritt, heißt es bei SPD und Grünen, sei konsequent.

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