Gesundheitsminister Jens Spahn stößt mit seinen Äußerungen über eine absehbare Besiegbarkeit von Krebs auch in der Koalition auf scharfe Kritik. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte Spahns Äußerungen völlig unrealistisch und warnte davor, den Menschen falsche Hoffnungen zu machen. „Uns wird es nicht gelingen, Krebs in so kurzer Zeit zu besiegen“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. "Es ist bei Krebs das Problem, dass wir in 60 Prozent der Fälle pro Jahr selbst bei optimaler uns bekannter Vorbeugung den Krebs bisher nicht verhindern könnten", betonte Lauterbach, der selbst Mediziner ist.
"Ich plädiere daher dafür, realistische Ziele auszurufen, denn sonst machen wir den Patienten falsche Hoffnungen und wir überzeugen auch nicht in der Fachwelt", kritisierte der SPD-Politiker den CDU-Gesundheitsminister. "Zum anderen ist es so, dass wir für die Vorbereitung von neuen Medikamenten ganz neue Grundlagendurchbrüche brauchen", erklärte. "Was wir jetzt an Errungenschaften in der Pipeline haben, wird erst in 20 Jahren zu Medikamenten führen und selbst diese werden auf keinen Fall reichen, um den Krebs zu besiegen", betonte der Gesundheitsexperte. "Ich selber gehe deshalb von längeren Zeiträumen aus", sagte Lauterbach.
Karl Lauterbach hat sich intensiv mit dem Thema Krebs befasst
"Wir können aber die Heilungschancen deutlich verbessern, daran sollten wir arbeiten", mahnte der Mediziner. Zudem seien Impfungen sind ein viel versprechender Ansatz. "Sie werden eine immer größere Rolle spielen und zwar nicht nur da, wo Krebs nicht durch Viren oder Bakterien verursacht wird", sagte Lauterbach, der sich vor Jahren auch für sein Buch "Die Krebsindustrie - Wie eine Krankheit Deutschland erobert" intensiv mit dem Thema befasst hatte . "Impfungen können auch bei anderen Formen von Krebs eine Rolle spielen, und weil dem so ist, spielen Impfungen bei Krebs eine Rolle, aber auch da haben wir bisher keinen Durchbruch, wie es gehen kann", erklärte der Experte "Das ist das Problem, wir sind hier noch in den Grundlagen".
Deutschland sei hier auch in der Forschung, "deutlich unterfinanziert und es fehlt auch an einer nationalen Krebsstrategie", sagte Lauterbach. Die gerade ins Leben gerufenen "Nationale Dekade gegen Krebs" sei da zu begrüßen, aber Spahns Aussage, der Krebs sei in zehn bis 20 Jahren besiegt, sei da "vielleicht nicht der optimale Startschuss", sagte der SPD-Politiker.