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Prozess gegen Sarkozy: Warum so viele französische Präsidenten vor Gericht landen

Prozess gegen Sarkozy

Warum so viele französische Präsidenten vor Gericht landen

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    Schon wieder vor Gericht: Frankreichs Ex-Präsident Nikolas Sarkozy.
    Schon wieder vor Gericht: Frankreichs Ex-Präsident Nikolas Sarkozy. Foto: Michel Euler, dpa

    In Frankreich folgt ein Prozess gegen Spitzenpolitiker dem anderen. Vor zwei Wochen hatte die Weltpresse gespannt im Pariser Justizpalast beobachtet, wie ein Richter erstmals einen ehemaligen Präsidenten wegen Korruption verurteilte: Nicolas Sarkozy. Am Mittwoch muss er schon wieder vor den Kadi: Diesmal geht es um den Präsidentschaftswahlkampf 2012, den er übrigens gegen François Hollande verlor: Sarkozy soll mehr Geld ausgegeben haben, als er laut den Wahlkampf-Regeln durfte. Es sind nur zwei von über einem halben Dutzend Justizaffären, in die Sarkozy verstrickt ist.

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    Auch andere Spitzenpolitiker sitzen regelmäßig auf der Anklagebank – wie kürzlich der ehemalige Premier Edouard Balladur, früher schon Budgetminister Jérôme Cahuzac oder auch der inzwischen verstorbene Ex-Präsident Jacques Chirac. Ein Grund dafür sind Frankreichs Transparenz-Regeln für Politiker. Sie wurden im Lauf der Zeit stark verschärft. Doch politisch müssen die ehemaligen oder aktuellen Amtsträger für ihre Verurteilungen nur selten geradestehen.

    Nicolas Sarkozy (M), ehemaliger Präsident von Frankreich, trifft im Novembr 2020 zu einer Anhörung in einem Gerichtsgebäude in Paris ein.
    Nicolas Sarkozy (M), ehemaliger Präsident von Frankreich, trifft im Novembr 2020 zu einer Anhörung in einem Gerichtsgebäude in Paris ein. Foto: Christophe Ena, dpa (Archivbild)

    Franzosen sehen sich selbst gerne als heißblütige Latinos – keinesfalls wollen sie mit den steifen Deutschen oder, schlimmer noch, den kühlen Nordeuropäern auf eine Stufe gestellt werden. Aber in gewisser Hinsicht versuchen sie dann doch wieder, ihren vermeintlich weniger leidenschaftlichen Nachbarn jenseits des Rheins zu ähneln – die stehen nämlich im Korruptionsindex von Transparency International auf Platz neun in Vergleich zum mageren Platz 23 der Franzosen.

    Frankreich hat seine Antikorruptionsregeln verschärft

    Während in der Vergangenheit Frankreich eher leger mit korruptem Gemauschel seiner Politiker umging, schlägt das Land seit einigen Jahren einen härteren Ton an. 2013 etwa gründete man eine unabhängige Behörde für Transparenz des öffentlichen Lebens. Alle Minister müssen mögliche Interessenkonflikte deklarieren und ihr Vermögen offenlegen. „Das ist viel strikter als in Deutschland“, sagt Yoan Vilain, Jurist und Leiter der Abteilung Internationales an der Humboldt-Universität in Berlin. Er hat für den französischen Senat eine Vergleichsstudie über die Kontrollmechanismen für Politiker in beiden Ländern unternommen. „Es ist kein Wunder, dass so viele französische Politiker vor Gericht kommen – für mich ist dies das Ende einer Ära. Was man früher noch hat durchgehen lassen, geht jetzt nicht mehr, weil die Regeln geändert wurden.“

    Gegen Sarkozy wurde ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Vorwurfs der unerlaubten Wahlkampffinanzierung eröffnet.
    Gegen Sarkozy wurde ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Vorwurfs der unerlaubten Wahlkampffinanzierung eröffnet. Foto: Yoan Valat, epa (Archivbild)

    Strengere Regeln seien auch nötig, meint er. „Frankreich ist mit seinem Präsidialsystem viel zentralisierter als das föderale Deutschland. Politiker haben so mehr Macht und kommen eher in Versuchung, korrupt zu werden – noch dazu, weil es hier eine Elite gibt, die oft unter sich bleibt.“ Die Prozesse seien dann auch viel aufsehenerregender, weil es sich eben um nationale Politiker und nicht um eher unbekannte regionale Größen handelt.

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    Aber für Julien Dubarry, Professor für französisches Zivilrecht an der Universität des Saarlands, gibt es noch einen anderen Grund, warum man Politiker hier so häufig vor den Richter zerrt: die Mentalität. „In Frankreich ist doch alles viel konfliktreicher als in Deutschland“, sagt er. „Da passiert es häufig, in der Privatwirtschaft, aber auch in der Politik, dass man den Widersacher verklagt, um ihm zu schaden.“ Viele nutzten die Justiz also für ihre Zwecke. Aber, die Franzosen seien sich dieser Instrumentalisierung auch bewusst. Deswegen nähmen sie Prozesse gegen Politiker weniger ernst. Daher sei es quasi normal, verurteilte Politiker wieder zu wählen. Selbst bei Sarkozy mit seinen multiplen Justizaffären hatte man bis vor kurzem noch spekuliert, ob er als Präsidentschaftskandidat noch mal antreten würde.

    Das liegt auch an einem seit der Französischen Revolution verankerten Grundverständnis, dass die Justiz der Demokratie entgegenwirke – obwohl ja Politiker gewählt sind, Richter jedoch nicht. „Damals haben die Gerichte – zusammengesetzt aus Mitgliedern des Adels und des Klerus – sich einer durchaus gerechten Steuerreform von Louis XVI widersetzt“, erklärt Philippe Cossalter, Professor für französisches öffentliches Recht an der Universität des Saarlands. „1790 hat das Parlament deshalb verordnet, dass die Justiz nicht mehr der Verwaltung in die Quere kommen dürfe.“

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