Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

SPD-Mitgliederentscheid: Auszählung läuft: SPD-Votum entscheidet über große Koalition

SPD-Mitgliederentscheid

Auszählung läuft: SPD-Votum entscheidet über große Koalition

    • |
    Auszähler kommen am Morgen zur Station am Postbahnhof in Berlin. Dort hat die Auszählung der Abstimmung der SPD-Mitglieder über den schwarz-roten Koalitionsvertrag begonnen.
    Auszähler kommen am Morgen zur Station am Postbahnhof in Berlin. Dort hat die Auszählung der Abstimmung der SPD-Mitglieder über den schwarz-roten Koalitionsvertrag begonnen. Foto: Hannibal Hanschke/dpa

    Knapp drei Monate nach der Bundestagswahl fällt mit der Auszählung des SPD-Mitgliedervotums die endgültige Entscheidung über eine große Koalition. Am Samstagmorgen begann in Berlin die

    Seit halb neun wird ausgezählt

    Am Samstag kurz nach Mitternacht war ein gelber Post-Lastwagen mit den Umschlägen am Auszählungsort, einem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, eingetroffen. Der Lkw kam aus Leipzig, wo die Briefe zentral in einem DHL-Zentrum gesammelt worden waren. "Ich erwarte eine Zustimmung in der Größenordnung von 70 Prozent", sagte Schatzmeisterin Barbara Hendricks.

    Dass eine nur sehr knappe Mehrheit die Partei belasten könnte, befürchtet Hendricks nicht, "weil auch diejenigen, die mit der großen Koalition nicht einverstanden sind, die Ernsthaftigkeit dieses Prozesses wahrgenommen haben". Zudem sei positiv aufgenommen worden, wie die Partei auf ihre Mitglieder zugegangen sei. SPD-Chef Sigmar Gabriel will das Ergebnis zwischen 16 und 18 Uhr verkünden.

    Am Samstag ab 01.00 Uhr wurden die mit dem Öffnen der Briefe befassten Helfer eingewiesen, sagte Hendricks. Um 09.30 Uhr folgten dann die eigentlichen Zähler. "Und alle, die kommen, die bleiben auch hier; also die gehen nicht wieder raus, die geben ihre Handys ab, die twittern nicht zwischendurch, die fotografieren nicht zwischendurch."

    SPD-Minister stehen fest

    Hendricks soll in einem schwarz-roten Kabinett das Umweltressort übernehmen, die SPD soll sechs Ministerien erhalten. Am Freitagnachmittag waren die Ressortchefs in spe informiert worden. Noch vor der Auszählung des Votums sickerten die Personalien durch. Dabei hatte die SPD stets darauf gedrungen, mit Blick auf die Mitglieder die Bekanntgabe der Postenverteilung auf die Zeit nach dem offiziellen Ergebnis zu verschieben. Inhalte seien entscheidend, nicht Posten, hatte die Führung stets betont. In SPD-Kreisen wurde das Durchsickern der Ressortbesetzungen als unglücklich bezeichnet.

    Gabriel soll als "Superminister" Wirtschaft und Energie übernehmen, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Auswärtige Amt, Hendricks das Umweltministerium, die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles Arbeit und Soziales, SPD-Vize Manuela Schwesig das Familien- und Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas das Justizministerium. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann soll Steinmeier als Bundestags-Fraktionschef nachfolgen.

    Die SPD-Minister in der neuen großen Koalition

    WIRTSCHAFTS- UND ENERGIEMINISTERIUM, VIZEKANZLER: SIGMAR GABRIEL: 2009 wurde er jüngster Parteichef seit Willy Brandt. Der gelernte Lehrer war zudem mit 40 Jahren in Niedersachsen jüngster deutscher Ministerpräsident (1999-2003). Von 2005 bis 2009 erwarb er sich als Bundesumweltminister Ansehen und Expertise im Bereich erneuerbare Energien. Ein politisches Naturtalent und begabter Redner, der aber auch als launisch gilt. Kommt aus sogenannten schwierigen Verhältnissen, das hat ihn tief geprägt. Der Vater war überzeugter Nazi, Gabriel musste gegen seinen Willen nach der Trennung der Eltern zeitweise beim Vater leben. Lebt mit seiner zweiten Frau, einen Zahnärztin, und seiner kleinen Tochter in Goslar.

    AUSSENMINISTERIUM: FRANK-WALTER STEINMEIER: Kanzleramtschef zu rot-grünen Zeiten, strickte für Gerhard Schröder an der «Agenda 2010» mit. Dann wurde der Jurist geachteter Außenminister (2005 bis 2009). Er ist stets exzellent vorbereitet, bürgernah, humorvoll. Seitdem der Westfale und Schalke-04-Fan in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, ist die Region seine zweite Heimat geworden. Bei der Bundestagswahl gewann er das einzige Direktmandat der SPD im Osten. Steinmeier ist verheiratet mit einer Verwaltungsrichterin, der er eine Niere spendete, beide haben eine Tochter.

    JUSTIZMINISTERIUM: HEIKO MAASS: Der ehemalige Zögling des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine ist die größte Überraschung bei der Neuverteilung der Posten auf SPD-Seite. Bislang war der Marathonläufer und Triathlet in der Landespolitik aktiv - seit anderthalb Jahren auch mit Erfahrung in einer großen Koalition. Seit Mai 2012 ist er Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister. Zuvor war er an der Saar schon einmal Umweltminister - damals als jüngster Minister Deutschlands überhaupt. Für sein neues Amt kann Maaß ein abgeschlossenes Jurastudium vorweisen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    UMWELTMINISTERIUM: BARBARA HENDRICKS: Wacht seit 2007 über die Finanzen der Sozialdemokraten, oft unterschätzt. Sie sitzt seit 1994 im Bundestag und war Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium von 1998 bis 2007. Mit 20 Jahren in die SPD eingetreten, studierte Hendricks Geschichte und Sozialwissenschaften, mit Staatsexamen für das Lehramt. Sie liebt ihre Heimat, den Niederrhein, promovierte über «Die Entwicklung der Margarine-Industrie am unteren Niederrhein». Hendricks würde die NRW-SPD im Kabinett vertreten.

    ARBEITS- UND SOZIALMINISTERIUM: ANDREA NAHLES: Die Literaturwissenschaftlerin ist seit 2009 Generalsekretärin. Sie hat erst den Wahlkampf organisiert, dann die Koalitionsverhandlungen, schließlich den Mitgliederentscheid über die große Koalition. Zeit für ihre kleine Tochter Ella Maria und ihren Mann daheim auf einem Hof in der Eifel hat sie zurzeit wenig. «Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zufrieden», sagte sie nach ihrer Elternzeit. Die frühere Juso-Chefin zählt längst nicht mehr zu den Parteilinken. Intern ist sie nicht unumstritten, wurde zuletzt mit schlechtem Ergebnis wiedergewählt. Hat vehement für den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gekämpft.

    FAMILIENMINISTERIUM: MANUELA SCHWESIG: Sie ist das «Gesicht» der ostdeutschen SPD mit einer Blitzkarriere seit ihrem Parteieintritt 2003. Die gebürtige Brandenburgerin studierte Steuerrecht und folgte ihrem Mann, mit dem sie einen Sohn hat, nach Schwerin. 2002 bis 2008 arbeitete sie dort im Finanzministerium. 2008 übertrug Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) der damals 34-Jährigen Diplom-Finanzwirtin das Sozialressort. Seit 2009 ist sie auch SPD-Vize. Als Ministerin könnte Schwesig auch für das von der SPD heftig bekämpfte Betreuungsgeld zuständig sein.

    Im Falle einer Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition - womit allgemein gerechnet wurde - wollen Union und SPD am Sonntag offiziell über Aufteilung und Besetzung der Ministerien informieren. Diverse Personalien auch auf Unionsseite wurden jedoch bereits am Freitagabend durch verschiedene Medienberichte bekannt.

    Schäuble und de Maizière bleiben im Amt

    Bei der CDU sollen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Thomas de Maizière ihre Ämter behalten. Die bisherige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (

    Stimmt die SPD-Basis einem schwarz-roten Bündnis zu, würde Merkel am Dienstag im Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt. Auch die neuen Minister würden ernannt und vereidigt. Sollte die SPD-Basis Nein sagen, stünden Union und SPD turbulente Zeiten bevor. Merkel hätte dann als Option nur einen Neuanlauf für Schwarz-Grün oder aber eine Neuwahl - in dieser Frage käme Bundespräsident Joachim Gauck eine Schlüsselrolle zu. Bei der SPD könnte es zu Rücktritten kommen.

    Deutsche begrüßen SPD-Mitgliederentscheid

    Unabhängig vom Ausgang begrüßt eine klare Mehrheit der Bundesbürger den SPD-Mitgliederentscheid. Nach einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" halten 56 Prozent das Votum für eine gute Idee,  31 Prozent sind anderer Meinung. Besonders groß ist die Begeisterung für die Befragung bei den SPD-Anhängern. Von ihnen finden 79 Prozent den Entscheid gut, nur 14 Prozent halten ihn für falsch. Bei den Unions-Wählern sehen 60 Prozent das Instrument der Mitgliederbefragung bei der SPD positiv, 36 Prozent negativ.

    Die SPD hatte bei der Bundestagswahl am 22. September 25,7 Prozent erreicht, die Union 41,5 Prozent - ihr fehlen aber fünf Sitze zur absoluten Mehrheit. Viele SPD-Mitglieder hatten sich skeptisch gezeigt zu einem erneuten Bündnis mit der Union, viele fürchten nach den Erfahrungen 2005 bis 2009 einen Profilverlust. Daher hatte Gabriel das bisher einmalige Mitgliedervotum über den mit CDU und CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgeschlagen. dpa/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden