Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

SPD-Parteitag: SPD-Parteitag: Schwere Niederlage für Sigmar Gabriel

SPD-Parteitag

SPD-Parteitag: Schwere Niederlage für Sigmar Gabriel

    • |
    SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seinen Kurs trotz der Abstrafung auf dem Parteitag verteidigt. "Ich glaube, dass ich nichts falsch gemacht habe."
    SPD-Chef Sigmar Gabriel hat seinen Kurs trotz der Abstrafung auf dem Parteitag verteidigt. "Ich glaube, dass ich nichts falsch gemacht habe." Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Sigmar Gabriel sitzt wie versteinert auf dem Podium, schaut mit starrem Blick ins Leere und schüttelt den Kopf. Er kann es nicht fassen, genauso wenig wie seine Nachbarinnen Malu Dreyer und Yasmin Fahimi. Von den 614 gültigen Stimmen sind lediglich 456 auf ihn entfallen – das sind gerade einmal 74,27 Prozent. 139 Delegierte stimmen mit Nein, 19 enthalten sich. Das ist das mit Abstand schlechteste Ergebnis seiner sechsjährigen Amtszeit.

    In der Halle herrscht für einen Moment Schockstarre, ehe die Sozialdemokraten zögerlich applaudieren. Denn dieser Tag, daran gibt es nichts zu rütteln, ist eine schwere Niederlage für Gabriel. Eine herbe Klatsche, ein Rückschlag auf dem Weg zurück an die Macht, auf den der SPD-Chef die Genossinnen und Genossen eigentlich bei dem dreitägigen Treffen führen wollte.

    Sigmar Gabriel redet erst gar nicht um den heißen Brei herum. In der Berichterstattung über den Parteitag werde es heißen, Gabriel sei abgestraft worden, nimmt er die Schlagzeilen vorweg, um es im gleichen Atemzuge selber zu bestätigen: „Ist auch so.“ Und man werde die Frage stellen, ob er der Richtige sei, um eine Partei, die derart verunsichert sei, in die Regierung zu führen. Er aber verstehe das Ergebnis anders: „Es gibt 25 Prozent der Delegierten, die das nicht wollen. Aber mit der Wahl ist es auch entschieden, liebe Genossinnen und Genossen.“

    Gabriels Stellvertreter erreichen ein besseres Wahlergebnis

    Ja, er habe der Partei in der Vergangenheit viel zugemutet und sie nicht geschont, aber stehe auch zu seinen Überzeugungen wie der Ansicht, dass sich die SPD mehr um die Leistungsträger in der Mitte der Gesellschaft statt ausschließlich um Minderheiten kümmern müsse. Er sei für Innere Sicherheit und die Vorratsdatenspeicherung, „weil sich nur reiche Leute einen schwachen Staat leisten können“. Und er stehe zum Freihandel, auch wenn dies für manche in der Partei „nicht links genug“ sei. Darum habe er auch Verständnis für all jene, die ihn nicht gewählt haben. Und doch seien die Fronten geklärt: „Jetzt ist mit Drei-Viertel-Mehrheit entschieden, wo es langgeht – und so machen wir das auch. Deswegen nehme ich die Wahl an.“

    Noch bitterer für Gabriel: Alle seine Stellvertreter, Hannelore Kraft, Aydan Özoguz, Thorsten Schäfer-Gümpel, Olaf Scholz, Manuela Schwesig und Ralf Stegner, erhalten ein besseres Ergebnis als er, Schwesig und Kraft kommen sogar auf über 90 Prozent. Und auch die neue Generalsekretärin Katarina Barley darf sich über einen enormen Vertrauensvorschuss in Form von 93,01 Prozent freuen.

    Auf den Fluren und Gängen des Berliner Messegeländes herrschen gleichwohl Entsetzen und betretenes Schweigen. Mit einem derart schlechten Ergebnis hatte niemand gerechnet, intern galten die 83,6 Prozent, die Gabriel vor zwei Jahren erhalten hatte, als Richtwert. Von einem „ehrlichen Ergebnis“ spricht ein Delegierter aus Bayern gegenüber unserer Zeitung.

    Für die Vertreter des linken Parteiflügels dagegen sind die 74,3 Prozent Ausdruck eines weiten Unbehagens an Gabriels forschem Auftreten, seiner Art und Weise, wie er Kritiker abkanzle. Wie zum Beleg dieser These greift Gabriel auf dem Parteitag die Juso-Chefin Johanna Uekermann frontal an, nachdem sie ihm vorgeworfen hat, ein „Glaubwürdigkeitsproblem“ zu haben. Der Parteichef halte zwar in der Regel gute Reden, aber halte sich nicht an die Inhalte dieser Reden.

    Gabriel will seinem Vorbild Willy Brandt auch in Sachen Kanzlerschaft nacheifern

    Da hilft es auch nicht, dass Gabriel in seinem knapp zweistündigen Auftritt vor der Wahl der Partei eine besondere Liebeserklärung macht. Das Amt des SPD-Chefs sei das „stolzeste und ehrenvollste Amt, das man in der demokratischen Politik dieses Landes haben kann“. Und dann lässt er keine Zweifel aufkommen, dass er seinem Vorbild Willy Brandt, den er gleich mehrfach zitiert, auch in Sachen Kanzlerschaft nacheifern wolle. Indirekt und dennoch unüberhörbar meldet er gut 20 Monate vor der nächsten Bundestagswahl seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur an. „Wir wollen Deutschland wieder regieren und nicht nur mitregieren. Natürlich vom Kanzleramt aus. Wo denn sonst?“

    Das wisse ja schon seine dreieinhalbjährige Tochter Marie. Als er sie am Dienstagabend zu Bett gebracht und ihr gesagt habe, dass er am nächsten Morgen in Berlin wieder an der Kabinettssitzung teilnehmen müsse, wollte sie von ihm wissen: „Wie lange musst du denn noch immer zu Angela Merkel fahren?“ Seine Antwort: „Keine Angst, nur noch bis 2017.“

    Seine Rede beendet Gabriel mit einem Appell: „Lasst euch nicht kirre machen wegen der Umfragen.“ Die Mehrheiten im Lande seien in Bewegung. „Nichts steht fest und ist unverändert.“ Mit Überzeugung, Geschlossenheit und Selbstbewusstsein sei die SPD auf dem Weg zu neuer Stärke. „Das schaffen wir! Gemeinsam!“ Doch ob es wirklich so weit kommt? Mit der

    Die Anhänger Sigmar Gabriels lassen ihrem Frust und ihrer Enttäuschung dann auch freien Lauf. „Die Union ist dabei, die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende zu demontieren – und was machen wir? Wir demontieren unseren Parteichef gleich mit“, schimpft ein Vertreter des konservativen Seeheimer Kreises. Statt Gabriel zu stärken, habe man der Union eine Steilvorlage für deren am Sonntag beginnenden Parteitag in Karlsruhe geliefert. „Die können genüsslich mit dem Finger auf uns zeigen und sagen, bei der SPD ist alles noch viel schlimmer.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden