In der Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) einen Befreiungsschlag versucht: Seine Landesregierung verhindert im Tauziehen um einen höheren Rundfunkbeitrag eine Abstimmung im Parlament. Damit ist die Beitragsanhebung bundesweit blockiert. Die mitregierenden Grünen kritisierten den Schritt, halten an der vom Bruch bedrohten Koalition aber fest. In Sachsen-Anhalt regieren CDU, SPD und Grüne gemeinsam.
Haseloff habe den Gesetzentwurf zum entsprechenden Staatsvertrag vor der entscheidenden Landtagssitzung zurückgenommen, teilte die Staatskanzlei am Dienstag mit. Damit erübrige sich die weitere Befassung im Parlament. Faktisch bedeutet das eine Blockade der geplanten Beitragsanpassung - denn stimmen nicht alle Landesparlamente bis Jahresende zu, ist sie gekippt.
Der Rundfunkbeitrag wird nach dieser Entscheidung vorerst nicht erhöht
Die Staatskanzlei begründete den Schritt damit, dass sich CDU, SPD und Grüne nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen konnten. Daraus folge, dass es im Landtag keine Mehrheit für das Vorhaben gebe.
Damit scheint Haseloff seine zweite Baustelle im Koalitionsstreit zunächst gelöst zu haben: Die mitregierenden Grünen kritisierten das Agieren von Haseloffs CDU zwar, kündigten aber an, wegen der schwierigen Corona-Lage in der Regierung zu bleiben. "In dieser schweren Situation können wir das Land nicht einer in der Tendenz handlungsunfähigen CDU überlassen - und erst recht nicht einer rechtsextremen AfD", sagte Landes-Chef Sebastian Striegel. Grünen-Bundeschef Robert Habeck sagte der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger, der Landesverband habe seinen "vollen Respekt" und seine Unterstützung.
Die AfD wertet Haseloffs Rückzieher bei den Rundfunkgebühren als ihren Erfolg
Die CDU im Landtag begrüßte Haseloffs Entscheidung als richtig und konsequent. "Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit zahlen sich aus", sagte der Medienpolitiker Markus Kurze laut Mitteilung.
Harte Kritik kam von den Linken. "Das totale Scheitern des Ministerpräsidenten ist dokumentiert, die Führungslosigkeit der Bundes-CDU ein dramatisches Problem", sagte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "SPD und Grüne werden gedemütigt und sollten umgehend ihre Minister aus der Regierung zurückziehen."
Die oppositionelle AfD wertete den Rückzieher des Gesetzentwurfs als ihren Erfolg. Es habe sich wiederholt gezeigt, "dass die AfD auch aus der Opposition heraus Wirkung entwickeln kann", sagte die Chefin der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel der Deutschen Presse-Agentur. Ohne die AfD wäre die Erhöhung des Beitrags "reibungslos und ohne Widerspruch durchgegangen".
Die Christdemokraten hatten trotz zahlreicher Krisentreffen mit den Bündnispartnern ununterbrochen betont, auf keinen Fall einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 zuzustimmen. SPD und Grüne wollten das Vorhaben aller Länder hingegen mittragen. Die CDU hätte ihr Veto auch gegen den Willen der Koalitionspartner mit den Stimmen der oppositionellen AfD durchsetzen können. Diese lehnt die Erhöhung und das System des Rundfunkbeitrags an sich ab. Eine gemeinsame Abstimmung seiner CDU mit der AfD wollte Haseloff aber auf jeden Fall vermeiden.
Im Juni 2021 wird in Sachsen-Anhalt gewählt
SPD und Grüne hatten zudem angekündigt, im Fall eines gemeinsamen CDU-AfD-Vetos keine Zukunft mehr für die seit 2016 regierende bundesweit erste Kenia-Koalition zu sehen. Diesem Szenario geht Haseloff jetzt mit seinem Schritt zunächst aus dem Weg. "Mit dieser Lösung geht die Koalition gefestigt aus der Krise hervor und wird ihre Arbeit zum Wohle des Landes bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen." In Sachsen-Anhalt wird am 6. Juni 2021 gewählt.
Was jetzt mit dem höheren Rundfunkbeitrag passiert, ist offen. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das kündigten ZDF, die ARD-Anstalten und das Deutschlandradiounabhängig voneinander am Dienstag an. Zahlreiche Ministerpräsidenten hatten in den vergangenen Tagen um Zustimmung zum Staatsvertrag aus Sachsen-Anhalt gebeten und Nachverhandlungen abgelehnt. (dpa)
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